Rose of India. Eveline Keller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eveline Keller
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783748216858
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      Seine liebevolle Aufmerksamkeit stach Amber wie ein Messer in die Brust. Damals hatte sie niemand begleitet. Keiner hatte sie verhätschelt während der Schwangerschaft, und es war die Pflegerin gewesen, die ihr bei der Geburt Mut zusprach und ihr die Hand hielt.

      „Süß, wie sich Herr Maler um seine Frau kümmert. Nicht? Wenn das nicht echte Liebe ist! Bei so viel Glück wird einem richtig warm ums Herz. Finden Sie nicht auch?“, seufzte Mia alias Miss Marple neben ihr. Ihr Doppelkinn wackelte mit ihrem Busen um die Wette, während sie an ihrem Bikini herumzupfte. Er musste ihr einmal gepasst haben, als sie dreißig von den hundertsechzig Pfund leichter war.

      Amber sank etwas tiefer in ihren Stuhl und zog es vor, sie zu überhören. Sie hätte sowieso kein Wort herausgebracht, um den Kloss herum, der ihr im Hals steckte.

      Warum mussten sie auch alle in ihre Ecke kommen?

      Später, am Abend, plagten Amber Zweifel. Hätte es eine andere Lösung gegeben, damals? David war stur geblieben, und ihr war die Schwangerschaft so peinlich, weil sie damit genau die Vorurteile der anderen bestätigte.

      Nachdem sie von der Polizei weggegangen war, hatte sie bis zur Geburt gejobbt. Melanie konnte gerade krabbeln, als Amber ein Stipendium aus dem Fond für alleinerziehende Mütter zugesprochen wurde, um Rechtswissenschaften zu studieren. War sie vorher schon gut beschäftigt gewesen, so war nun ihr Leben zum Bersten ausgefüllt mit ‚Räbeliechtli‘ Schnitzen, Semesterarbeiten schreiben, Muki-Turnen und Büffeln für die Zwischenprüfungen. Sie war nie ganz da, immer müde, kam überall zu spät und entschuldigte sich reflexartig für alles Mögliche. Anfangs des achten Semesters wurde Melanie krank und bekam sehr hohes Fieber. Amber wagte es nicht, von ihrer Seite zu weichen. Sie machte ihr Essigsocken und Zwiebelwickel, sang ihr vor, bis es Melanie wieder besser ging. Inzwischen hatte sie wichtige Prüfungen und den Termin für ihre Diplomarbeit verpasst. All das aufzuholen, fehlte ihr die Kraft, außerdem war sie inzwischen pleite. Sie brach das Studium ab und begann bei der Staatsanwaltschaft zu jobben. Nach und nach konnte sie ihre Schulden abzahlen, die Situation beruhigte sich langsam, und als Melanie in die Schule kam, entschloss sich Amber, wieder bei der Polizei einzusteigen, diesmal in die Kriminalabteilung.

      Auch heute kollidierte ihre Mutterrolle viel zu oft mit ihren Dienstzeiten. Dann pflügte sie hektisch durch die Aktenberge, um anschließend nach Hause zu eilen, weil Melanie die Grippe plagte oder ein Lehrergespräch fällig war.

      Sie waren eine glückliche, kleine Familie, die meiste Zeit wenigstens. Ihre Tochter sehnte sich zwischendurch einmal nach einem Vater, und Amber nach einem Mann. Doch die Partnerwahl gestaltete sich mit Kind leider komplizierter, spontane Feiern konnte sie vergessen. Alles musste geplant werden, und sie bedauerte es hinterher umso mehr, wenn ein Rendezvous langweilig war und kein Funken springen wollte.

      Als die Sonne allmählich ins Meer sank und sich der Himmel über dem Horizont, von orange bis schiefergrau verfärbte, lehnte Amber an der Reling. Sie schaute auf die endlose Weite des Wassers hinaus, das so spiegelglatt war, dass man meinte, darüber laufen zu können. Das Firmament mit den funkelnden Sternen war wie eine samtweiche Decke, die sich Mutter Erde vor dem Schlafen gehen übergezogen hatte.

      Eine Nacht, wie geschaffen für geflüsterte Liebesschwüre. In ihren Träumen war da immer ein Mann an ihrer Seite. Eigentlich wäre dazu Raul vorgesehen gewesen.

      Und David? Der war in festen Händen. In diesem Moment schmiegte sich sicher seine schöne Frau verliebt an ihn und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Worauf er sie glücklich in seine Arme schloss und küsste.

      Amber zog fröstelnd die Schultern hoch. Ein Räuspern verriet ihr, dass sie nicht alleine war. Sie drehte sich um und sah im Licht einer glühenden Zigarettenspitze Jessicas Gesicht. Bevor sie etwas sagen konnte, hörte sie Raul rufen.

      „Amber Glättli, bist du da unten?“ Er beugte sich suchend über die Reling.

