Peter Franz Schmitt
KURZ ANGEBUNDEN
Skurrile Satiren und Grotesken ohne
Mundschutz
© 2020 Peter Franz Schmitt
1. Auflage 2020
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN Taschenbuch: 978-3-347-07297-8
ISBN e-Book: 978-3-347-07298-5
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Immer spielt ihr und scherzt?
Ihr müsst?!
Oh Freunde, mir geht dies in die Seele
denn dies müssen Verzweifelte nur
Friedrich Hölderlin
Was Sie schon immer über Satire wissen wollten
Alles eitle Streben nach Amüsement unterliegt dem Gesetz des tendenziellen Falls der Vergnügungsrate. Wenn die Spaßgesellschaft ihren Ausweg aus dem Dilemma darin sucht, indem sie das Zirkuszelt erweitert, den Pavillon der Lüste aufstockt, Aufführungen und Events vervielfacht, um den Level des Amüsements zu halten, so macht sie sich gleichzeitig umso anfälliger gegen Substanzverluste und unvermeidliche Abnutzung ihrer ohnehin schon begrenzten Spaßressourcen. Während zeitgleich die Schockwellen drohender Langeweile lauern wie die nächste Springflut. Nicht zu verwechseln mit vorübergehenden Schockzuständen, wie sie unter dem derzeitigen Lockdown und dem Kollaps des Live-Unterhaltungskonsums immerhin eine emergente Spannungsfrustration und damit die zeitweilig überbrückende Psychobalance ermöglichen. Aber wir reden ja hier über die Normalsituation, von der alle hoffen, dass sie möglichst bald wieder zurückkehrt. Eine Hoffnung, die sich zweifellos über Gebühr erfüllen wird, wenn erst das Leichentuch der Stoffmasken in die untersten Schubladen wandert und die augenblickliche spannungsgeladene Wachheit wieder in den Ozeanwellen gewohnter Alltags-Bewusstlosigkeit verschwindet. Mit der Rückkehr des Normalalltags aber kehrt in dessen Schlepptau mit unvermeidlicher Vehemenz unser Konsumanspruch an Zerstreuung und Vergnügen zurück – und damit das Dilemma, das wir eingangs angesprochen haben.
Jeder kennt am eigenen Leib das Gähnen, wenn vor seinen Augen ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert oder eine Jungfrau zersägt wird. Der Reiz des Verblüffenden hat eben seine Kehrseite darin, dass er recht bald in seiner Wirkung nachlässt und seine Wiederholung in schaler Abgeschmacktheit endet. Der Witz, der im deftigen Schenkelklopferformat daherkommt, ist im nächsten Moment schon vergessen und Schnee von gestern. -Was will uns nun der Dichter in Bezug auf Satire damit sagen? Er will sagen: Satire im Zeitalter totalen Entertainments läuft bei hochgradig überstimulierter Erregungs- und Vergnügungslustgier Gefahr, sich spaßgesellschaftlich vereinnahmen zu lassen. Wenn es ihr unter den gegebenen Vermarktungszwängen nicht gelingt, Distanz zu halten zur Unterhaltungsindustrie und sich dem Fließbandhumor der trashkulturellen Spektakelmaschine zu entziehen, ist ihr Bestandsschutz nicht länger gewährleistet, um nicht zu sagen, ist es um sie geschehen. Wenn sich im allumfassenden Vergnügungspark auch die Kritik in die Dauerparty herabziehen lässt, könnte dies leicht zum Verhängnis werden.
Wie sehr die Tyrannei des Vergnügens (Huxley) quasi Opfer ihres eigenen Absolutheitsanspruchs werden kann, insofern ihr manifester Suchtcharakter kannibalisch sich selbst als Objekt der Begierde in den Fokus nimmt, lässt sich gut am Beispiel des nimmersatten Fernsehens beobachten. In seinen wenig vergnüglichen Anfängen scheinbar mehr für die praktisch Vernünftigen und weniger für Idioten gemacht, hat es dann in der Folge umso zielstrebiger Generationen von Idioten erzeugt, die nunmehr anschließend das auf nachhaltige Idiotie konzipierte Programm machen. Nicht, dass wenige Ausnahmen die Regel bestätigen würden, die wenigen Ausnahmen sind immer zugleich Ausflucht und Alibi des verwerflichen Status quo und zementieren diesen eher, als dass sie ihm Paroli böten.
