Teamermittlung. Jill Waldhofer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jill Waldhofer
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783347085701
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braunen, etwa 10 x 20 cm großen Briefumschlag zusteckte und dabei seinerseits seinen Blick schweifen ließ, als ob er befürchtete, beobachtet zu werden. Schnell wandte sich die Privatdetektivin dem nächsten Spieler zu, ergriff ihn am Arm und zerrte ihn schimpfend mit sich weg. Der arme Mann, völlig überrumpelt, ließ sich abschleppen, ohne nennenswerten Widerstand zu leisten. Er warf nur noch einen sehnsüchtigen Blick auf seinen Automaten, der gerade eine Goldene Sieben angezeigt hatte und dabei war, viele Eurostücke auszuspucken.

      Draußen angekommen ließ sie den Unbekannten los, entschuldigte sich bei ihm und erklärte, dass sie ihn versehentlich für ihren Vater gehalten hätte, der auch immer sein ganzes Geld verspielte und den sie davor schützen wollte. Der herausgezerrte Spieler nickte nur mit einem ängstlichen Blick in ihr Gesicht – er hielt sie offensichtlich für völlig übergeschnappt –, um sich dann vorsichtig rückwärts bewegend wieder in die Spielhalle zu begeben. Hoffentlich hatte sich nicht jemand inzwischen seinen ganzen Gewinn geschnappt.

      Cara ging zurück zu ihrem Auto, wo sie überschwänglich von Jimmie begrüßt wurde, was sie aber kaum registrierte, denn ihre Gedanken rasten. Was bedeutete das? Was war in dem Umschlag? Geld? Aber wofür? Oder was sonst?

      Sie setzte sich wieder ins Auto, und verstellte den Rückspiegel, so dass sie die Eingangstür der Spielhalle im Blick behalten konnte. Nichts passierte in den nächsten fünfzehn Minuten, außer dass nun auch die Sitzfläche ihrer Jogginghose anfing, ekelhaft klamm zu werden und sich im Auto die verdunstende Feuchtigkeit auf den Scheiben niederschlug. In dieser engen Straße am Rande der Innenstadt gab es außer der Spielhalle nur den türkischen Imbiss, vor dem sie parkte, und ansonsten leicht heruntergekommene Mehrfamilienhäuser. Im leeren Imbiss wischte der Betreiber träge auf der Theke herum. Kein Mensch war bei dem Wetter auf dem Fußweg zu sehen. Kein Auto fuhr vorbei.

      Sie war kurz davor, trotz der feuchten Kälte einzunicken, als ihr Handy einen Klingelton von sich gab, der sie schlagartig wach werden ließ. Bella! Oh nein! Wie spät war es? Oh Gott! Hinten bellte Jimmie klagend auf, als wäre auch ihr gerade aufgefallen, dass sie schon längst wieder zuhause sein sollte. Sie zog den Finger übers Display.

      „Bella? Ich bin sofort da. Bin schon auf dem Weg! Tschauii, bis gleich.“

      Sie legte auf, bevor Bella etwas entgegnen konnte und schmiss das Handy zurück in ihre Handtasche. Schnell wischte sie mit einem schmuddeligen Lederschwamm über die beschlagene Windschutzscheibe und startete den Motor.

      Auftrag hin oder her – Leib und Leben oder, besser gesagt, ihre Freundschaft und gelegentliche Zusammenarbeit mit Bella wollte sie nun auch nicht riskieren. Bella war ihre beste Freundin, aber Jimmie war Bellas große Liebe und sie hatte versprochen, mit dieser gegen 16 Uhr zurück zu sein. Jetzt war es fast 17.30 Uhr… Zügig lenkte sie aus der Parklücke, dann raus aus der Innenstadt und auf die Bundesstraße. Bella und ihr Mann bewohnten ein wunderschönes altes Bauernhaus in einem winzigen Dorf auf dem Lande. Als sie endlich vor dem Haus anhielt, stand ihre Freundin schon im Regenmantel vor der Gartenpforte. Was sie von Bellas Gesicht unter der tropfenden Kapuze erkennen konnte, sah gar nicht erfreut aus. Ohne einen Gruß in ihre Richtung öffnete Bella den Kofferraum.

      "Hallo, meine Süße! Komm schnell rein. Es gibt Futter!“ Jimmie bellte freudig auf, sprang aus dem Wagen und an Bella hoch.

      „Du, Bell–“, hub Cara an, aber weiter kam sie nicht.

      „Wir sprechen uns noch! Tschüss!“, rief Jimmies aufgebrachte Besitzerin durch den Kofferraum, bevor sie die Klappe zuknallte.

      Beide, Bella und Jimmie, verschwanden ohne einen Blick zurück im Haus.

       Kapitel 2: Zusammenstöße

      „Mist. So ein Mist aber auch!“ Sie hätte am liebsten noch ein paar selbstmitleidige Tränen vergossen, während sie entmutigt den Motor wieder anließ.

