Man klopfte mir mit einem breiten Grinsen auf die Schulter und eröffnete mir, dass ich gerade eine Tasse frischen Blutes vom heutigen Schlachten getrunken hatte. Irgendwie war mir danach schlecht, ich habe mich recht kräftig geschüttelt und bin wortlos schnell aus dem Raum gegangen. Auch weil ich mir nicht sicher war, ob das eben getrunkene nicht wieder an die Luft streben würde, die Erwachsenen hatten wohl ihren Spaß dabeigehabt.
Aber ich hatte danach noch lange Zeit ein riesiges Problem, denn bei der wöchentlichen Kochwurst Herstellung, neben der Leberwurst und anderer Wurst eben auch der Blutwurstzubereitung. Ich musste ja stets auch die Wurstgrundmasse von den diversen Produkten die hergestellt wurden abschmecken, um den geforderten Geschmack der Waren kennen zu lernen.
Eine grundsätzliche Unterteilung liegt bei der Wurstherstellung in drei große Begriffe. Die Dauerwurst aus rohem Fleisch, Frischwurst und bei den Brühwürsten ebenso aber mit gekutterter Brät Masse aus dem Rohmaterial. Und eben auch der Kochwurst mit gekochtem Material, somit musste ich auch die Blutwurstmasse probieren, dieses wollte und konnte ich nicht mehr, ich ekelte mich einfach davor.
Ich habe immer getrickst und gemogelt um diesem Moment aus dem Wege zu gehen. Das dieses nicht immer gelang lag ja auf der Hand und so mancher ernsthafter Verweis diesbezüglich habe ich mir dann auch im Laufe der Zeit eingehandelt.
Noch eine Sache wurde mehrmals durch das lächerlich machen mir zu einer unangenehmen Erinnerung an die Schlachttage. Denn ich musste die zu schlachtenden Tiere aus den Aufbewahrungsstall Bereichen, in die die gekauften Tiere nach den Kaufverhandlungen abgestellt worden waren.
Durch die variablen vergitterten Laufgänge musste ich die Tiere in den Vorraum der Schlachthalle bringen und das musste dann schon recht zügig von statten gehen, da ja auch andere Metzger auf einen freien Platz an der eigens begrenzten Schlachtstelle warteten.
Bei den Schweinen und dem Großvieh war das noch ziemlich einfach, aber bei den Kälbern und Lämmern war das schon etwas anderes, denn die Tiere wittern ja das in den Hallen Ihnen Ungemach drohte, so musste man sie schon leicht überlisten oder sogar von einer Halle in die andere tragen.
Ein Kalb ist da noch leicht zu beeinflussen in dem man ihnen einen feuchten Finger vor die Nase hält an dem sie dann nuckelnd einem überall hin nachlaufen. Doch dadurch entsteht ja auch eine emotionale Verbindung zwischen Mensch und Tier und somit war es für mich Anfangs eine ungeheure Gemütsbelastung bei dem Schlachtvorgang eines Kälbchens.
Ich habe dann bei den ersten Malen Rotz und Wasser geheult, es hat mich ein paar Mal bis in meine tiefsten Empfindungen getroffen was natürlich bei den anderen Anwesenden in der Schlachthalle zu gewaltigen Heiterkeitsausbrüchen und lustig machen mir gegenüber geführt hatte.
Über meine sentimentale Regung habe ich mich zuerst unsäglich geschämt, doch mit der Zeit hat sich das dann aber auch gegeben. Als ich dieses und andere Probleme meiner Mutter einmal zu erklären versucht habe, meinte sie nur ich soll mich nicht verrückt machen lassen. Ich solle die Zähne zusammenbeißen, denn Lehrjahre seien nun mal keine Herrenjahre, da muss man eben durch und auch mal was einstecken.
Mein Bruder drei Jahre älter als ich, hatte seine Buchbinderlehre bei einer Druckerei in Barmen schon fast abgeschlossen, dort hatte meine Mutter etwas später dann ebenfalls auch eine Anstellung gefunden. Er wohnte dann eine ganze Weile bei der Jüngsten Schwester meiner Mutter in Barmen ganz in der Nähe seiner Firma, auch nach unserem späteren Umzug von Langerfeld nach Elberfeld noch.
Als der Laden meiner Lehrfamilie dann im Frühjahr 53 doch geschlossen wurde, bin ich erst mal wieder zurück zu meiner Mutter gezogen, danach hatte ich dann zwangsweise nochmals ein nettes Gespräch mit dem Innungsmeister am Schlachthof.
