Mord mit verteilten Rollen. Agatha Christie. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Agatha Christie
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Ужасы и Мистика
Год издания: 0
isbn: 9783455008104
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Oliver beschwichtigend. »Morgen findet hier ein großes Gartenfest statt, und als eine Art Novum wird es eine Mörderjagd geben. Von mir inszeniert. Verstehen Sie, wie eine Schatzsuche, nur gab es hier schon so viele Schatzsuchen, dass man etwas Neues wollte. Weshalb man mir ein beträchtliches Honorar dafür angeboten hat, dass ich herkomme und mir etwas ausdenke. Macht eigentlich ziemlichen Spaß – mal eine Abwechslung von der üblichen düsteren Routine.«

      »Und wie soll das Ganze ablaufen?«

      »Nun, es wird natürlich ein Opfer geben. Und Hinweise. Und Verdächtige. Alles ziemlich stereotyp – Sie wissen schon, der Vamp, der Erpresser, das junge Liebespaar, der finstere Butler und so weiter. Zweieinhalb Shilling Startgeld, und man bekommt den ersten Hinweis zu sehen und muss das Opfer finden und die Tatwaffe und sagen, wer es gewesen ist und was das Motiv war. Und Preise gibt es natürlich auch.«

      »Bemerkenswert!«, sagte Hercule Poirot.

      »Eigentlich«, klagte Mrs Oliver, »ist das alles viel schwerer zu inszenieren, als man denken sollte. Denn schließlich muss man einkalkulieren, dass richtige Menschen ziemlich intelligent sein können, was die Leute in meinen Büchern nicht unbedingt sein müssen.«

      »Und mich haben Sie kommen lassen, damit ich Ihnen bei dieser Inszenierung assistiere?«

      Poirot gab sich keine große Mühe, seine Empörung und Verärgerung zu verbergen.

      »Aber nein«, sagte Mrs Oliver. »Natürlich nicht! Das ist bereits erledigt. Für morgen ist alles gerichtet. Nein, Sie wollte ich aus einem ganz anderen Grund hier haben.«

      »Der da wäre?«

      Mrs Olivers Hände zuckten zum Kopf. Gerade wollte sie sich mit einer alten vertrauten Bewegung hektisch durch die Haare fahren, als ihr einfiel, wie aufwendig ihre neue Frisur war. Und so baute sie ihre Anspannung stattdessen dadurch ab, dass sie sich an den Ohrläppchen zupfte.

      »Es klingt wahrscheinlich verrückt«, sagte sie. »Aber ich glaube, irgendetwas stimmt hier nicht.«

      Kapitel 2

      Einen Augenblick starrte Poirot sie schweigend an. Dann fragte er scharf: »Irgendetwas stimmt hier nicht? Inwiefern?«

      »Ich weiß es nicht … Das sollen Sie ja herausfinden. Aber ich habe – mehr und mehr – das Gefühl, dass ich, na ja, manipuliert werde, gesteuert … Nennen Sie mich meinetwegen verrückt, aber ich kann nur sagen, dass ich nicht überrascht wäre, wenn hier morgen nicht ein gespielter, sondern ein echter Mord geschieht!«

      Erneut starrte Poirot sie an, und sie blickte herausfordernd zurück.

      »Höchst interessant«, sagte er.

      »Vermutlich halten Sie mich für absolut verrückt«, sagte Mrs Oliver, die sich in die Defensive gedrängt fühlte.

      »Ich habe Sie noch nie für verrückt gehalten«, gab Poirot zurück.

      »Und ich weiß auch, was Sie immer über die Intuition sagen und was für ein Gesicht Sie dabei machen.«

      »Man kann den Dingen eben verschiedene Namen geben«, erklärte Poirot. »Ich bin gern bereit zu glauben, dass Sie etwas bemerkt oder gehört haben, was Sie eindeutig in Unruhe versetzt hat. Möglicherweise wissen Sie selbst nicht, was genau Sie gesehen oder bemerkt oder gehört haben. Sie sind sich nur des Resultats bewusst. Wenn ich es einmal so sagen darf: Sie wissen nicht, was Sie tatsächlich wissen. Das können Sie natürlich, wenn Sie wollen, ›Intuition‹ nennen.«

      »Man kommt sich völlig verrückt vor«, lamentierte Mrs Oliver, »wenn man nichts mit Bestimmtheit sagen kann.«

      »Wir schaffen das schon«, sagte Poirot ermutigend. »Sie sagen, Sie hätten das Gefühl – wie haben Sie sich ausgedrückt? –, manipuliert zu werden? Können Sie etwas deutlicher erklären, was Sie damit meinen?«

      »Nun, es ist ziemlich schwierig … Sehen Sie, das ist sozusagen mein Mord. Ich habe ihn mir ausgedacht, ich habe ihn geplant, und alles passt zusammen – nahtlos. Und wenn Sie auch nur das Geringste über Schriftsteller wissen, dann wissen Sie, dass sie für Vorschläge anderer Leute nichts übrighaben. Dinge wie: ›Ausgezeichnet, aber wäre es nicht besser, wenn Soundso das und das machen würde?‹ oder ›Wäre es nicht eine wunderbare Idee, wenn A statt B das Opfer wäre? Oder wenn sich D statt E als der Mörder entpuppen würde?‹ Ich meine, da möchte man doch einfach nur sagen: ›Na gut, wenn Ihnen das besser gefällt, dann schreiben Sie es doch selbst!‹«

      Poirot nickte.