      Was war das nur für ein grässlicher, erfolgloser Tag. Bella, ihre liebe Bella, war zurecht wütend auf sie. Ihr einziger Trenchcoat war klamm und dreckig, und die Observation hatte sie mittendrin abgebrochen. Schniefend und widerwillig fuhr sie zurück in die Stadt und steuerte ohne Hoffnung noch einmal die schäbige Spielhölle an. Sie hatte für den Trip aufs Land etwa eine Stunde gebraucht. Die Zielperson war mit größter Sicherheit längst über alle Berge und sie hatte keinen Schimmer wohin! Wie sollte sie das Taggert in ihrem Bericht erklären?

      Als sie jedoch wieder in die kleine Straße einbog und langsam an Spielhalle und Imbiss vorbeiglitt, konnte sie ihrem Glück kaum trauen. In dem nun hell erleuchteten Dönerladen saßen einträchtig ihre Zielperson und der Umschlagmann an einem der kleinen Tische, irgendetwas essend und anscheinend in ein angeregtes – erregtes? – Gespräch vertieft. Sie saß mit dem Rücken zum Fenster, war aber an ihren rötlichen, glatten Haaren mit dem kurzen Pferdeschwanz gut zu erkennen. Schnell wandte Cara ihren Blick von beiden ab und wieder nach vorn, erspähte kurz vor dem Halteverbotsschild noch einen halbwegs passenden Parkplatz und navigierte mehr schlecht als recht in die knappe Lücke.

      „Schwein gehabt, Marple!“, murmelte sie vor sich hin. Doch was jetzt? Wie sollte sie herausfinden, wer der Mann aus der Spielhalle war und was in dem Umschlag war? Sie konnte schlecht in den Imbiss stiefeln, vor der Frau mit ihrem IHK-Detektivzertifikat herumwedeln und Einsicht in den Umschlag verlangen. Bei der Vorstellung musste sie doch leise vor sich hin kichern. Schließlich sollte sie nur observieren und herausfinden, ob die Krankschreibung gerechtfertigt war oder nicht. Der Auftraggeber hatte betont, dass seine Angestellte auf keinen Fall merken sollte, dass sie beobachtet wurde, denn die „Aktion“ war, wie er sich ausgedrückt hatte, „nicht ganz indelikat“. Man könnte auch sagen „komplett illegitim“, dachte sie. Arbeitnehmerinnen dürfen nämlich nicht einfach ausspioniert werden, nur, weil sie sich öfters mal krankmelden. Und Umschläge in Spielhallen entgegenzunehmen ist auch nicht verboten, wenn man arbeitsunfähig ist.

      „Alles was der Genesung förderlich ist“, so hatte der Kursleiter bei dem Thema doziert, „darf man auch tun, wenn man krankgeschrieben ist. Und wenn es ein schöner Shoppingausflug ins Schuhgeschäft ist, um die Depressionen zu vertreiben, meine Damen!“

      Der Zertifikatskurs für künftige Privatermittlerinnen damals vor acht Jahren war eine Maßnahme der Arbeitsagentur nur für Frauen und der Dozent ein geradezu unglaublicher Chauvinist gewesen. Dennoch war er ein schlauer Fuchs, wie sich im Laufe der Zeit herausstellte. Seine Tipps hatten ihr schon oft aus der Patsche geholfen. Zum Beispiel die Masche mit der Handtasche, der „besten Waffe der Frau“, die sie zunächst für bescheuerte Macho-Fantasie gehalten hatte…

      Verstohlen sah sie wieder in Richtung Imbiss. Die Frau stand gerade auf, lief am Tresen vorbei und verschwand im Hintergrund. Ihr dunkelblauer Wollmantel hing über ihrem Stuhl, der direkt vor dem bodentiefen Fenster stand, und aus einer der beiden übergroßen Jackentaschen blitzte etwas Eckiges erfreulich braun hervor…

      „Na, dann mal los, Jane Wayne! Und die Pistolen im Anschlag!“ Im nächsten Moment stand sie im Imbiss und bestellte einen Döner „Mit allem“. Der Mann am Tisch tippte mit gesenktem Kopf auf seinem Smartphone und beachtete sie nicht.

      „Kommt sofort, drei Minuten!“, rief der Dönermann begeistert und stürzte sich messerschwingend auf seinen Fleischspieß. Die Geschäfte nahmen ja ungeahnte Ausmaße an.

      Also dann, Showdown!

      „Danke, ich setze mich mal einen Moment“, antwortete sie in seine Richtung. Mit einem Schwung drehte sie sich um und fegte dabei mit ihrer Umhängetasche, einem schweren Ungetüm aus braunem Fettleder, den Stuhl um, auf dem eben noch ihre Zielperson gesessen hatte. Klappernd ging das Möbel samt darüber hängendem Mantel zu Boden. Der Inhalt ihrer Tasche lag darum verteilt herum.

      „Oh Gott, entschuldigen Sie bitte! Wie ungeschickt von mir!“, rief sie und richtete den Stuhl wieder auf. Sie stopfte ihren Kram zurück in das Ledermonster und im Nu hatte sie den Mantel wieder ordentlich über die Lehne drapiert. Der Mann blickte nur kurz von seinem Smartphone hoch, befand das Geschehen wohl als uninteressant und wandte sich wieder seinem Bildschirm zu.

      „So bitte, einmal mit allem!“, rief es vom Tresen.

      Döner