Das Labyrinth erwacht. Rainer Wekwerth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rainer Wekwerth
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Labyrinth-Trilogie
Жанр произведения: Учебная литература
Год издания: 0
isbn: 9783401801926
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aneinander. In Leóns Faust blitzte wie durch Zauberei das Messer auf. Er duckte sich ein wenig, zog den Kopf zwischen die Schultern und schob das Kinn vor, er wirkte entschlossen und kampfbereit. Tian hingegen war näher an das Feuer herangetreten, so als könnten ihn das Licht und die Wärme schützen.

      Wieder krachte es im Unterholz. Man hörte ein leises Keuchen.

      Jeb wirbelte herum und zog einen brennenden Ast aus den Flammen, den er wie ein gezücktes Schwert den Geräuschen entgegenstreckte.

      Etwas kam auf sie zu.

      Schnell.

      Mit schweren Schritten.

      Gleich würde es da sein.

      8.

      Der Schatten stürmte auf die kleine Lichtung unter dem Baumriesen und sackte zu Boden. Mary schrie auf, sie kauerte wie die anderen neben dem Feuer, bereit zu fliehen. Lediglich León stand vor dem Eindringling und sprang mit einem einzigen Satz vor. Seine Bewegungen waren kaum sichtbar, so schnell ging es. Die Klinge blitzte auf, jagte hinab… als er plötzlich innehielt.

      »Es ist einer von uns«, sagte er ruhig. Er trat einen Schritt zur Seite und gab den Blick frei.

      Tatsächlich, vor ihnen, in gekrümmter Haltung, lag japsend ein Fremder. Das kurze hellblonde Haar klebte nass an seinem Kopf. Unter der Wanderjacke hob und senkte sich hektisch sein Brustkorb. Sein schwerer Atem erfüllte die Stille.

      Jeb warf seinen brennenden Ast zurück ins Feuer und trat näher. Der fremde Junge schien sich nicht bewegen zu können. Jeb sah, wie die Augenlider unkontrolliert flatterten, er zuckte am ganzen Körper. Dann plötzlich ein kaum hörbares Krächzen. »Wasser.«

      Sofort ging Jeb zu seinem Rucksack und zog die Wasserflasche heraus. Er kniete sich neben den Jungen, stützte mit der Hand den Nacken des anderen, während dieser gierig das Wasser schluckte. Flüssigkeit rann sein Kinn hinab, aber er trank weiter, bis die Flasche leer war. Jeb seufzte stumm. Er selbst hatte sein Wasser eisern rationiert und fast nichts getrunken.

      Der Junge drehte sich auf den Rücken, legte den Kopf in den Nacken und sah ihn an.

      Hell und klar wie ein Bergsee leuchteten seine unglaublich blauen Augen im schwachen Schein des flackernden Feuers.

      León hatte das Messer wieder eingesteckt und sah neugierig auf den Jungen hinab.

      »Danke«, flüsterte der Fremde. »Ich renne schon seit Ewigkeiten. Mein Name ist Mischa.«

      Seltsamer Name, dachte Jeb. Klingt fremd.

      »Ich bin Jeb, das hier ist León. Woher kommst du? Warum bist du so gerannt?«

      »Ich wurde angegriffen.« Der Junge deutete auf seinen linken Arm, der merkwürdig leblos neben ihm lag. Es war offensichtlich, dass jede Bewegung ihn unendlich viel Kraft kostete. »Ich weiß nicht, von wem oder von was, ich bin einfach nur davongerannt. Sie waren die ganze Zeit hinter mir. Ich hatte eigentlich keine Chance. Ich dachte, hier im Wald kann ich sie vielleicht abhängen. Dann hab ich das Feuer gesehen.« Er brach erschöpft ab.

      »Sind deine Verfolger immer noch hinter dir her?«

      »Ich weiß nicht, vielleicht haben sie meine Spur verloren. Sie haben die ganze Zeit schreckliche Schreie und Gekreische hervorgestoßen.« Mischa seufzte. Er wandte seinen Kopf und blickte zu den anderen, die um das Feuer saßen. »Hilf mir, mich aufzurichten.«

      Jeb schob ihm die Hand unter den Rücken, dann zog er Mischa auf die Füße. Sein linker Arm hing schlaff herunter.

      »Was ist mit deinem Arm?«, wagte Jenna zu fragen.

