Doch auch aus geistes- und sozialwissenschaftlicher Betrachtungsweise stellt die Vielfalt an unterschiedlichen Charakteren eine Bereicherung dar. Jedes Individuum bringt seine Schwächen, Stärken und (Des)Interessen mit sich. Was der eine nicht so gut kann oder mag, wird von anderen, die in dieser oder jener Aktivität aufgehen, ausgeglichen. Wie schwierig ließe sich das Leben gestalten, wenn es nur Physiker gäbe, die die Welt zwar mit zahlreichen technischen Erfindungen bereichern, aber es niemanden gäbe, der gut und gern Haare schneiden, kochen oder Häuser bauen kann. Was wäre also, wenn jeder seinen Fähigkeiten und Talenten nachgeht und diese auslebt? Auf theoretischer Basis müsste demnach aufgrund der Unterschiedlichkeit eine annähernd perfekte Arbeitsteilung vorliegen. Zugleich ist das Ausleben einer Stärke nicht nur für die Mitmenschen, sondern auch für den Akteur selbst, da freudig und erfüllend, gewinnbringend.
II. Kern
– die ursprüngliche Idee
Unter „Kern“ ist das „Eigentliche“, das „Grundlegende“, das, um „was es eigentlich geht“, gemeint.
Hierzu Beispiele aus den verschiedensten Bereichen des Lebens:
Wirtschaft und Geldwesen: Zur Ergründung des Kerns der Wirtschaft ist es hilfreich sich zu überlegen was Wirtschaft bedeutet: Wirtschaften entsteht aus dem Konflikt der Unbegrenztheit menschlicher Bedürfnisse in Gegenüberstellung zur Knappheit der Güter. Infolgedessen muss mit den begrenzten Ressourcen sorgfältig umgegangen, sprich gewirtschaftet, werden. Wirtschaft bedeutet demgemäß im Kern mit Gegebenen zu wirtschaften, also mit den gegebenen Ressourcen auszukommen. Sorgfältiges wirtschaftliches Vorgehen ist somit unerlässlich für ein gutes, die Grundversorgung des Menschen deckendes, Leben. Demnach müsste Wirtschaft zu Gerechtigkeit führen, da bei guter Haushaltung das begrenzt Gegebene gerecht auf alle (!) aufgeteilt werden kann. Doch wo Angst vor dem, dass für einen selbst nicht genug der begrenzten Ressource übrigbleibt und/oder die Besessenheit nach mehr das Handeln bestimmt, dort erlischt die wahre wirtschaftliche Idee.
Ebenfalls lohnt sich ein genauerer Blick auf die ursprüngliche Bedeutung des Geldes. Geld ist an sich ein vereinfachtes Tauschmittel. Es erfüllt eine Tauschfunktion, sodass eine Leistung beziehungsweise Ware einer Äquivalenten gegenübersteht. Früher wurden hierzu Materialien gegen Gleichwertige getauscht (z. B. Kuh gegen Schaf). Zum Zweck der Vereinfachung (hinsichtlich Aufbewahrung, Transport usw.) kam es zur Einführung von Münzen und später Papiergeld, welches entweder selbst aus Gold/Silber bestand oder an jene Edelmetalle gebunden war, um die Gleichwertigkeit aufrechtzuerhalten. Letzteres ging mit der Aufhebung der Gebundenheit des Dollars an Gold 1971 verloren. Somit ist das Geld eigentlich nicht mehr wert, als das Papier, auf dem es gedruckt wurde. Hierdurch ging die ursprüngliche Kernfunktion des Geldes (= gleichwertige Tauschfunktion) verloren, was die Wirtschaft und aufgrund – gemäß dessen Definition – dessen Einflussnahme auf das Leben, zu einer massiven Destabilisierung führt.
Bildung(sstätten) und Forschung: Bildungseinrichtungen stellen Orte des Wissensaustausches dar. Lehrende unterstützen Lernende, indem sie ihr Wissen weitergeben, wohingegen Letztere durch „frisches“ Gedankengut ebenfalls bereichernd mitwirken. Im Austausch können so Thematiken von vielen Seiten umfassend beleuchtet und vorangetrieben werden. Aus diesem Betrachtungswinkel ist es unverständlich, wenn der Fokus vom Wissenstransfer – dem Kern - auf ein „Notentransfer“ umgelenkt wird. Wenn Lernende überlegen, was ein Lehrer abfragen könnte, anstatt über den eigentlichen Sachverhalt nachzudenken oder Lehrende die Zeit mit Leistungsnachweisen, anstelle des tatsächlichen (und zugleich viel Zeit benötigten) Wissenstransfers füllen (müssen), so ist die eigentliche Idee von Bildungseinrichtungen verfehlt.
Bezugnehmend auf die Forschung, ist diese dadurch gekennzeichnet, dass systematisch nach (neuen) Erkenntnissen gesucht wird. Auf Grundlage dessen ist es fehlführend, wenn zum Beispiel Forschungsarbeiten im Geheimen durchgeführt werden, zum Zweck als erste Person dazustehen, die diese Entdeckung macht. Gleiches gilt, wenn Ergebnisse manipuliert werden, um sich dem Druck zu beugen, viele erfolgreiche wissenschaftliche Publikationen veröffentlichen zu müssen, um als „erfolgreich“ zu gelten und gute Jobaussichten zu haben, anstatt dem, um was es eigentlich geht – nämlich der Wissensaufdeckung – fokussiert und im Miteinander nachzugehen.
