Sie ist schon auf dem Nachhauseweg, als sie sich daran erinnert, dass sie doch noch ein Brot kaufen soll. Also macht sie sich auf zum Kolonialwarengeschäft. Es ist nicht das vertraute, Hiltrud lässt woanders anschreiben. Der Verkäufer lächelt sie an, als sie sich vorstellt und fragt sie ein bisschen aus, bevor er ihr das Brot reicht. Später trippelt sie in der einbrechenden Dunkelheit schnellen Schrittes zu ihrem neuen Zuhause. Sie beeilt sich, denn sie möchte sie keinen Ärger bekommen, es ist nämlich schon mächtig spät geworden.
Hiltrud erwartet sie lächelnd und führt sie in die kleine Kammer. Wirklich, unterm Fenster steht die alte Dame, Mutters Singer-Nähmaschine. Liebevoll nimmt die große Schwester die Kleine in den Arm und bedeutet ihr, noch eine Weile hier zu bleiben, während sie das Abendessen vorbereitet. Frida hängt ihren Mantel ordentlich in den Schrank und die Handschuhe nebst Mütze verschwinden in der kleinen Kommode. Dann endlich streicheln ihre schmalen Finger vorsichtig über die Nähmaschine. Sie meint ihre Mutter zu spüren und ihre Stimme zu hören. Tränen treten in ihre Augen und gleichzeitig freut sie sich, dass diese Erinnerung jetzt ihr gehört. Sie möchte gleich heute noch mit dem Üben beginnen. In Gedanken verspricht sie ihrer Mutter, eine gute Schneiderin und noch viel mehr zu werden.
Die nächsten Wochen vergehen schnell. Es wird Karneval und der Winter scheint nicht mehr ganz so viel Atem zu haben. Der Schnee wird bald schmelzen, denn die Sonne scheint schon mit großer Kraft. Fridas Leben hat zur Normalität zurückgefunden. Sie geht tagein tagaus in die Schule, hilft ihrer Schwester im Haushalt und träumt ihren Traum, wenn sie an der Nähmaschine sitzt.
Eines Abends liegt sie träumend im Bett und ihre Finger malen kleine Sterne auf die dicke Bettdecke, da hört sie ungewohnt laute Stimmen aus der guten Stube. Der Wellensittich pfeift aufgeregt, auch er ist so etwas nicht gewöhnt. Plötzlich weint Hiltrud. Frida versucht zu lauschen, aber es gelingt ihr nicht. Das Kind ist verstört und weiß nicht weiter. Endlich schläft sie ein, aber ihre Träume sind unruhig und sie sieht ihre Mutter, die traurig auf die Erde schaut. Am nächsten Morgen will Frida wissen, was gewesen sei, aber Hiltrud wiegelt ab. Doch als sie nach der Schule nach Hause in ihr Zimmer kommt, steht die Nähmaschine nicht mehr unter dem Fenster in ihrer Kammer. Hiltrud erklärt ihr unter Tränen, dass sie verkauft werden musste, das Geld für die Beerdigung ist fällig. Emil und Hiltrud haben Geldsorgen und die sind gravierend, die Krankheit der Mutter und deren Bestattung haben alles Geld aufgebraucht. Die große Schwester verschweigt ihr noch, dass Mutters Sparkästchen auch leer ist, das bringt sie nicht übers Herz. Aber sie erzählt ihr unter Tränen, dass sie ein Kind unterm Herzen trägt. Frida weiß nicht, ob sie weinen oder sich freuen soll. Sie ahnt aber, dass das noch nicht alles ist, dazu kennt sie ihre Schwester zu gut. Die sollte sich doch freuen, wenn ein Baby kommt, aber sie schlägt die Augen nieder, schaut zu Boden und mit einem Mal meint sie, wir sollten besser das Mittagessen zubereiten als rumzuheulen, denn Emil kommt bald nach Hause. Und wirklich, die Suppe dampft kaum im Topf, da hören sie schon Emils eigentümlichen Schritt in der Türe. Frida bekommt heute Mittag kaum einen Bissen runter und wartet darauf, dass Emil das Wort ergreift. Doch der isst genüsslich und lässt sich Zeit, bis er endlich sein Mittagspfeifchen raucht. Dann ruft er Frida zu sich in die Stube, wo er im Lehnstuhl sitzt. Er sagt ihr in wenigen Sätzen, was ihr Hiltrud schon erklärt hat. Nur das Baby erwähnt er nicht, dafür aber, dass sich auch die Pläne für Fridas Zukunft geändert haben. Denn eine Lehre, die kann Emil als Vormund nicht bezahlen, er hat keine Mittel und Mutters Notgroschen ist für alle Rechnungen und ihr Grab ausgegeben. Also ist guter Rat teuer, sehr teuer. Emil meint, die Schule zu beenden, dass wäre nutzlose, vergeudete Zeit, Frida solle zuerst mal in einen Haushalt gehen und arbeiten. Später dann würde sich sicher ein geeigneter Heiratskandidat finden. Frida rennt aus dem Zimmer in ihre Kammer, wirft sich aufs Bett, weint und weint, solange, bis sie keine Tränen mehr hat und vor Erschöpfung einschläft. Wie lange sie geschlafen hat, das weiß sie nicht. Sie bemerkt nur Hiltrud, die bei ihr sitzt, ihr über den Kopf streicht und sie zu beruhigen versucht. Auf dem Nachttisch steht ein Topf mit leckerem Kakao, aber nicht einmal darüber kann sich Frida freuen. Für sie bricht eine Welt zusammen. Ihre Schwester meint, alles wird gut werden, glaube fest daran. Aber Frida glaubt an gar nichts mehr. Sie überlegt, morgen in der Schule mit Lehrer Tetzlaw zu sprechen und um Rat zu fragen.