      »Und so ist es hier abgelaufen?«

      »Nicht ganz … Solche albernen Vorschläge wurden tatsächlich gemacht, doch dann bin ich an die Decke gegangen, und die Leute haben klein beigegeben, aber sie haben trotzdem noch ein paar relativ unwesentliche, triviale Vorschläge einfließen lassen, und da ich mich den anderen widersetzt hatte, habe ich die trivialen Dinge akzeptiert, ohne es groß zu bemerken.«

      »Verstehe«, sagte Poirot. »Ja, sie funktioniert, diese Methode … Man schlägt etwas absolut Krudes und Absurdes vor, um das es aber eigentlich gar nicht geht. Das eigentliche Ziel ist die kleine unwesentliche Änderung. Meinen Sie das?«

      »Genau das meine ich«, sagte Mrs Oliver. »Es kann natürlich sein, dass ich mir alles nur einbilde, aber das glaube ich nicht – andererseits scheinen die Kleinigkeiten auch keine Rolle zu spielen. Aber das Ganze beunruhigt mich, das und eine gewisse, na ja, Atmosphäre.«

      »Wer hat Ihnen denn diese Änderungen vorgeschlagen?«

      »Verschiedene Leute. Wenn es nur eine Person gewesen wäre, dann wäre ich mir meiner Sache sicherer. Aber es kommt nicht nur von einer Seite, obwohl ich glaube, dass letztendlich doch nur eine Person dahintersteckt. Ich meine, es ist eine Person, die sich einer Reihe von anderen nichts ahnenden Menschen bedient.«

      »Haben Sie irgendeine Idee, wer diese eine Person sein könnte?«

      Mrs Oliver schüttelte den Kopf.

      »Jemand, der äußerst clever und vorsichtig ist«, sagte sie. »Es könnte jeder hier sein.«

      »Und wer ist hier?«, fragte Poirot. »Das Figurenpersonal muss doch recht übersichtlich sein?«

      »Also«, begann Mrs Oliver. »Da wäre einmal Sir George Stubbs, dem das Anwesen gehört. Reich, plebejisch und, vom Geschäftlichen einmal abgesehen, fürchterlich beschränkt, würde ich sagen, aber als Geschäftsmann wahrscheinlich absolut gewieft. Außerdem Lady Stubbs – Hattie –, rund zwanzig Jahre jünger als er, ziemlich schön, aber dumm wie Bohnenstroh, meines Erachtens sogar definitiv geistig zurückgeblieben. Hat ihn natürlich des Geldes wegen geheiratet und denkt an nichts anderes als an Kleider und Schmuck. Dann ist da noch Michael Weyman, ein Architekt, ziemlich jung und, nach Künstlerart, auf eine herbe, kantige Weise gut aussehend. Er entwirft gerade einen Tennispavillon für Sir George und restauriert das Folly.«

      »Folly? Was ist das, ein Varieté?«

      »Nein, etwas Architektonisches. So ein kleines Tempeldings, weiß, mit Säulen. Wahrscheinlich haben Sie in den Kew Gardens welche gesehen. Dann wäre da noch Miss Brewis, eine Art Sekretärin und Haushälterin in einem, die alles am Laufen hält und Briefe schreibt – sehr verbissen und effizient. Des Weiteren die Leute aus der Gegend, die herkommen und aushelfen. Ein junges Ehepaar, Alec Legge und seine Frau Sally, die sich unten am Fluss ein Cottage gemietet haben. Und Captain Warburton, der persönliche Referent der Mastertons. Dann natürlich die Mastertons selbst sowie die alte Mrs Folliat, die im ehemaligen Pförtnerhaus wohnt. Ursprünglich hatte Nasse der Familie ihres Mannes gehört. Die ist jedoch ausgestorben oder wurde in den Kriegen dezimiert, woraufhin endlose Erbschaftssteuern fällig wurden, sodass der letzte Erbe das Anwesen verkauft hat.«

      Poirot ließ sich die Liste der Personen durch den Kopf gehen, doch im Augenblick waren es für ihn nichts als Namen. Er kam auf das zentrale Thema zurück.

      »Wessen Idee war die Mörderjagd?«

      »Mrs Mastertons, glaube ich. Sie ist die Frau des örtlichen Unterhausabgeordneten