      »Da hat mich dieses Biest… berührt, seitdem hab ich irgendwie das Gefühl darin verloren. Aber warte mal…« Er trat näher ans Feuer heran und hielt seinen Arm über die Flammen. »... meine Finger, ich kann sie wieder bewegen!«

      Hastig riss er sich die nasse und teilweise zerfetzte Jacke und das Hemd vom Leib. Nun hielt er seinen nackten Arm über das Feuer, indem er ihn mit der anderen Hand stützte. »Das ist so… als würde er wieder auftauen. Scheiße und ich dachte schon, ich könnte den vergessen!«

      Mary und Jenna sahen sich bestürzt hat. Kathy hatte sich wieder auf ihren Schlafsack fallen lassen. Tian fand als Erster seine Stimme wieder. »Aber wer hat dir das angetan? Und warum? Wieso haben sie dich überhaupt gejagt? Und nicht uns? Jeb, was ist es, das uns jagt?«

      Mischa zuckte mit den Schultern und bewegte vorsichtig seine Finger im Feuerschein.

      »Pass auf, du verbrennst dich noch.« Jeb trat auf den Neuen zu und zog ihn behutsam vom Feuer weg. »Du hast sicherlich viele Fragen. Ich werde es euch allen gleich erklären. Lasst uns aber kurz noch unseren Proviant verteilen. Leóns Rucksack ist leider verschwunden – das heißt, wir müssen unsere Essenrationen untereinander aufteilen.«

      »Teilen?!« Kathy schnaubte. »Hätte er eben besser aufpassen müssen – und jetzt soll ich ihn durchfüttern? Sind wir hier auf einem netten Wanderausflug oder was?«

      León blickte sie kalt an. »Keine Sorge, Prinzessin, auf Eure Großzügigkeit kann ich bestens verzichten.«

      Jeb hatte den Blick aufs Feuer gerichtet und sprach nun ruhig weiter. »Wir werden unsere Essensrationen aufteilen und fertig! Nur zusammen werden wir hier überleben können. Jeder bringt andere Fähigkeiten mit, die uns vielleicht helfen, das alles durchzustehen. Zum Glück konnte León das Messer retten, das in seinen Sachen war. Ich habe ein Feuerzeug. Wir müssen wissen, was uns zur Verfügung steht und was wir einsetzen können, um zu überleben.«

      León warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. Jeb wusste nicht, ob er wegen der Erwähnung des Messers verärgert war oder es einfach nicht mochte, dass man ihm Anweisungen gab. Letztendlich war es egal. Jeb setzte sich in der Nähe des Feuers auf den Boden und zog seinen Rucksack heran. Er hatte Brot und Trockenfleisch. Und diese seltsamen Tabletten.

      Neben ihm nahm Jenna Platz, die anderen verteilten sich nach und nach wieder ums Feuer. Tian reichte León ein Stück Brot, das dieser widerwillig akzeptierte. Alle begannen zu essen. Jeb riss ein Stück Brot ab. Es schmeckte säuerlich, aber gut. Dann biss er ins Trockenfleisch und weichte es in seinem Mund ein, bevor er zu kauen begann.

      Jenna hielt ihm wortlos ihre Wasserflasche hin.

      Dankbar lächelte er sie an und nahm einen großen Schluck. Das Wasser war eine Wohltat in seiner trockenen Kehle. »Danke. Das Brot reicht uns gerade mal einen Tag, wenn man es rationiert, vielleicht zwei Tage.«

      »Weißt du, wofür diese Dinger sind?« Jenna griff nach den Tabletten.

      Jeb wollte verneinen, aber Mischa, der sich an Jennas anderer Seite niedergelassen hatte, kam ihm zuvor. Er bewegte vorsichtig seinen Arm. »Ich vermute, es sind Schmerzmittel, oder etwas gegen Fieber und Entzündungen. Habe vorhin eine aus meinem Rucksack genommen. Hat schon geholfen.« Er grinste erleichtert. »Zusammen mit der Wärme des Feuers ist mein Arm fast wie vorher, nur noch ein bisschen steif, aber das wird schon.«

      Nachdem sie gegessen hatten, begutachteten sie ihre unterschiedlichen Ausrüstungen.

      Jenna hatte ein langes Seil gefunden. Tian ebenfalls. In Mischas Seitentasche steckte ein weiteres Feuerzeug. In Marys Rucksack fanden sie Verbandsmaterial. Leóns Messer blieb das einzige.

      Das war alles.

      Ein Großteil der Vorräte war bereits verspeist, sie hatten alle die gleiche Ration.

      »Ganz schön mickrige Ausbeute«, unterbrach Tian die Stille. »Wenn das alles ist, sieht es nicht gut für uns aus.«

      »Ich bin anderer Meinung«, sagte Jeb schnell, bevor schlechte Stimmung aufkam. »Wir haben alles, was wir zum Überleben brauchen. Feuer, Nahrungsmittel und ein Messer, mit dem wir Waffen und Werkzeuge herstellen können. Wir müssen die Dinge, die wir haben, nur sinnvoll einsetzen.«

      »Das ist ja schön und gut. Aber was uns fehlt, ist die leiseste Ahnung davon, was wir hier machen und was das Ganze soll«, mischte sich jetzt León ein. »Los, erzähl schon, wir wissen