Der Raumfahrtursprung betraf die Entwicklung und Analyse von CFK-Strukturen, die unter anderem für das sogenannte Alpha-Magnet-Spektrometer-Experiment (AMS) auf der Internationalen Raumstation ISS verwendet wird. AMS ist ein Detektor, mit dem extraterrestrische Untersuchungen von Antimaterie, Materie und fehlender Materie durchgeführt werden. In der terrestrischen Anwendung im Sinne eines Spinoffs der Raumfahrt wurde der Verbindungswinkel zwischen dem künstlichen Knie und der Carbonfeder, die den Unterschenkel ersetzt, verbessert. Für den Weitsprung wurde hierzu ein CFK-Winkel entwickelt, der aus den für die Raumfahrt hergestellten Hochleistungsfasern bestand, mit denen die AMS-Tragestruktur gebaut wurde. Für den Sprint wurde ein Winkel entwickelt, der aus einer hochfesten Aluminiumlegierung gefertigt wurde, dem Material, das im AMS-Experiment für die Knotenelemente verwendet wurde.
Bei den verwendeten Werkstoffen nutzte man den Umstand, dass Materialien aus der Raumfahrt den besonderen Anforderungen entsprechend den immensen Vorteil aufweisen, dass sie äußerst stabil und gleichzeitig leichter sind als herkömmliche Produkte. So gelang es, das Problem mit der vorherigen Prothese, das darin bestand, dass sie oft brach, wenn sie bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit belastet wurde, zu meistern. Für die Disziplin Weitsprung wurde eine Schichtkörperklammer (Winkel) aus Kohlenstofffaser- und Stoffschichten hergestellt. Nach dem Feedback des Athleten wurde die erste Ausführung abgewandelt und eine weichere zweite Ausführung angefertigt. Die schichtweise Kräfteermittlung, die an mehr als 40 unidirektionalen Schichten und Stoffschichten durchgeführt wurde, war besonders wichtig, da sie gewährleistete, dass das für die Klammer ausgewählte Material stabil genug war, um der zusätzlichen Belastung beim Weitsprung standzuhalten. Die neue, steifere und widerstandsfähigere L-förmige Klammer ist sowohl leichter als auch stabiler und gibt Athleten beim Trainieren größere Sicherheit.
Detaillierte Analysen legten verschiedene Realisierungsmöglichkeiten der biomechanischen Anforderungen für verschiedene Sportarten, hier speziell Sprint und Weitsprung, für die jeweilige Anwendung optimiert, nahe. Nachdem der Behindertensportler der MST Aerospace mitteilte, dass er immer Probleme bei der Anpassung der Prothese an sein Bein hatte, wurden hierzu ebenfalls Aktivitäten entfaltet. Je nach seinem allgemeinen Gesundheitszustand konnte sich nämlich sein Stumpf ausdehnen oder verengen. Dadurch wurde die Befestigung der Prothese erschwert. Manchmal fiel sie beim Training sogar ab. Nach Gesprächen mit dem Europäischen Astronautenzentrum (EAC) in Köln-Porz wurde angeraten, den dort für das Astronautentraining vorhandenen perkutanen elektrischen Muskelstimulator (PEMS) einzusetzen, um weitere Muskelatrophie zu verhindern und die Muskelmasse aufzubauen.
Mit der Unterstützung der ESA und durch uns konnten also sowohl ein Winkel aus CFK für den Weitsprung als auch ein Aluminiumwinkel für den Sprint optimiert werden. Der Behindertensportler erreichte damit drei Goldmedaillen und zwei Weltrekorde. Bei den Paralympics 2008 bestätigte er seine Leistungen mit einer Goldmedaille im Weitsprung mit einer Weite von 6,50 Metern, die er im Jahr 2009 bei der Behindertenweltmeisterschaft im indischen Bangalore auf die Weltrekordweite von 6,72 Meter schraubte.
Verharren wir noch einen Moment bei Hochleistungsmaterialien, und zwar solchen, bei denen man sich von der Natur hat inspirieren lassen. Aus Werkstoffen werden Konstruktionen hergestellt, die Gegenstand der Betrachtungen der Konstruktionsbionik beziehungsweise der Strukturbionik sind. Diese Teilgebiete der Bionik beschreiben und vergleichen biologische Strukturelemente und bewerten die Eignung vorgegebener Materialien für spezielle Zwecke. Formbildungsprozesse im biologischen Bereich bieten weitere unkonventionelle technische Vorbilder.