Beruf und Gesellschaft: Zunächst ein Gedankenspiel: Stellen wir uns vor, wir drehen die Zeit um zigtausend Jahre zurück und finden uns nun in einer Welt wieder, wo allmählich die ersten Siedlungen entstehen. In der Gemeinschaft leben eine Handvoll Menschen, wobei jeder unterschiedliche Interessen und Fähigkeiten mitbringt: Person A ist handwerklich begabt, demgegenüber hat Person B zwei linke Hände und interessiert sich lieber für die Natur. Person C kann gut organisieren, wohingegen sich Person D der Kreativität hingibt. Kommt es nun zu einem Schaden am Hausdach bei Person B, so ist diese mit dieser Situation überfordert und fragt Person A um Rat. Was für B eine nur sehr schwer zu bewältigende, lästige Aufgabe darstellt, ist für A eine freudvolle, einfach zu lösende Tätigkeit. Und so entwickelt sich mit der Zeit, dass Person A handwerkliche Aufgaben übernimmt, Person B landwirtschaftlichen Arbeiten nachgeht, C für ein geordnetes Miteinander sorgt und D Inspirationen liefert. Auf Grundlage von Interessen und Fähigkeiten sind – zumindest in diesem Gedankenspiel - durch Arbeitsteilung Berufe, welche die Ausübung der eigenen Berufung darstellen, entstanden.
Hier zeigt sich, dass die einzelnen Berufe Arbeitsteilungen zum Zweck eines fortschrittlichen Lebens sind. Es kann sich jeweils auf ein bestimmtes Interessengebiet fokussiert werden, da die Grundbedürfnisse dank der Arbeit der Mitmenschen gedeckt sind. Somit ist jeder Bewohner ein wichtiges Glied im gesellschaftlichen Zusammenleben. Auch in kleineren Maßstäben, wie etwa in einem Betrieb, ist dieses Prinzip anzutreffen: eine Firma ist letzten Endes ebenfalls eine große Teamwork-Arbeit. Jeder bringt ganz individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten mit, die er oder sie einbringen möchte. Der eine arbeitet im Vertrieb, der andere in der Produktion, wieder eine andere Person in der Verwaltung. Ebenfalls ist die Führungsschiene ein Teil dieser Aufgabenteilung. Denn warum gibt es überhaupt einen Vorgesetzten? Wenn viele Menschen zusammen sind, so macht es Sinn, diese zu koordinieren damit Arbeitsschritte sinnvoll aufeinander abgestimmt werden. Zugleich muss sich um die Leitlinien eines Betriebes gekümmert und die Richtung vorgeben werden wie sich die Firma auch in Zukunft (im Interesse aller) aufstellen möchte. Genau wie ein Maschinenbauer die Aufgabe der Produktion übernimmt, die Putzkraft für Sauberkeit und Ordnung sorgt, so übernimmt die Führungsriege die Aufgabe der Koordination und Leitung. (Dies ist übrigens auch auf die Politik bzw. Regierung übertragbar). Das Verhältnis Arbeitgeber und -nehmer (Regierung - Bevölkerung) stellt somit keine hierarchische Struktur, sondern eine Symbiose – eine Arbeit im Team – dar, wobei die eine Seite nicht ohne die andere funktionieren kann.
Persönlichkeit: Die Idee des Kerns kann nicht zuletzt auch auf sich selbst bezogen werden. Hierbei kann das Attribut der Selbstverantwortung herangezogen werden. Selbstverantwortung bedeutet für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Wer für sich selbst Verantwortung übernimmt, der steht hinter dem, was er oder sie sagt und macht. Es wird sozusagen der eigene Kern - die eigenen grundlegenden Überzeugungen – ausgelebt. Um diesen zu ergründen könnte ein Gedankenexperiment wie dieses durchgeführt werden:
Stelle dir einmal vor, du stündest in einer Welt, die außer Raum aus nichts, rein gar nichts besteht. Keine anderen Lebewesen, keine materiellen Dinge, keine bereits bestehenden Ansichten und Meinungen, keine Verpflichtungen usw. – einfach nur aus einem Raum voller Möglichkeiten. Und nun hast du die Chance deinen eigenen Raum zu kreieren. Du kreierst zunächst dich – so wie du wirklich gern sein und wirken möchtest: Du erschaffst dich so wie du denken, fühlen, handeln und nach außen hin zu erscheinen tendierst. Sodann erbaust du die Welt um dich herum. Letzten Endes entsteht nach und nach eine Welt, die für dich wahrhaft erfüllend ist. Und da dieser Raum sodann vollkommen du bist, sind all deine Denkweisen und Handlungen eine Erfüllung deiner selbst: Dein ganz individuelles Leben am Kern.
Hieraus