„Wir sind nicht auf Sie hereingefallen, Tracy. Deshalb sind wir auch zurückgekommen! Hände hoch, ihr alle!“, und zu Tom sagte er: „Lass die Marlin fallen! Wolters steht am Fensterladen und schießt dich durchs Fenster über den Haufen!“
Nein, dachte Tom. Plötzlich warf er sich zur Seite, stieß sich ab, sprang auf die Tür zu, wo der Sheriff mit dem Gewehr stand. Dutch-Billy wollte das Gewehr auf Tom richten, wollte es etwas anheben, aber in diesem Augenblick war Sam da, der hinter Tom aus der Hütte ins Freie strebte, Dutch-Billy zwischen die Füße geriet, so dass der Sheriff aus dem Gleichgewicht kam. Und da war Tom schon da, während der Sheriff von Sam abgelenkt worden war.
Tom riss Dutch-Billy um, sprang an ihm vorbei ins Freie, blickte nach links, wo er Wolters vermutete, und da stand der Deputy schon am Fensterladen.
Wolters zuckte herum, und Tom dachte: Jetzt kommt seine Revanche. Jetzt möchte er es mir heimzahlen.
Der Deputy wirbelte das Gewehr herum und drückte ab.
Tom spürte, wie ihn etwas am Ärmel zupfte, doch mehr nicht. Aber Wolters hebelte durch, wollte erneut schießen. Doch jetzt war Tom heran, schlug ihm den Lauf mit dem Kolben der Marlin herunter, und so fauchte der Schuss in die Erde. Der Gewehrkolben glitt vom Lauf ab und sprang Wolters genau ins Gesicht. Der Deputy brüllte auf, ließ seine Winchester fallen und stürzte rücklings gegen die Hüttenwand.
Dutch-Billy war wieder auf den Beinen, wollte jetzt mit dem Revolver auf Tom schießen, doch gerade, als er seinen Peacemaker im Anschlag hatte, stieß ihn Libbie an, krampfte die Hand um den Lauf von Dutch-Billys Revolver und schrie, während sie so die Mündung auf sich selbst richtete:
„Drücken Sie ab, Sheriff! Schießen Sie doch!“
Sheriff Klein war so überrascht, dass er eine wertvolle halbe Minute brauchte, um Libbie abzuschütteln. Genau die Zeit, die Tom benötigte, um sich auf das Pferd des Sheriffs zu schwingen, die Zügel des Braunen von Wolters zu packen und mit beiden Pferden loszujagen.
Wolters, der gerade wieder hochkam, wollte mit dem Revolver auf Sam schießen, der etwas unschlüssig stehengeblieben war und noch überlegte, ob er Tom und den beiden Pferden nachlaufen sollte oder nicht. Als er es dann doch tat, hob Wolters die Waffe und zielte über den Lauf auf den Wolfshund.
Dutch-Billy schlug ihm den Lauf nieder und bellte: „Was kann denn nun dieses Tier dafür? Johnson hat die Pferde der beiden Cowboys. Hilf mir, sie zu satteln. He, Johnson, wo sind denn die Sättel? Die Cowboys sind doch nicht ungesattelt gekommen und...“
Er wandte sich Johnson zu, der mit der Parker in der Tür aufgetaucht war. „Hallo, nimm das Ding weg!“, rief er dem Jäger zu.
Johnson grinste die beiden Sheriffs an. „Ihr beiden verschwindet. Ohne Pferde. Die beiden Pferde sind mir Cornfields Cowboys schuldig. Weil sie mir beide Geld schulden. Versteht ihr, sie schuldeten mir Geld. Und da sie beide tot sind und nicht bezahlt haben, behalte ich die Pferde, basta.“
„Das lügen Sie sich zusammen!“, rief der Sheriff.
„Die Pferde waren in meinem Besitz, Sheriff. Sie sind es noch. Wollen Sie mir die ohne gerichtlichen Beschluss wegnehmen?“
„Hör mal, Freundchen“, sagte Wolters jetzt, „wir können dich einsperren. Womöglich hast du die beiden umgelegt und nicht Tom Cadburn, wie?“
„Womöglich bist du ein riesengroßer Spinner, Wolters, und was für einer“, rief ihm Johnson zu. Und dann höhnte er: „Nimm mich doch fest, wenn es dir Spaß macht!“
Dutch-Billy war kein Anfänger. Als ihn Johnson einmal kurz aus den Augen ließ, feuerte er aus dem Revolver, traf den Lauf der Parker, so dass der herumgerissen wurde. Johnson drückte vor Schreck ab, und während er noch selbst davon schockiert war, sprang der Sheriff schon auf ihn zu, entriss ihm das Gewehr und drückte ihm den Revolver mit der Mündung zwischen die Rippen.
