Liebe und Schicksal im Adelshaus: 6 Romane Sammelband. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Короткие любовные романы
Год издания: 0
isbn: 9783745213423
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Dunkelheit hatte sie das Gefühl dafür verloren. Aber irgendwann hörte eine Stimme zwischen den uralten Mauern widerhallen. Eine Stimme, die ihren Namen rief.

      "Susanne!"

      Sofort erwachten in ihr wieder die Lebensgeister.

      "Wilfried!", rief sie. "Ich bin hier!"

      Sie erhob sich. Dann hörte sie Schritte und wenige Augenblicke später sah sie den Schein einer Taschenlampe.

      Der Lichtkegel wanderte suchend den Gang entlang.

      "Susanne!", hörte sie Wilfrieds Stimme.

      "Oh, Wilfried, ich hatte solche Angst..."

      Wilfried nahm Susanne in den Arm und sie schmiegte sich an ihn.

      "Susanne, was um alles in der Welt suchst du hier unten?"

      "Ich weiß, was für eine Närrin ich war, aber..."

      "Was glaubst du, was für Sorgen ich mir gemacht habe, als du nicht zum Essen erschienst..."

      "Es tut mir leid, Wilfried. Aber als sich plötzlich die Geheimtür hinter dem Spiegel öffnete, da konnte ich einfach nicht widerstehen."

      Ihre Blicke begegneten sich.

      "Ich verstehe nicht, wie das geschehen konnte", murmelte Wilfried dann. "Johann hatte die Anweisung, sämtliche Zugänge zu den Geheimgängen zu verschließen... Die Gefahr ist doch viel zu groß, dass sich jemand verlaufen kann!" Wilfried nahm ihre Hand. "Komm jetzt", fuhr er dann sanfter fort. "Wir wollen froh sein, dass nichts passiert ist!"

      Sie ließ sich von ihm den Gang entlangführen.

      Warum hat er so heftig reagiert?, fragte sich Susanne. Nur aus Besorgnis um mich? Oder fürchtete er am Ende gar, dass man hier unten etwa finden konnte. Etwas, das Christianes Anschuldigungen vielleicht weitere Nahrung gab?

      Susanne erschrak über ihre eigenen Gedanken.

      "Was ist los?", fragte Wilfried, der ihre Verkrampfung durchaus wahrnahm.

      "Nichts", behauptete sie.

      Einige Augenblicke lang schwiegen sie, dann stellte Wilfried plötzlich fest: "Du hast über Christianes Anschuldigungen nachgedacht, nicht wahr?"

      "Nun, vielleicht ein bisschen..."

      "Bist du deswegen hier unten gewesen? Um zu überprüfen, ob nicht doch etwas an ihren Worten dran ist?"

      "Wilfried!", stieß Susanne hervor. Sie wollte noch etwas sagen, aber kein Laut kam über ihre Lippen. Hat er nicht im Grunde genommen recht?, ging es ihr durch den Kopf.

      Wilfrieds letzte Worte hatten ungewohnt scharf geklungen.

      In deutlich sanfterem Tonfall fuhr er nun fort: "Ich kann es dir nicht verdenken, Susanne. Vielleicht würde ich an deiner Stelle genauso handeln..."

      "Ich vertraue dir!"

      "Aber du zweifelst auch! Ich wünschte, ich könnte etwas tun, um dich wirklich zu überzeugen..."

      "Das brauchst du nicht, Wilfried."

      8

      Später hörte Susanne zufällig ein Gespräch mit an, das Wilfried mit dem Kammerdiener Johann führte.

      "Wie konnte es passieren, dass die Geheimtür hinter dem Spiegel zu öffnen war?", fragte Wilfried.

      "Durchlaucht, ich habe keine Erklärung dafür. Ich war der Überzeugung, dass sämtliche Zugänge zu den Gewölben verschlossen sind!"

      "Aber das waren sie ganz offensichtlich nicht!"

      "Ich bin untröstlich!"

      "Überprüfen Sie bitte noch einmal alle Geheimtüren... Ich möchte nicht, dass irgendjemand zu Schaden kommt."

      "Sehr wohl..."