      Ernüchtert zog sich Amber tiefer in den Schatten zurück. Er ging weiter und seine Stimme verlor sich im vorderen Teil des Schiffes. Stille kehrte wieder ein und für ein paar Minuten war nur das leichte Schlagen der Wellen an der Bordwand zu hören.

      „Der herrliche Sternenhimmel entschädigt einen für manches, das man entbehren muss“, seufzte Amber.

      „Das klingt abgefahren. Sind Sie Mutter Teresa? Oder sind sie auf Diät?“, sagte Jessica und sog genüsslich den Rauch der Zigarette ein. „Kein Wunder, bei den Hüften. - War das nicht ihr äh … Freund?“

      Amber blieb stumm.

      „Verstehe, Sie haben sich verdrückt“, flüsterte Jessica. „Es geht mich zwar nichts an, aber auch mit Ihrer Figur müssen Sie sich nicht alles bieten lassen. Wissen Sie, der ist doch mit seiner Frau da.“

      „Stimmt, es geht Sie nichts an“, schnappte Amber.

      „Keine Sorge, ich werde Sie nicht verpetzen, wenn Sie dafür die Honeymoon-Suite mit uns tauschen. Deal?“

      „Einverstanden. Aber Sie müssen das Rauchen aufgeben. Mit jeder Zigarette füttern Sie ihr Baby mit Arsen und Quecksilber! Wissen Sie das?“

      Jessica seufzte. „Ist ja gut. Hören Sie bloß auf mit der ollen Leier. Sind Sie unterzuckert, dass Sie so aggressiv sind?“ Sie warf die Zigarette weg und trollte sich. Amber atmete auf. Mit dem Kabinenwechsel musste sie wenigstens nicht mehr befürchten, von Raul belästigt zu werden.

      Sie blieb noch einen Moment, legte den Kopf zurück, ließ die warme Luft über ihre Wangen streichen und sah eine Sternschnuppe durch die Nacht fliegen. Schnell kniff sie die Augen zu und schickte ihren Wunsch ins All.

      Eine Nacht wie diese wäre ideal, um sich küssen zu lassen. Da spürte sie den Hauch einer Berührung auf ihren Lippen. Überrascht schlug sie die Augen auf.

      Doch sie war allein.

      7.

      David stand um 6:15 Uhr in der Küche seiner, an bester Lage in Zürich gelegenen Wohnung, und machte sich einen Kaffee. Nach Motivation suchend, starrte er auf den Granit der verlängerten Arbeitsfläche, die als Ess-Bar diente. Die Küchenkombination war in mattem Weinrot gehalten. Das Spiegelglas an der Rückwand gab dem Ganzen mehr Tiefe. Sie war ausgerüstet mit Induktionsherd, Backofen-Mikrowellen-Kombi, Kühlschrank und Geschirrspüler, nur das Teuerste war für Jessica gut genug. Die Sonne sandte ihre Strahlen durch das Fenster über der Spüle und tauchte alles in ein warmes Licht, für das er heute keinen Blick hatte. Er stocherte ohne Appetit in seinem Müsli, kippte es schließlich weg und beeilte sich, auf die Baustelle zu kommen.

      Um Viertel vor sieben betrat er sein Büro, schaltete den Computer ein, las sich durch die Mailbox und vertiefte sich in die Arbeit. Der halbe Morgen war bereits um, als ihn seine Assistentin störte: „Kommissarin Glättli ist da, wegen des Toten.“

      Er zog die Stirn kraus. „Ich kann jetzt nicht, hab bald einen Termin, soll ein anderes Mal kommen.“ Sein Blick klebte auf der Abrechnung des Architekten, die, wie oft er auch nachrechnete, nicht dasselbe Resultat wie geschrieben ergab. Er wählte eben dessen Nummer, als er sich energisch klappernde Absätze nähern hörte, und legte seufzend auf.

      „Tut mir leid, wenn ich ungelegen komme, Herr Maler, aber die Ermittlungen können nicht warten.“ Amber marschierte herein und baute sich vor ihm auf.

      Seine Hand verharrte noch immer über dem Telefon, dann hob er sie grinsend zum indianischen Gruß. „Hough!, scherzte er. „Amber, richtig?“, und nach genauer Betrachtung: „Bemerkenswert.“

      Ihre Haare waren kunstvoll gestylt wie vom Sturm zerrupft, über die Augen zog sich ein Balken aus schwarzviolettem Lidschatten, der von der linken Schläfe bis zur rechten reichte, darunter kalkiges Make-up und ein blutorangeroter Mund.

      „Ja, die heutige Mode - chic!“, schnalzte er. „Da fühlt man sich gleich uralt, wenn man auf rosa Lippen und Bambi-Augen steht.“

      Konventioneller war ihr Outfit, sie trug Jeans, eine peppige Jacke und Gamaschen-Sandalen.

      „Mensch, was für eine Kreuzfahrt! Was haben wir durchgemacht,