Die Krise der Banken. Dr. oec. Fabian Brunner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dr. oec. Fabian Brunner
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Отраслевые издания
Год издания: 0
isbn: 9783347068827
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Fall gewesen wäre.

      Verstärkt wird dieses Szenario dadurch, dass die negativen Begleiterscheinungen der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank immer offensichtlicher zutage treten. Das seit Langem bestehende Niedrigzinsumfeld musste, zumindest bei den professionellen, selbst unter Renditedruck stehenden Marktteilnehmern wie Versicherungen, Pensionskassen und Banken, zwangsläufig zu Anlageentscheidungen mit einer überproportionaleren Risikodisposition führen, als in einem normalen Zinsumfeld üblich.

      Die Wirtschaftslage, die starke Zunahme notleidender Kredite, die schwache Ertragssituation aber auch die weiterhin noch bestehenden Kostenineffizienzen und Überkapazitäten werden wiederum dazu führen, dass die bereits heute verhältnismäßig niedrigen Eigenkapitalrenditen der Banken im Euroraum weiter unter Druck geraten. Sinken die Eigenkapitalrenditen dauerhaft unter die Kapitalkosten, besteht die Gefahr, dass der Kapitalmarkt nicht mehr bereit ist, die Banken zu finanzieren, denn nur nachhaltig profitable Banken sind auch stabile Banken.

      Und die Aufsicht? Die internationale Finanzmarkt- und Bankenregulierung hat bereits viel dafür getan, um auf diese Situation vorbereitet zu sein. Beispielhaft genannt sei:

      1. Die Europäische Zentralbank versucht unter anderem über die Vollendung der sogenannten Bankenunion eine zentrale, den Gesamtmarkt überblickenden Aufsichtsinstitution mit gemeinsamer Einlagensicherung zu etablieren. Die Idee dahinter ist, grenzüberschreitende systemische Risiken insbesondere der systemrelevanten Banken über einen einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) zu kontrollieren und Klumpenrisiken zu vermeiden, die in einer Finanzkrise gefährlich wären.1

      2. Die deutsche Aufsichtsbehörde (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin) sah bereits 2019 die Gefahr sogenannter zyklischer Systemrisiken. Um eine übermäßige Einschränkung der Kreditvergabe in wirtschaftliche Stressphasen zu vermeiden und eine mögliche prozyklische Wirkung des Bankensystems auf die Realwirtschaft zu verringern, forderte die BaFin die deutschen Kreditinstitute entsprechend dazu auf, einen antizyklischen Kapitalpuffer zu aktivieren und diesen auf 0,25 Prozent der risikogewichteten inländischen Forderungen anzuheben.2

      Doch unter der internationalen Finanzmarkt- und Bankenregulierung herrscht bis heute keine harmonisierte Regelsetzung. Eine zentrale Herausforderung ist in diesem Zusammenhang die sogenannte Regulierungsarbitrage, wobei damit die Umgehung aufsichtsrechtlicher Anforderungen durch Auslegung des Anwendungsbereichs von Rechtsnormen genauso gemeint ist, wie die unter dem Begriff Schattenbanken zusammengefassten privaten Kreditfonds, Hedgefonds und verschiedenen Finanzierungszweckgesellschaften, die außerhalb der engmaschigen Überwachung der Finanzaufsicht die für Banken strengen Kapital- und Liquiditätsvorschriften umgehen und dennoch bankenähnliche Funktionen wahrnehmen.3

      Wie einflussreich Bankenregulierung sein kann, zeigt die von der Trump-Administration initiierte Überprüfung des in der amerikanischen Bankenregulierung wichtigen Dodd Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act (Dodd-Frank-Act). Mit dem Dodd-Frank-Act wurde die Aufsicht über die Finanzindustrie nach der Finanzkrise 2008/2009 neu geordnet und strengeren Regeln unterworfen.4 Doch nachdem die Trump-Administration darauf aufmerksam machte, dass der Dodd-Frank-Act mit einer Überregulierung verbunden sei, da die Kreditvergabe der Banken dadurch (vermeintlich) eingeschränkt werde und das damit verbundene Ziel, zukünftige Krisen im Finanzsektor zu verhindern beziehungsweise nur unter Inkaufnahme massiver Einbußen beim Wirtschaftswachstum erreichbar wären, galt die Regulierungsvorschrift in ihrer Gesamtheit als zu restriktiv und wurde entsprechend gelockert.5

      Mit der 2018 verabschiedeten Änderung wurde der Schwellwert, ab dem eine Bank als systemrelevant eingestuft und deshalb strenger überwacht wird, von 50 Milliarden Dollar auf eine Bilanzsumme von 250 Milliarden Dollar erhöht. Außerdem wurden der Handel, die Kreditvergabe und die Kapitalregeln für Banken mit einem Aktivvermögen von unter 10 Milliarden Dollar erleichtert. Eine Bewertung dessen würde den Rahmen des Buches sprengen, klar ist jedoch, dass die Änderung des Dodd-Frank-Acts als Deregulierung des US-amerikanischen Aufsichtsrechts verstanden werden kann, also politisch motiviert für amerikanische Banken erkennbar verbessere Wettbewerbsbedingungen geschaffen wurden.6