Der Weg am nächsten Morgen zur Schule ist doppelt so lang. Fridas Kopf glüht, denn viele Gedanken springen von rechts nach links und hoch und runter. Sie möchte so gerne weiter lernen bis zum Schuljahresende. Das will sie und sie stampft mit ihrem Fuß zur Bestätigung auf. Aber sie weiß ganz genau, gegen Emil, ihren Vormund, kommt sie nicht an. Da braucht es ein Wunder. Dieser Schultag ist so lang, die Pausenklingel scheint eingeschlafen zu sein. Frida zupft immer wieder ihre Haarschleife gerade und überlegt, wie sie das Gespräch mit ihrem Lehrer beginnen soll. Plötzlich ein Aufruf, sie wird aus ihren Gedanken gerissen, der Lehrer fordert eine Antwort von ihr. Sie ist ratlos und der Rohrstock am Pult schaut sie ganz erwartungsvoll an, der Boshafte hofft auf seinen Einsatz. Doch vergebens, Herr Tetzlaw, lässt Gnade vor Recht gehen. Er trägt ihr auf, sich nach Schulschluss bei ihm zu melden. Endlich schrillt die Glocke; das Warten hat ein Ende. Die Kinder verlassen den Klassenraum, nur Frida steht da und wartet auf Herrn Tetzlaw, der die Schüler noch zum Ausgang begleitet. Dann ist er zurück und bedeutet ihr, sich zu setzen. Er schaut sie an und Fridas Augen füllen sich mit Tränen. Es ist so, als würde ein Damm geöffnet und alles Herzeleid stürzt heraus, aus ihren Augen, aus ihrem Herzen und sie weint hemmungslos. Der Lehrer schaut nur und sagt kein Wort. Er steht auf und holt aus seiner Jackentasche ein blaukariertes, riesengroßes Taschentuch und seine Bassstimme sagt ganz ruhig, dass sich Frida die Nase putzen und dreimal ganz tief durchatmen solle. Frida macht das und schaut mit ihren tränenfeuchten Augen auf den Lehrer. Dazu weiß sie nicht wohin mit dem gebrauchten Taschentuch, das sie nervös zwischen ihren Fingern knetet. Ohne Komma, Strich und Punkt und ohne Atem zu holen, erzählt sie von ihrer Katastrophe. Herr Tetzlaw schüttelt wieder und wieder den Kopf und hört sich alles an, ohne sie zu unterbrechen. Dann streicht er ihr über den Kopf und sie wird etwas ruhiger. Auch Herr Tetzlaw weiß keinen Rat und erklärt ihr, dass der Vormund über sie bestimmen darf. Sie muss sich fügen, nicht einmal der Herrgott, geschweige denn der Lehrer, kann ihn umstimmen. Ihm tut das Mädchen leid. Er beschwört sie, trotzdem ihre Talente weiter zu pflegen. Also, sich im Nähen zu vervollkommnen, weiter Bücher zu lesen, zu zeichnen und viel zu lernen. Vielleicht geschieht ja noch ein Wunder. Mehr weiß auch er nicht zu sagen und schickt sie nach Hause.
Als sie an die Wohnungstür klopft, hört sie drinnen Stimmen und dazu duftet es nach Fett und Gebratenem. Die Tür wird geöffnet, aber nicht von Hiltrud; Erna ist es, die ihre kleine Schwester stürmisch empfängt und sie herzhaft auf den Mund küsst. Dann sitzen sie am Küchentisch und unterhalten sich. Hiltrud steht am Herd und schwingt in der Pfanne die letzten goldgelben Eierplinsen. Sie platziert sie später auf einen großen Steingutteller am Herd Rand, um sie warm zu halten. Sie haben noch etwas Zeit, bis Emil nach Hause kommt und beratschlagen. Wie soll es mit Frida weitergehen, wo soll das Mädchen nur hin? Ihnen fällt nichts ein.
Schnell decken sie den Tisch in der guten Stube. Die Plinsen sind lecker und das Kompott auch, aber so richtig mundet es den Schwestern heute nicht, nur Emil langt kräftig zu. Der nötigt Hiltrud noch zuzugreifen, sie müsse ja jetzt für zwei essen, meint er stolz. Über Frida spricht er nicht und auch die Frauen trauen sich nicht, das Thema anzuschneiden. Wenig später will Erna sich auf den Weg nach Hause machen, doch vorher geht sie nochmal in die Stube zu Emil, der wie immer seine Pfeife pafft und fragt ihn, ob Frida nächstes Wochenende zu ihnen zu Besuch darf. Es wird vor Ostern geschlachtet und da wird jede Hand gebraucht, benennt sie den Grund. Aber eigentlich möchte sie Frida nur mal wieder etwas Schönes erleben lassen, denn das Schweineschlachten ist jedes Mal ein kleines Fest. Emil willigt ein und Erna wird ihre Schwester am Freitagnachmittag abholen und Sonntagnachmittag wieder zurückbringen. Dann verabschiedet sie sich und macht sich auf den Weg nach Hohen Schönau.
Das ist doch mal ein Lichtblick in dieser traurigen Zeit,