Juha kam die Reue. Was klage ich über sie? Sie war ja damals noch ein Kind. Ich, der Aeltere, hätte es besser wissen sollen ... Aber wenn sie sich nur einmal mit mir freute – wenn sie sagte: »Da hast du aber wieder ein Stück Bruchwald niedergelegt, das wird wieder ein prächtiges Neuland geben!« Aber nein! – Seine Gedanken standen eine Weile still. – Das ist es, daß wir kein Kind haben! Ja, das ist es. Es ist ihr selber leid! Darum ist sie so, wie sie ist. Wir haben kein Kind und bekommen keins mehr! Denn wie soll sie eins bekommen, wenn sie nicht will...
Da hörte man, wie unten am Ende der Schwende jemand hackte, wie einer, der es nicht versteht. Juha flog auf, sah aber nichts als schwankende Laubzweige. Ob es Marja war? Ob sie das Mittagbrot brachte und Büschel abhieb? Vielleicht ist sie schon wer weiß wie lange dort, und ich habe nichts davon gemerkt?
Es war nicht Marja. Es war Kaisa. Wenn sie aber Kaisa vorangeschickt hat und selbst mit dem Essen kommt? – So war es auch nicht, dort war das Mittagbrot.
Die Magd begann das Bündel, das sie brachte, zu öffnen, aber Juha sagte, er gehe nach Hause. Kaisa solle bleiben und Büschel brechen. Er fühlte, er konnte heute nicht mehr fällen. Und es war ja Sonnabend, und die Netze mußten auch ausgelegt werden. – »Ich breche dort Quäste für die Badestube.« – Aber da sah er wieder ein Bild vor sich, sah Marja als junge Wirtin Büschel von einer Birke brechen, die er vor ihr gefällt hatte, Marja, mit bloßem Kopf, das Tuch im Nacken, lang, schlank, geschmeidig wie eine astlose Birke. Es gibt keinen herrlicheren Menschen als sie, wenn sie auch braunäugig, schwarzhaarig, dunkelhäutig ist! Sie wirft die Büschel in einen Haufen, daß die Espenblätter rascheln. Stemmt die Arme in die Seiten, wendet den Kopf und lächelt: »Da haben aber die Schafe den ganzen Winter zu knabbern!« Und als der Haufen aufgeschichtet war, da ging es mit den Quästen unterm Arm nach Hause, und der Weg lief quer durch das Feld, und da wurde geplaudert, wie dort im nächsten Jahr eine Schwende angelegt werden solle, und dort eine andere, und wenn man lebe, werde nicht locker gelassen, bis man um den ganzen Hügel herum sei und der Fichtenwald zu Laubwald geworden und ganz oben auf dem Scheitel nur ein großer Steinhaufen übrig wäre. Reich würden sie, schafften sich einen Hof, gegen den der Elternhof nichts wäre, obgleich der der beste im Kirchspiel sei, ein alter, reicher – »schaffen ihn recht deiner großen Sippe zum Trotz«, hatte sie gesagt – wie es auch geschehen war. Und vorangehend hatte sie die Quäste durch die Luft geschwenkt und hatte sich über das Zaungatter geschwungen ...
Damals sagte sie nicht: »altes Gerippe, Krummbein«, wenn sie es gedacht haben mochte ... obwohl ich ja jetzt nicht viel anders als damals bin, da ich immer so gewesen bin wie jetzt.
Jetzt hat sie an nichts mehr Freude, was wir gemeinsam durchgemacht haben, nichts gefällt ihr, was mir gefällt. Aergerlich macht sie sich am Morgen aus ihrem Speicher an die Arbeit, böse legt sie sich am Abend in ihrem Speicher schlafen und hakt ihre Türe zu. Soll ich sie mit zum Propst nehmen, der uns getraut und uns die Hand gereicht und Glück gewünscht hat? Ob sie ginge? Ob wohl der Propst Macht hat über ein verzaubertes Gemüt?
Das waren ewig die Pfade von Juhas Gedanken, die er ging und tappte, ohne ans Ziel zu kommen; die immer in das Moor und auf Bebeland führten, wie die Steige im Oedwald das Vieh.
Der Weg führte zuerst abwärts durch das Roggenfeld, dann am Rande einer alten Rodung hin, dann durch Gestrüpp, senkte sich in eine feuchte Mulde, in der man das Brausen der Stromschnelle hörte und zwischen den Bäumen hindurch die aufspringenden Wellen sah. Nun verschwand die Schnelle hinter dichterem Jungwald, der Weg stieg zu einer Wiese hinan, von der Wiese auf einen Acker und von da auf den Hofraum.
