Tastend schien sie ihren silbernen Kopf mit den purpurgefleckten Fühlern in die Höhe zu heben, wie unter dem weißen Baldachin, den vier Geistliche in Alba und Stola trugen, der Fürsterzbischof mit rotem Scheitelbarett und die Füße in rotseidenen Schuhen, das goldgestickte Pluvial um die Schultern, der singenden Menge voran Stufe um Stufe emporschritt.
In der warmen, unbeweglichen Abendluft schwebten die Flammen über den Kerzen der Ministranten kaum wahrnehmbar als durchsichtige Ovale und zogen dünne schwarze Qualmfäden durch die bläulichen Schwaden der feierlich geschwungenen Weihrauchgefäße hinter sich drein.
Das Abendrot lag auf der Stadt, glomm in Purpurstreifen über die langen Brücken, strömte – in Blut verwandeltes Gold – im Flusse unter ihren Pfeilern dahin.
Loderte in tausend Fenstern, als stünden die Häuser in Brand.
Der Student starrte in das Bild hinein; die Worte der alten Frau und was sie von der Moldau gesagt und dass ihre Wellen einstens rot gewesen, klangen ihm in den Ohren; das Schaugepränge, das die Schlossstiege herauf immer näher und näher ihm entgegenzog: Einen Augenblick ergriff es ihn wie Betäubung; ja so müsste es sein, wenn sein wahnwitziger Traum, gekrönt zu werden, dereinst Erfüllung gefunden haben würde.
Er schloss eine Minute die Augen, um nicht zu sehen, dass sich Leute neben ihn gestellt hatten, die das Kommen der Prozession erwarteten – eine kurze Spanne Zeit nur noch wollte er sich gegen das Gefühl einer nüchternen Gegenwart wehren.
Dann wandte er sich um und durchquerte die Schlosshöfe der Burg, um auf andern menschenleeren Wegen noch rechtzeitig in die Thunsche Gasse zu gelangen. —
Als er um das Landtagsgebäude bog, sah er von weitem zu seiner Verwunderung das breite Tor des Waldsteinpalais weit offenstehen.
Er eilte darauf zu, um einen Blick in den düsteren Garten mit seinen armdicken Efeuranken an den Mauern und die wundervolle Renaissancehalle und die historische Badegrotte dahinter zu erhaschen, die aus seinen Kinderjahren her, als er einmal all diese Pracht einer längst versunkenen Zeit hatte in nächster Nähe besichtigen dürfen, tief wie ein erschütterndes Erlebnis aus Märchenlanden als unauslöschliche Erinnerung in seine Seele eingegraben standen. Lakaien in silberbordürten Livreen und kurzgeschnittenen Wangenbärten, die Oberlippe glattrasiert, zogen schweigend das ausgestopfte Pferd, das einst Wallenstein[12] geritten, heraus auf die Straße.
Er erkannte es an der scharlachfarbenen Decke und den stieren gelben Glasaugen, die ihn, wie er sich plötzlich entsann, schon als Knaben lange bis in den Schlaf so mancher Nacht hinein als rätselvolles Vorzeichen, das er sich niemals deuten konnte, verfolgt hatten.
Jetzt stand das Ross vor ihm in den rotgoldenen Strahlen der scheidenden Sonne, die Füße auf ein dunkelgrünes Brett geschraubt, wie ein riesenhaftes Spielzeug aus einer Traumwelt herübergeholt und mitten hineingestellt in eine phantasiearme Zeit, die den furchtbarsten aller Kriege – den Krieg der Maschinendämonen gegen die Menschen, an dem gemessen die Schlachten Wallensteins anmuteten wie alberne Wirtshausraufereien – mit stumpf gewordenen Sinnen hinnahm.
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