Ich musste die heimtückischen Schützen dazu bringen, nicht mehr auf den Stall zu schießen. Das gelang mir nur, wenn ich ihn selbst verließ. Ich begann präzise über meine Lage nachzudenken und damit verbunden auch über die im Haus.
Manuela schien nicht verschlafen zu haben und Jellico ebenfalls nicht. Sie schienen sich in den Händen eiskalter Killer zu befinden, die es dem Anschein nach auf mich abgesehen hatten. Ein glücklicher Zufall, der Schrei und meine schnelle Reaktion retteten mir das Leben.
Das Feuer brach ab. Wieder beruhigten sich die Pferde. Neue Staubwolken trieben aus dem Stall und quollen dem grauen Pulverdampf entgegen, der aus den eingeschlagenen Fenstern aufstieg.
Mein Blick fiel auf die kleine Nebentür, die Chaco für alle Fälle in der Nebenwand eingebaut hatte, als hätte er damals schon geahnt, dass sie eines Tages lebensrettend sein würde. Sie führte in den Hof nebenan, in dem ich sofort die Deckung des Lagerschuppens fand.
Die Pferde schnaubten noch.
„Alles halb so schlimm“, sagte ich beruhigend, ging zu der schmalen Tür, die an ein Handtuch erinnerte, zog den Riegel zurück und sah im geräumigen Hof neben dem Schuppen einen alten Mann, der mir zuwinkte.
Ich verließ den Stall, schloss die Tür und ging dem Mann ungesehen vom Haus nebenan entgegen.
„Was ist passiert?“
„In meinem Haus müssen sich Banditen verschanzt haben.“
„Aber davon hätten wir doch was bemerken müssen.“
„Meinen Sie?“, fragte ich zweifelnd, ließ den Mann allein und erreichte hinter dem Lagerhaus die Straße an der Ecke.
In der Phoenix Street drängten sich Schaulustige unter den Vordächern zusammen. Gegenüber an der Ecke sah ich den Arzt, eilte zu ihm und wurde sofort von einer Menschentraube umringt.
„Was ist hier los?“, fragte ich.
„Keine Ahnung. Ich habe Manuela gestern morgen noch untersucht. Jellico hielt sich in der Schule auf. Alles schien in bester Ordnung zu sein.“
Ich blickte über die Menschen hinweg auf mein Haus, über das Staub und Pulverdampf trieben.
„Die haben es offenbar auf Sie abgesehen“, sagte der Arzt.
„So sieht es aus, Doc.“
„Üble Geschichte. Und gar nichts für Manuelas Zustand.“ Doc Walter wiegte bedenklich den Kopf. „Aufregung ist für sie wie Gift.“
Die Straße herauf hasteten weitere Männer. Unter dem Vordach am Eckhaus fanden sie längst keinen Platz mehr und mussten mit der ausgefahrenen Straße vorlieb nehmen.
In meinem Haus wurde eine Scheibe klirrend eingeschlagen. Wieder zeigte sich eine Faust mit einem Revolver. Krachend entlud sich die Waffe. Die Kugel wimmerte über die Straße.
Mit Geschrei flüchteten die Menschen in Deckung. Die Traube um uns stob auseinander. Doc Walter zog mich an die Wand, so dass ich das Fenster nicht mehr sah, aus dem geschossen wurde.
„Haben Sie Todfeinde, Carringo?“
„Sie stellen vielleicht komische Fragen“, sagte ich beinahe abfällig. „Meine Arbeit bringt es mit sich, überall Freunde und Feinde zu haben.“
„Na ja, ich dachte nicht daran. Entschuldigen Sie.“
Das Revolverfeuer verklang. Als ich mich vorbeugte, sah ich neuen Pulverrauch vor dem Haus schwelgen. Die Waffe aber war verschwunden.
12
„Verdammtes Weib!“, schimpfte Older, riss Manuela vom Boden hoch und schlug sie.
Chaco kämpfte sich trotz der Fesseln auf die Füße, aber ein Kinnhaken von Regan warf ihn auf die Dielen zurück.