Marja war im Viehpferch und melkte, reckte sich, um über die Kuh hinweg zu sehen, wer auf dem Gäßchen zwischen dem Pferch und dem Rinderstall kam, beugte sich zurück, sagte nichts, sandte aber doch einen stechenden kalten Blick und riß mit einem bitteren Zucken ihrer Mundwinkel dem anderen in die Seele, wie der Zahn der Säge reißt... Sie hatte sich immer noch nicht beruhigt. Steckte sogar noch in denselben Lumpen wie am Morgen, wie immer, solange sie in der Stimmung war. Sie hatte ihre Worte noch nicht bereut. Wie wenn sie bereit gewesen wäre, sie noch einmal über den Zaun zu schleudern. Mochte wohl denken: da geht er, das alte Gerippe, das Krummbein. Und Juha war es, als er über den Hof nach dem Wohnhaus schritt, als ob man ihn bei jedem Tritt mit Pfeilen in den Rücken geschossen hätte.
Er nahm aus dem Speisekämmerchen einen Brotranft mit und ging an den Strand, raffte ein paar Netze aus dem Netzschuppen an sich und schob das Boot ab.
Als Marja Juha kommen sah, hatte sie das Gefühl gehabt, als müsse sie einige freundliche Worte sagen. Aber sie blieben ihr in der Kehle stecken wie ein Stück harter Hungerkuchen. Und in ihr schrie es: so ist es ... und es wird nicht mehr anders! und ich kann nichts dagegen! und ich kann nicht anders sein, als ich bin! Nein, müßte ich auch ins Wasser gehen! Und ich bringe es nicht fertig, gut gegen ihn zu sein, bettelte er mich auch wie ein Hund mit den Augen darum an!
Denn was kann ich dazu, daß er mir ist wie ein quakender Frosch und ich selbst mir ebenso? – Nun, ich sage nichts, sage nichts mehr, ich mache den Mund nicht auf! Aber wer hat ihn geheißen mir nahezukommen? Und wäre er damit zufrieden gewesen, mich als seine Magd zu halten – wozu brauchte er mich zum Pfarrer zu locken?
Sie ließ das Schäumen in sich mit dem Schaum der Milch in den Eimer zwischen ihren Knien fließen, als sie hinter sich eine Stimme hörte und sah, wie ein fremder, hochgewachsener, krausbärtiger Mann an den Pferdezaun gelehnt stand und mit fröhlicher, klingender, männlicher Stimme sagte:
»He, Mädchen, gibt es wohl ein Nachtlager im Hause, gibt es wohl ein Dampfbad bei euch für einen Wandersmann?«
II.
Als Juha vom Netzauslegen zurückkam, sah er, daß die Badestube geheizt und Wasser hineingetragen war und daß vor der Tür ein Bund Stroh für die Schwitzbänke stand. Seit langem waren die Schwitzbänke der Badestube nicht mit Stroh belegt gewesen! Sie hat sich besänftigt! Das beweist, daß sie mir wieder gut ist. Auch Quäste hat sie gemacht und nebeneinander in das Vorstübchen auf die Bank gelegt. Und hat sie wahrhaftig aus den Zweigen gebunden, die ich mitgebracht habe. Einen für sich, den andern für mich! Vielleicht kommt sie selbst zum Waschen und schickt gar nicht die Kaisa. Dann setzen wir uns zusammen zum Abendessen ... sie hakt die Tür ihres Speichers nicht zu ...
Juha erschien sein Gehöft wie neu. Als ob die ganze Welt rosig schimmerte, wie die eben noch kalte und finstere Rauchstube schimmert, wenn das Herdfeuer hell aufflammt: dort die Stuben, der Flur dazwischen, dort die Speicher, der kleine, der mittlere und der große, dort der Pferde- und der Rinderstall und die Scheune, das Gäßchen dazwischen, und vor den Ställen der Pferch, in dem die Schellen der Kühe beim Wiederkäuen scheppern, und der saubere Hofraum und dahinter der Hügel mit den Föhren! Das hätte ich doch nicht umsonst für Marja gebaut? Wenn ihr doch nicht alles so fremd wäre, ihr vielleicht sogar gefällt – da das Bund Stroh vor der Tür und die Quäste auf der Bank im Vorstübchen sind. Nun nichts mehr davon ... wer kann hier immer jedes Wort auf die Wage legen! Und Juha war ganz überzeugt, daß alles wieder gut sei, als er Marja aus dem Hause kommen sah, nicht mehr in ihren Arbeitslumpen, sondern in ihren Sonntagskleidern, wie wenn Besuch käme. Und kommt sie da nicht auch auf ihn zu? Erst geht sie nach dem Speicher hin, schwenkt aber dann auf den Strandpfad ab und kommt wie in großer Eile herbei, als wäre sie voller Freude, daß Juha endlich erschiene.
»Dort im Haus warten die Teerbrenner auf dich«, sagte