Er bedauerte aufrichtig das mir dieses Dilemma widerfahren war und das diese Situation leider nicht voraus und absehbar gewesen sei, denn im Allgemeinen war diese Angelegenheit, das weiter betreiben mit einem Nachfolger als geregelt angesehen worden. Er beteuerte aber, dass er schnellstens eine neue Lehrstelle für mich besorgen würde, damit ich ohne eine große Unterbrechung meine Lehre weiterführen könne.
Es zeigte sich schon von Anfang an, dass selbst der Start in das Berufsleben und auch meine späteren Berufs und Stellenwechsel stellenweise nicht immer mit übermäßigem Glück versehen waren. Auch einige meiner dann zwischenzeitlichen späteren Entscheidungen hatten dann auch ein wenig mehr mit meiner angeboren Neugierde und Zielstrebigkeit zutun.
Wesentlich später dann auch noch mit einer Zwangsläufigkeit, Geld oder dann auch mehr zu verdienen als es normal möglich war, zu tun hatten. Weniger mit der Unstetigkeit oder Flatterhaftigkeit die man den Personen des Sternzeichen der Zwillinge allgemein nachsagt, dafür war ich wiederum einfach zu hartneckisch, was man beginnt sollte man ja auch zu Ende bringen.
Die Bildungsmöglichkeiten waren also im allgemeinen in den damaligen Zeiten noch recht begrenzt, nicht nur in den bekannten Schularten sondern auch mit den fehlenden geeigneten schulischen Räumlichkeiten, der Lehrerschaft und auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Da gab es sogar noch lange Zeit Lehrer die in normalen Zeiten schon einige Jahre ihr Rentnerdasein genossen hätten, es waren viele Lehrer ja auch noch lange nicht aus ihrer Gefangenschaft entlassen worden. Die letzten Kriegsgefangenen kamen ja auch erst im September 1955 endlich aus Russland nach Hause.
Zudem mussten viele Schulen ja auch erst einmal wiederaufgebaut werden. Und die, die noch vorhanden waren, mussten ja zum Teil auch erst wieder voll funktionsfähig gemacht werden, es waren immer noch einige Improvisationen zu bewältigen.
Die vorhandenen Schulen hatten stellenweise dann zu dem schon einen beachtlichen Andrang zu bewältigen, teilweise mit über fünfzig Kindern in einer Klasse, entsprechend waren dann auch die Anforderungen an die Lehrerschaft.
Auch bei den fortbildenden Schulen, entsprechend stringent wurden daher die Auswahl und Zulassungsverfahren auch gehandhabt. Selbst wenn ich gewollt und auch gekonnt hätte wäre für mich eine anschließende weiterführende schulische Ausbildung wirtschaftlich für uns wahrscheinlich in unserer Situation damals auch nicht machbar gewesen.
Allein schon durch das dann aufzubringende Schulgeld und auch durch das nicht unerhebliche Fahrgeld bedingt, denn die entsprechenden weiterführenden Schulen gab es zu der Zeit fast nur in Elberfeld, wir wohnten aber fast am anderen östlichen Ende von Wuppertal, es lagen rund zehn Kilometer Abstand dazwischen.
Eine schulische Weiterbildung war ja zu der Zeit auch noch eine recht kostspielige und für uns eben eine nicht bezahlbare Angelegenheit. Selbst die zwingenden Ausgaben für die Volksschule, wie die allgemeine Grundschule noch benannt wurde, belastete damals unsere finanziellen Möglichkeiten schon stark, somit war ja für uns auch nur eine Ausbildung in einem normalen Handwerklichen Beruf möglich.
Eine allgemeine kostenlose und gehobene Schulbildung gab es noch gar nicht, diese längere und auch bessere Schulbildung war im Grunde nur den Kindern aus den privilegierten Familien vorbehalten und auch im Allgemeinen auch machbar.
An unserer damaligen finanziellen Situation wäre es also daher auch schon gescheitert, eben ein unmögliches Unterfangen, die Möglichkeiten einer offiziellen finanziellen Unterstützung gab es damals so gut wie noch gar nicht und war wenn, mehr als bescheiden, und hätte unsere Situation auch nicht wesentlich verbessert.
Mein Bruder und ich waren aber in den letzten zwei Schuljahren schon in der Volksschule durch eine gute Leistung bedingt, Stipendiaten für die für uns fast unerschwinglichen Schulmittel geworden, eine damals nicht ganz selbstverständliche und normale Leistung der Kommune.
Außerdem wohnten wir zu der Zeit ja praktisch nur Leihweise in Langerfeld, denn die möblierte Zweizimmerwohnung in der wir wohnten war uns vom Wohnungsamt nach unserer fluchtartigen Rückkehr aus Thüringen nach Wuppertal als möblierte unbegrenzte Übergangslösung zu gewiesen worden. Es war über einige Jahre hinweg, irgendwie wie ein geliehenes Leben