      Zusammengenommen lässt sich festhalten, dass die globale Rezession in Folge der COVID-19-Pandemie und die bereits angesprochene Zombifizierung der Volkswirtschaft eine enorme Gefahr, zumindest für das europäische Finanzsystem, bilden. Der dramatische Konjunktureinbruch und das damit einhergehende abrupte Ansteigen der Risikoprämien werden das globale Finanzsystem trotz der international verbesserten regulatorischen Mindeststandards und Eigenkapitalanforderungen empfindlich treffen, was auf die Spitze getrieben einen Bankenrun und/oder eine weitreichende Marktbereinigungen nach sich ziehen kann.7

      Hinzu kommt andererseits eine Disruption, deren Konturen immer deutlicher werden und die in ihrer Konsequenz die Bankenbranche als Ganzes infrage stellt. Gemeint ist eine Veränderung mit tief greifenden strukturellen Konsequenzen, nämlich die Bedrohung der bankwirtschaftlichen Wertschöpfungskette durch die sogenannten BigTechs. Große internationale Technologieunternehmen wie Google (amerikanisch) oder Alibaba (chinesisch) zielen mittlerweile mit ihren Online-Payment-Diensten direkt auf das Herzstück der bankwirtschaftlichen Wertschöpfung ab: den Endkunden. BigTechs fassen zunehmend Fuß auf dem Finanzdienstleistungsmarkt und bieten ihrer enormen Nutzerbasis mehr und mehr Finanzdienstleistungen, wobei die traditionellen Banken dabei die Rolle des Dienstleisters übernehmen.

      Zwar ist das Finanzdienstleistungsgeschäft keine Kernaktivität der BigTechs, dennoch ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis ein großes Technologieunternehmen ein hochskalierbares Bankangebot einführt, damit Millionen von Kunden in allen wichtigen Bankensegmenten individualisiert anspricht und dabei gleichzeitig mit der Kostenbasis dramatisch unter dem Branchendurchschnitt liegt. Kunden werden die Plattform der BigTechs schnell als Ausgangspunkt für alle ihre Bankdienstleistungen nutzen, statt zu ihrer Hausbank zu gehen, um diese Dienstleistungen zu kaufen. Durch die Trennung der direkten Verbindung zum Kunden werden einige Banken zu White-Label-Plattformen, andere werden gar nicht mehr gebraucht.

      Was Banken im Augenblick vor dieser Disruption noch schützt, sind a) die bestehenden ziemlich komplexen Bankvorschriften, b) der in vielen Ländern sehr ausgeprägte Kunden- und Datenschutz und schließlich c) der Umstand, dass gerade die Finanzdienstleistungsbranche nach wie vor stark von nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen abhängig ist, also extrem hohen Hürden und damit einer scheinbar schwer zu überwindende Markteintrittsbarriere. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Verbraucher, bequem, mit ihrer gewohnten täglichen Beziehung zu den BigTechs, den notwendigen Nachfragedruck entfalten, zumal die BigTech-Plattformen die Kundenakquisitionskosten via Digitalisierung und Big-Data-Analysen niedrig halten und gleichzeitig die Bankanforderungen dieser Kunden relativ leicht erfüllen können.8

      Die Kunden sind sehr vertraut mit und gleichzeitig ziemlich vertrauensvoll gegenüber den großen Technologieunternehmen. Selbst schwerwiegende Datenschutzverstöße, beispielsweise die Weitergabe von Nutzerdaten in großem Umfang an das Datenanalyse-Unternehmen Cambridge Analytica durch Facebook, mindern den Zuspruch der Kunden nicht, zumindest bisher nicht dauerhaft.9 Hinzu kommt die schiere Marktdominanz der BigTechs: Nahezu jedes moderne Mobiltelefon ist entweder mit Software von Google (Android) oder aber Apple (iOS) ausgestattet. Das bedeutet aber auch, dass nahezu sämtliche mobilen Endgerate für Google und Apple als Plattform erreichbar sind. Mit der Etablierung einer Mobile-Payment-Applikation und der Integration dieser Funktionalität in das eigene Betriebssystem, ließe sich für Apple und Google ganz unmittelbar das eigene gigantische Kundenportfolio mit einer Bankdienstleistung ansprechen.

      Der damit erreichbare Margenpool ist für die BigTechs bei dieser Art von Dienstleistung sicherlich nicht das entscheidende Kriterium. Vielmehr gewinnen diese damit die nahezu vollständige Kontrolle über die Daten ihrer Kunden. Wer über die regelmäßigen Zahlungsströme seines Kunden im Bilde ist, kennt auch bestehende Abhängigkeiten beziehungsweise Vertragsverhältnisse und kann diese auch entsprechend maßgeschneidert und individualisiert bewerben. – Den Möglichkeiten sind kaum noch Grenzen gesetzt.

      Eine