Heathens Ink: Mein Heiler. K.M. Neuhold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: K.M. Neuhold
Издательство: Bookwire
Серия: Heathens Ink
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238275
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      ***

      Ein paar Stunden später bin ich wieder allein in meiner Wohnung und sitze Frodo am anderen Ende der Couch gegenüber, während ich geistesabwesend durch Grindr scrolle.

      Bei einem einigermaßen süßen Typen mit blauen Haaren halte ich inne, aber meine Gedanken wandern sofort zu Gages pinken Haaren. Es scheint so unpassend zu sein. Dahinter muss es eine Geschichte geben und aus irgendeinem Grund will ich sie schrecklich gern hören.

      Ich wische nach links, um ihn abzulehnen, und seufze genervt.

      Clay hatte recht, entweder muss ich zum Heathens gehen oder darüber hinwegkommen. Ich bin nicht der Typ, der sich nach jemandem verzehrt. Selbst als mein bescheuerter Ex abgehauen ist, habe ich ihm nicht nachgeweint. Vielleicht habe ich eine Woche lang geschmollt, aber dann habe ich verdammt noch mal weitergemacht. Todsicher habe ich nie rumgesessen und darauf gewartet, dass mein Handy klingelt.

      Gage

      Wie ein eingesperrter Löwe gehe ich auf der Suche nach irgendeiner Art von Ablenkung in meiner Wohnung auf und ab. Ich wünschte beinahe, ich wäre süchtig nach irgendwelchen Drogen, wie Madden und Nox es waren, einfach, damit irgendetwas diesem verdammt unerträglichen Gefühl den Stachel zieht, dass irgendetwas unter meiner Haut entlangkriecht. Es ist, als wäre in mir eine Energie, die verzweifelt ausbrechen will, aber nirgendwo hin kann.

      Während der ersten paar Jahre nach Johnnys Tod konnte ich froh sein, wenn ich genug Energie hatte, um den Tag zu überstehen. An manchen Tagen habe ich es nicht einmal aus dem Bett geschafft. Die Einsamkeit war eine physische Präsenz, die mich runtergezogen hat. Und zumindest in meinen Träumen oder im Halbschlaf konnte ich vergessen, dass Johnny nicht mehr da war.

      Aber irgendwann, vor etwa drei Jahren, gab es zum ersten Mal Momente, in denen ich schreien und um mich schlagen und alles rauslassen wollte, das sich in mir aufgestaut hatte. Es ist, als würde ich mir verzweifelt etwas wünschen, das ich nicht benennen kann.

      Vor zwei Jahren wollte ich versuchen, es rauszuficken. Die Idee schien genauso gut zu sein wie jede andere. Das Ficken machte es schlimmer. Dabei, einen Mann zu berühren, den ich nicht kannte, wurde mir beinahe körperlich schlecht und es ließ den Sturm in mir noch heftiger toben.

      So sollte es nicht sein. Ich sollte kein leeres Bett und ein gebrochenes Herz haben.

      Zum gefühlt hundertsten Mal, seit ich Beck über den Weg gelaufen bin, sehe ich auf mein Handy.

      Warum würde er überhaupt wollen, dass jemand wie ich ihm schreibt? Für einen Fick? Das scheint der wahrscheinlichste Grund zu sein. Es ist nicht so, dass ich ihm viel zu bieten habe. Und einen Fick kann ich ihm auch nicht anbieten. Na ja… vielleicht schon, aber was hätte das für einen Sinn?

      Gedankenverloren streiche ich mit dem Daumen über mein Handy, während ich mir gleichzeitig Stärke und einen Moment der Klarheit wünsche.

      »Ich sag dir was, Jay, wenn das das Richtige ist, dann gib mir ein Zeichen. Zeig mir, dass es Zeit für mich ist, weiterzumachen.«

      ***

      Ich sitze am Tresen im Heathens und lade ein paar Bilder auf unsere Facebook-Seite hoch, als eine vertraute Stimme meine Gedanken unterbricht.

      »Er lebt.«

      Ich wirble herum und tatsächlich, keine zwei Meter entfernt steht der Mann, an den ich seit zwei Wochen ununterbrochen denke.

      »Was?«, frage ich und versuche, die Bedeutung seines anscheinend unvollständigen Satzes zu verstehen.