Jellico weinte.
„Diese verdammte Mexikanerin hat uns alles vermasselt!“ Older schlug der jungen Frau wieder ins Gesicht, so dass ihr Kopf von der einen Seite zur anderen flog.
„Hör auf, das ändert doch nichts mehr!“, knurrte Curtis, dem die Misshandlung der schwangeren Frau mehr auf die Nerven ging, als er sich selbst je eingestehen würde.
Mit einem Fluch schleuderte Older die junge Frau zurück.
Manuela stürzte auf die Dielen.
„Ihr seid wie Tiere!“, stieß Chaco hervor.
„Wir hätten sie knebeln müssen“, sagte Curtis nervös. „Das war der entscheidende Fehler.“
„Man ist viel zu freundlich zu den Menschen“, sagte Regan wütend. „Immer nur auf die Schnauze schlagen, das verstehen sie besser. Dann kuschen sie, liegen im Dreck und küssen dir die verstaubten Stiefel, wenn du es verlangst.“
Older näherte sich dem Fenster, dessen Scheibe nur noch aus bizarren Resten innen im Rahmen bestand.
Auf der Straße huschten Menschen durch die Schatten der Vordächer.
„Das werden immer mehr. Jetzt haben wir den Auftrag nicht ausgeführt und sitzen ganz schön in der Tinte.“
„Uns wird noch was einfallen“, erwiderte Regan. „Immerhin haben wir drei Geiseln. Das ist schließlich kein Dreck.“
Older wandte sich um. „Ich sah ihn über den Lauf weg und wollte ihn nur zwei, drei, vielleicht vier Schritte näher heranlassen. Es konnte nichts schiefgehen.“
„Wir haben drei Geiseln“, wiederholte Regan. „Und das wissen die da draußen.“
Der hässliche Curtis fluchte grimmig vor sich hin.
„Was ist denn in dich gefahren, Chap?,“ Regan grinste dünn. „Du wirst doch nicht etwa kalte Füße kriegen?“
Chaco richtete sich in sitzende Stellung auf und lehnte den Rücken gegen die Wand.
„Erinnerst du dich noch an deinen Traum, Gerry?“, fragte Curtis zurück.
Regan wurde bleich.
„Das hier ist nichts mehr, was man lässig erledigt. Wir sitzen in einer Falle. Und dass eine Geisel eine schwangere Frau ist, erfüllt die Menschen in der Stadt mit ganz besonderem Hass auf uns. Das sind die Tatsachen.“
Regan blickte Older an. „An den Traum hatte ich schon nicht mehr gedacht, Luck.“
„Am besten, du vergisst ihn auch möglichst schnell wieder“, knurrte Older. „Wir haben es immer geschafft, auch wenn es mal bedrohlich aussah. Unkraut vergeht nicht!“
„Sprüche“, maulte Curtis. „Nichts als Sprüche.“
Older sah aus, als wolle er sich auf den Kumpan stürzen und ihn wie Chaco zusammenschlagen.
„Das sind mehr Leute, als wir Patronen haben“, fuhr Curtis fort. „Und wie gesagt, eine schwangere Frau bringt auch Leute auf Carringos Seite, die ihm sonst bestimmt nicht grün sind.“
„Hör auf!“, befahl Older schroff.
„In Ordnung. Hab ja auch schon alles gesagt, was ich denke. Jedenfalls wäre es sicher besser gewesen, Carringo an der Straße hierher zu erwarten. Es war verrückt, mitten in die Stadt zu reiten und die Pferde so weit entfernt unterzustellen, dass wir sie jetzt nicht greifbar haben, um Fersengeld geben zu können.“
„Da hat er recht“, stimmte Regan zu.
„Ihr sollt aufhören!“, knurrte Older. „Wir haben gute Trümpfe in den Händen. Es gibt keinen Grund zur Panik.“
Chaco, der die Banditen genau beobachtete, wusste, dass es sich anders verhielt als Older tat. Die eigentliche Gefahr für Jellico, Manuela und ihn kam jetzt erst.
Older näherte sich