„Es ist anders gelaufen, Tracy. Wolters, nimm die Sättel! Mach die beiden Cornfield-Pferde fertig. Dann bringst du Johnson in die Stadt. So etwas lasse ich grundsätzlich nicht durch. Ich werde mir Tom Cadburn allein holen. Dazu brauchen wir nicht zu zweit sein.“
„Ihr könnt ihn nicht mitnehmen!“, schrie Libbie. „Mein Vater ist am Fuß verletzt.“
Der Sheriff winkte ab. „Wir werden sehr rücksichtsvoll sein. Und außerdem bekommt er einen Doc, auf Kosten des Countys. Vielleicht heilt der Fuß dann erst einmal richtig. Stellt euch vor, regelmäßig essen, einen Doc, das hat er hier nie gehabt. Nicht umsonst. Wolters, mach endlich die Pferde fertig!“
*
Tom dachte an den Rat, den ihm der alte Cliff gegeben hatte, und ritt aufs Hochgebirge zu, das in den Big Snowy Mountains gipfelte. Lange kam er zu Pferde schwer voran. Das Gelände war unwirtlich und von Felsen durchsetzt, manchmal gab es nur schmale Grate, auf denen er weiterkommen konnte. Es war eine Frage der Zeit, wann er die Pferde einfach nicht mehr weiter mitnehmen konnte.
Er dachte an Sam, den er seit der Flucht nicht mehr gesehen hatte. Sicher ist der kleine Bursche nicht nachgekommen oder hat sich wieder verkrümelt, dachte er.
Aber da irrte er sich. Und als er am Abend rasten musste und dazu eine Felsbucht auswählte, in die von oben her ein kleiner Wasserfall stürzte, kam auf einmal, hechelnd und die Zunge fast am Boden, der schwarze Wolfshund, die Pfoten wund, das Fell voller Dornen und mit Staub gepudert. Er kam einfach, schleppte sich mit fast letzter Kraft bis zu Tom und legte sich ihm zu Füßen, sah ihn aus seinen großen Augen an, als wollte er sagen: Na, jetzt bist du platt, was?
„Sam!“, rief Tom. Nahm das junge Tier und zog es sich auf den Schoß, hielt ihm den Trinkbecher hin, der wohl Wolters gehörte, und ließ ihn vom perlenden Quellwasser trinken, das er selbst eben erst vom Wasserfall geholt hatte.
Sam schlabberte mit der Zunge, leckte danach dankbar Toms Hand und winselte vor Freude, als ihm Tom ein Stück Trockenfleisch gab, das aus Dutch-Billys Packtasche stammte.
Mit dem zähen Fleisch hatte Sam so sehr zu tun, dass er müde wurde, bevor er sich sättigen konnte. Er begrub den Fleischrest unter sich und schlief fast augenblicklich ein. Tom streichelte ihn fröhlich und schwor sich, Sam nie wieder zurückzulassen.
Erst jetzt ging ihm auf, dass Sam keine Zufallsbekanntschaft war, die so ging, wie sie kam. Irgendwie hatte er verstanden, was dieses Wolfsblut wirklich für ihn bedeutete. Dass ihm da ein Freund geschenkt worden war, treu, zuverlässig, redlich. Aber welch ein großer und einmaliger Freund Sam wirklich war, das wusste Tom auch jetzt noch nicht.
*
Old Cliffs Rat, ohne Pferd direkt übers Felsengebiet zu marschieren, erwies sich als goldrichtig. Tom war seinen Verfolger dort los, wo er die Pferde zurückgelassen hatte. Aber das wusste Tom nicht, das konnte er nur hoffen. Er kam nur sehr bald dahinter, dass ihm niemand mehr folgte.
Sam war müde und erschöpft. Der steinige, manchmal mit Schotter bedeckte Boden tat seinen noch weichen Pfoten weh. Steinsplitter hatten ihm die Sohlen aufgeritzt, Staub biss ihm zwischen den Zehen in die weiche Haut, und vom Lauf durch den Busch hatten sich ihm Dutzende von Zecken ins Fell und seine Haut gesetzt, um ihm nun das Blut abzusaugen.
Manchmal gelang es ihm, einige durch Schaben am harten Fels abzustreifen oder abzuquetschen. Doch die meisten blieben, und erst als Tom selbst eine Zecke am Bein hatte, kam er darauf, sie auch bei Sam zu suchen. Der ließ es sich gefallen, dass Tom sie ihm herausholte.
Immer, wenn Tom den jungen Wolfshund auf den Schoß nahm, um ihm die Pfoten zu reinigen oder ihm wie jetzt die Zecken herauszuknipsen, schloss Sam wohlig die Augen, knurrte wie ein schnurrender Kater und reckte sich genießerisch.
Tom besaß die Marlin, wenn auch nur mit wenig Munition. Er hatte in Dutch-Billys Satteltasche elf Schuss .3030 gefunden, die genau in die Marlin passten.
Gestern war es Tom gelungen, ein Wiesel zu schießen, aber davon war Sam satter geworden als