      In den nächsten Tagen sprachen Wilfried und Susanne nicht mehr über den Vorfall. Wilfried und Susanne flogen nach Mailand, um für ein Kleid maßnehmen zu lassen, dass ein mit dem Haus Eichenbach befreundeter Modeschöpfer eigens für die Verlobungsfeier anfertigen würde.

      "Hatten wir uns mit deinen Eltern nicht darauf geeinigt, dass wir eine Feier im kleinen Rahmen bevorzugen?", fragte Susanne später, als sie gemeinsam durch die Straßen Mailands schlenderten.

      "Nun, der kleine Rahmen bezog sich doch nur auf die Zahl der Gäste - nicht auf die Qualität der Garderobe!", erwiderte Wilfried lächelnd. "Oder gefällt dir der Entwurf für das Kleid nicht?"

      "Es ist ein Traum, Wilfried."

      Er sah sie an.

      "Du bist ein Traum, Susanne..."

      Die junge Baroness genoss die Zeit, die sie in Mailand verbrachten. Sie fühlte sich freier und unbeschwerter, als in den Mauern von Schloss Eichenbach. Woran mag das nur liegen?, überlegte sie. Die Antwort lag eigentlich auf der Hand.

      Der Grund für das Unbehagen, das sie auf Schloss Eichenbach mitunter empfand, trug einen Namen.

      Komtesse Christiane von Buchenberg-Selm.

      Ihre Anwesenheit wirkte wie ein dunkler Schatten, der Susannes Glück verdunkelte.

      Sie kann nichts für das, was sie getan hat, hatte Susanne sich oft genug gesagt. Christiane war schließlich krank...

      Aber der Keim des Zweifels war gelegt - und seine Saat drohte langsam aufzugehen.

      Doch hier, in Mailand, konnte Susanne all das vergessen.

      All das, was sich an düsteren Andeutungen um das Schicksal von Wilfrieds erster Verlobten herumrankte.

      Als sie von dieser Kurzreise zurückkehrten, empfand sie ein Gefühl der Beklemmung, während sie die Mauern von Schloss Eichenbach in der Ferne auftauchen sah. Ferdinand, der getreue Chauffeur des Fürsten, hatte sie vom Flughafen abgeholt. Und als die dunkle Limousine nun in den Schlosshof einfahren wollte, da stand eine Gestalt unter dem Torbogen und versperrte den Weg.

      Es war niemand anderes als Christiane.

      Starr wie aus Stein gemeißelt stand sie da.

      So als wollte sie verhindern, dass ich je nach Schloss Eichenbach zurückkehre!, durchzuckte es Susanne. Ferdinand stieg aus. Er versuchte die Komtesse mit beruhigenden Worten dazu zu bewegen, den Weg freizumachen.

      Doch Christiane beachtete ihn nicht.

      Ihr Blick war starr auf Susanne gerichtet.

      "Kehren Sie nicht zurück, Susanne!", schrie sie dann. "Sie werden hier Ihr Unglück finden!"

      Damit drehte sie sich um und ging eiligen Schrittes davon.

      "Du darfst dem keine Bedeutung zumessen, Susanne... Sie ist nunmal so, wie sie ist - und daran wird vermutlich niemand etwas zu ändern vermögen. Die Ärzte, die sie bisher behandelten, haben in dieser Hinsicht jedenfalls wenig Hoffnung gemacht..."

      Susanne atmete tief durch und nickte.

      "Ja, ich weiß, Wilfried. Und dennoch... was diese Frau sagt, nagt an meinen Nerven."

      "Das verstehe ich nur zu gut", gab der Sohn des Fürsten von Eichenbach zurück. "Ich habe versucht, mit Christiane zu reden, sie zur Vernunft zu bringen... Aber das war alles vergeblich. Sie lebt in ihrer eigenen Welt, Susanne."

      "Ja, ich weiß, Wilfried."

      Ferdinand fuhr die Limousine jetzt in den Schlosshof hinein und hielt sie vor dem Portal an.

      Er öffnete den beiden jungen Leuten die Türen. Und während sie die steinernen Stufen des Portals hinaufschritten, spürte Susanne, wie ein kalter Wind die Schlossmauern umwehte.

      9

      Die Vorbereitungen für die Verlobung liefen auf