      »Du lebst und du scheinst keine Kopfverletzung oder irgendwelche Schäden an den Händen zu haben, die dich daran hindern könnten, dein Handy zu benutzen.«

      »Ähm, nein?«

      »Was ist dann los?«, will Beck wissen und stemmt die Hände in die Hüften. »Ich hab dir meine Nummer gegeben und du hast nie angerufen oder geschrieben.«

      Ich spüre, wie mir Hitze in die Wangen steigt.

      »Ich… ähm… also…«

      »Vielleicht hast du eine Kopfverletzung«, grummelt Beck und verschränkt nun seine Arme vor der Brust, während er seinen anklagenden Blick auf mich richtet.

      »Ich will keinen One-Night-Stand.« Ich flüstere das letzte Wort und sehe mich um, um sicherzugehen, dass mich niemand gehört hat.

      Beck schürzt die Lippen, als würde er versuchen, mich nicht auszulachen. »Oh, entspann dich, Süßer, ich werde dich nicht mit einem Blowjob vergewaltigen.«

      Ich verschlucke mich und versuche, eine Antwort zu finden, doch mir fällt einfach nichts ein.

      Ein paar Sekunden später wird Becks Blick sanfter und er beugt sich über den Tresen. Mein Blick klebt an seinen vollen, tiefroten Lippen.

      »Ich hatte irgendwie gehofft, dass wir Freunde sein könnten«, sagt Beck nun um einiges milder.

      »Warum?«

      »Wir sind beide gebrochen und anscheinend passen unsere ausgefransten Kanten gut zusammen. Ich finde, es wäre schön, mit jemandem rumzuhängen, der den Schmerz versteht, ohne mich mitleidig anzusehen.«

      Seine Worte hallen in meinem Herzen wider.

      »Ja, das hört sich okay an.«

      »Du weißt wirklich, wie man mit Worten umgeht, hm?« Beck zwinkert mir zu, ehe er sich vom Tresen abstößt. »Was machst du heute Abend nach der Arbeit?«

      »Nichts.«

      »Jetzt schon. Komm bei mir vorbei. Ich bestelle was zu essen und wir können chillen«, schlägt er vor. Ich öffne den Mund, um etwas klarzustellen, aber Beck legt eine Hand über meinen Mund, ehe ich etwas sagen kann. »Nicht Netflix and Chill. Ganz normal rumhängen, vollständig bekleidet und ohne dass jemand zum Orgasmus kommt. Langweiliges Chillen.«

      »Klingt gut.«

      Noch einmal beugt sich Beck über den Tresen, dieses Mal, um ein Stück Papier und einen Stift von der Mitarbeiterseite zu nehmen. Er schreibt irgendetwas auf und reicht mir den Zettel.

      »Hier ist meine Adresse. Du weißt jetzt, dass ich dich aufspüren werde, falls du mich versetzt. Bis später.«

      »Bis später«, stimme ich leicht benebelt zu, während Beck praktisch aus dem Laden tänzelt.

      ***

      Ich trete von einem Fuß auf den anderen und hebe die Hand, um an Becks Tür zu klopfen. Das ist jetzt mein dritter Versuch und doch kneife ich in allerletzter Sekunde. Ich weiß nicht, was ich hier mache oder ob ich hoffe, dass Beck gelogen oder die Wahrheit darüber gesagt hat, dass er nicht mit mir schlafen will.

      Schnell schlage ich gegen die Tür, ehe ich wieder die Nerven verliere, und einen Sekundenbruchteil später fliegt die Tür auf.

      »Ich hab mich schon gefragt, wie viele Fehlstarts du hinlegen wirst. Ich hab mit mir selbst gewettet, dass es mehr als fünf sein würden.«

      »Es waren nur drei; was hast du verloren?«

      »Wenn ich gewonnen hätte, hätte ich mir erlaubt, an dich zu denken, wenn ich mir später einen runterhole.«

      Das lässt mich erstarren, mein Mund klappt auf und meine Ohren brennen.

      »Ich zieh dich nur auf, Süßer. Komm schon rein.«

      Ich suche immer noch nach Worten, als ich seine Wohnung betrete.

      »Hör zu, ich weiß, dass ich vorgeschlagen hab, hier zu chillen, aber ich fühle mich…« Beck wedelt mit den Armen, um seine Emotionen zu demonstrieren. »Hast du was dagegen, wenn wir irgendwo ein Bier trinken gehen und vielleicht ein bisschen Billard spielen?«

      »Nein, klingt gut.«

      Becks Schultern sacken erleichtert nach unten.

      »Okay, lass mich nur schnell ein Paar