Die Evolution entwickelte aus den Kleinstrukturen der Einzeller Großstrukturen vielzelliger Organismen in Tier- und Pflanzenreich. Die „arbeitsteilige“ Funktion der Organe bestimmt dabei auch die zweckmäßigen, strukturellen und räumlichen Verbundkopplungen. Es wurden etwa folgende Prinzipien angewendet: kürzestmögliche Wegstrecken für Transport und Recycling der Stoffwechselsubstrate, optimaler Ursprung und Ansatz für Longitudinalmotoren (Muskelfasern) die Bewegungsfunktion im Stützskelett, hohe Festigkeit der Stütz- und Schutzeinrichtungen (Exo- und Endoskelette) bei minimalem Materialaufwand und optimaler Strukturkopplung verschiedener Stoffe und gleichzeitiger Berücksichtigung von Bedürfnissen des Wärme- und Wasserhaushaltes bei der Anordnung und Ausformung der Gesamtstrukturen durch Zonen, aber auch durch individuell angepasste Volumenoberflächenrelationen. Auch im Bereich der biologischen Strukturen wurde also eine Optimierung stets der Gesamtfunktion und nicht die der einzelnen Elemente durch den Evolutionsprozess verfolgt.
Bei biologischen Systemen sind Struktur und Funktion, Statik und Dynamik untrennbar miteinander verknüpft, wohingegen traditionell bei technischen Bauten die Formgebung und Struktur überwiegend von statischen, architektonischen und Raumfunktionsprinzipien bestimmt werden. In natürlichen Systemen sind die im Verbund wirkenden Funktionen trotz funktionaler Strukturspezifität hochgradig integriert. Dies bedeutet im Einzelnen: Form und Struktur gewährleisten gleichzeitig Energietransport und Austausch; Form und Struktur gewährleisten Licht- und Wärmeaufnahme, Wärmenutzung und Wärmeaustausch; Form und Struktur gewährleisten eine permanente Aufnahme und Abgabe von Substanzen, Gasen und Bauelementersatz bei gleichzeitiger Formerhaltung.
Bei komplexen Gebäude- und Stadtstrukturen sind ähnliche Aufgaben zu berücksichtigen wie in biologischen Systemen. Als bionische Vorlage für allgemeine Städteplanungen bieten sich modellhaft sogenannte Thylakoidstrukturen der Chloroplaste des Pflanzenreiches an, in denen die Lichtreaktion der Photosynthese stattfindet. Diese Mikrostrukturen bestehen aus flachen Membransäcken mit Querverbindungen zwischen den oft geldrollenartig gelagerten Elementen. Sie ermöglichen optimale Lichtausnutzung, optimale Kontaktfläche zur Außenwelt und kürzeste Transportdistanzen zwischen den Elementen.
In bionischer Analogie hierzu konnten ähnliche Stadtbauten geschaffen werden, bei denen die optimal großen Oberflächen der Häuser und die Überbauungen der Straßen und Plätze für Baumbewuchs, Garten- und Parkanlagen zu nutzen sind. Die Innenräume einer solchen architektonischen Thylakoidstadt stehen mit ausreichendem Volumen für Wohn-, Fertigungsund Verkehrsanlagen zur Verfügung. In diesen Terrassenstädten wäre das Licht für Grünland und Gewächshausanlagen besser nutzbar als auf den Flächen konventionellen Landbaus. Kohlendioxidemissionen technischer Anlagen und ihre Abwärme könnten sinnvoll zu einer höheren landwirtschaftlichen Produktivität und Generationenfolge beitragen.
Aus Konstruktionselementen setzen sich Geräte zusammen. Diesbezügliche bionische Ansätze führen zur Entwicklung von Gesamtkonstruktionen nach Vorbildern aus der Natur. Besonders im Bereich der Pumpen- und Fördertechnik, der Hydraulik und Pneumatik finden sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten.
Eine Entwicklung einer baden-württembergischen Firma aus dem Bereich der Steuerungs- und Automatisierungstechnik wurde der Öffentlichkeit als bionischer Muskel, realisiert durch völlig neuartige pneumatische Antriebe, präsentiert. Der bionische Muskel besteht im Wesentlichen aus einem hohlen Elastomerzylinder mit eingebetteten Aramidfasern. Wird der pneumatische Muskel „Fluidic Muscle“ mit Luft befüllt, vergrößert sich dieser im Durchmesser und wird in der Länge kontrahiert. Dadurch wird eine fließendelastische Bewegung ermöglicht.
Gemäß einer Pressemitteilung werden durch Einsatz des fluidischen Muskels Bewegungsabläufe möglich, die in Kinematik, Geschwindigkeit, Kraft, aber auch Feinheit menschlichen Bewegungen nahekommen. Bei vergleichbarer Größe erreicht der fluidische Muskel das Zehnfache der Kraft eines Zylinders, ist sehr robust und sogar unter extremen Bedingungen wie in Sand oder Staub einsetzbar. Mit seinem geringen Gewicht, der hohen Flexibilität und seinen vielseitigen Einsatzmöglichkeiten ist er für die bionische Arbeit besonders geeignet.
Eine ganz andere Form der bionischen Arbeit leisten fluidische