Satans Tiere, abgekürzt Satire, sind bekannt für ihr flammendes Aufbegehren gegen das Bestehende. Ihre Negativität kann aber nur dann im Zuge der List der dialektischen Vernunft ins Positive, d. h. Gesellschaftsnützliche umschlagen, wenn Satire in ihrer Konsequenz weder wankt noch schwankt, d. h. sie darf sich niemals anbiedern und zur Lach- und Schießgesellschaft verduckmäusern. Wenn sie die Fahne des Unerbittlichen hochhalten will, muss sie rücksichtslos böse sein, abgründig obstruktiv und zugleich hochergötzlich für all jene, die am Handwerk zerrüttender Sinnzerstörung ihre Freude haben. Wohlgemerkt Sinnzerstörung im Sinne von Zerstörung und Auslaugung regressiver und bereits obsoleter Sinnsurrogate. Satire darf sich keine gutbürgerlichen Hemmungen auferlegen, noch weniger sich selbst des Verdachts niedriger Beweggründe wegen aufhalten lassen, das zu tun, was ihre vornehmliche Aufgabe ist: rücksichtslos böse sein, abgründig obstruktiv und zugleich hochergötzlich für all jene, die am Handwerk zerrüttender Sinnzerstörung ihr Gaudium und ihren Götterfunken haben. Das Prinzip fundamentaler Zersetzung, wie wir es aus der Natur als Grundbedingung aller Erneuerung kennen, hat sich im gesellschaftlichen Bereich nicht minder auf seine Dekompositionsaufgabe zu konzentrieren, das Überlebte, Überholte, Abgeschmackte und Morbide in seinen Urschleim zu zerlegen, es zunichte zu machen, um allenfalls übrig bleibende Nährstoffreste zu verwerten und neuen Sinnstiftungskreisläufen zuzuführen.
In einer Zeit, in der in beschleunigter Abfolge stets neue Sinnkomplexe abgeschmacktester Art in die Welt gesetzt werden, bedarf es umso mehr jener Zersetzungsarbeit, die der von Mistkäfern gleichkommt, um nur einen der prominentesten und anerkanntesten Agenten des biologischen Abfallstoffwechsels zu nennen. Die Analogie zum Metabolismus der Natur, soweit es um die lebensnotwendige Dekomposition des Spektrums quasifäkalischer bis unverdauter Absonderungsprodukte in den geistigen bis ungeistigen Entäußerungen zu tun ist, ist nicht von ungefähr. Mist und Dung, Lug und Trug, davon haben wir fürwahr genug.
Der satirische Denkansatz bewegt sich losgelöst von allen Beschränkungen, stellt niemals die Frage, was Satire darf und was nicht. Das Wort ,dürfen’ haben sowieso Gefängniswärter erfunden, um später umso begieriger von Helikoptereltern übernommen zu werden. Satire wird nicht gelingen, wenn man von normativen Vorgaben des Sprechens, Schreibens und sich Benehmens in gespielter Übertreibung augenzwinkernd abweicht, nur um gleichzeitig zu signalisieren, dass der vermeintlich solide Boden des einzig gegebenen Vernunftkonsenses auf keinen Fall aufgegeben wird. Diese Form der Verstellung nennt sich Dieter Nuhr, oder auch Karneval, worin das Aschermittwochprinzip immer schon im Paket inbegriffen ist und die Oberhand behält. Und nur deswegen ist der staatstragende Karneval auch erlaubt bis gern gesehen. Echte Satire hingegen ist den Herrschenden immer schon suspekt, weil sie nie wissen können, ob es sich um groben Unfug um seiner selbst willen handelt, also latent ungefährlich ist, oder ob – die Grenze ist fließend – dahinter ein verkapptes Programm zur Senkung der Schwellenangst vor der revolutionären Aktion lauert. Dies ist der Grund, weshalb jede Art von theatralisiertem Ausbruch aus dem Pferch konformer Denkgewohnheiten beargwöhnt und seitens verbeamteter Kontrollfreaks institutionell überwacht wird. Überwachung nach außen hin unter Deklamation gehörigen Respekts vor dem verbrieften Recht zur freien Meinungsäußerung, na klar, was denn sonst. Allerdings, so wenig wie man hustende Flöhe im Fell des Hundes mit Hustensaft behandelt, so wenig offenherzig wird der Staat über seinen Kontrollapparat die Karten auf den Tisch legen. Wenn im Staat der repressiven Toleranz Satire geduldet wird, bedrückt den Satiriker zuweilen die Vorstellung, etwas falsch gemacht zu haben. Es fehlte nur noch, dass die Gegner auf die perfide Idee kommen, den Satiriker zu loben oder ihm den Kleinkunstpreis zu verleihen. Die institutionalisierte Form der Selbstverhöhnung ist erreicht, wenn freiwillige Selbstvermarkter des Metiers unter dem Label organisierter Nachwuchsförderung die Selektion systemkonformer Unterhaltungskasper jenseits subkultureller Negativität betreiben und dem allgegenwärtigen Fernsehen frische Kräfte der Affirmation