Worin bestehen die Aufgaben eines unterwürfigen Partners?
Man könnte die Frage nach deinen Aufgaben kurz und knapp damit beantworten, dass du den Anordnungen und Wünschen deines Partners zur Verfügung zu stehen hast. Wenn ein neues Schlaginstrument geholt oder ein benutztes gereinigt werden soll, wenn dein Herr etwas zu trinken haben oder seine Füße massiert haben möchte oder wenn er Lust hat, dich auszupeitschen, dann hast du ihm für all diese Dinge zur Verfügung zu stehen.
Aber wenn es so einfach wäre, könnte man die Frage stellen: Wenn ein »Sklave« die Kontrolle über das Spiel komplett an seinen Partner abgibt – wieso braucht man dann überhaupt noch einen eigenen Ratgeber für diese Unterwerfung? Es ist ja doch der Dominante, der das gesamte Spiel plant, der erklärt, wo‘s lang geht und über alles entscheidet?
Um dieses Missverständnis zu vermeiden, habe ich im letzten Abschnitt davon gesprochen, dass man als Sklave die Kontrolle »weitgehend« – nicht »völlig« – aus der Hand gibt. Objektiv betrachtet treffen sich, wenn du deinem »Herrn« oder deiner »Herrin« begegnest ja zwei Menschen mit gleichen Rechten, die sich miteinander auf eine bestimmte Form der Beziehung einigen. Das machst du ja, weil du dir von dieser Beziehung etwas Bestimmtes versprichst. Wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden, dürfte das Ganze für dich reizlos sein. Andernfalls könntest du dich auch rein zufallsmäßig jedem X-Beliebigen unterwerfen.
Vielleicht sieht das Ganze in deinen erotischen Phantasien anders aus. Dort wirst du wirklich von einem strengen Menschen unterworfen, der dich dazu zwingt, die übelsten Dinge zu tun. Aber diese Phantasien werden von dem beeinflusst, was dich insgeheim reizt. Kein Unterwürfiger hat sexuelle Phantasien davon, zu Dingen gezwungen zu werden, die er entweder wirklich abstoßend findet oder die sein Lustzentrum völlig unberührt lassen (also beispielsweise es mit Leichen zu treiben oder zwölf Stunden lang Monopoly spielen zu müssen). Und vermutlich möchtest du auch nicht zu Dingen gezwungen werden, die ernsthaft riskant sind oder dich dauerhaft schädigen (zum Beispiel Sex auf dem Fensterbrett im vierzehnten Stock oder dir einen Finger abhacken zu lassen).
Ich habe hier Extrembeispiele gewählt, um etwas zu verdeutlichen: Die Lustphantasie von einem Partner, der sich uns einfach nimmt, um seine Lust zu befriedigen, ohne nach unseren Interessen zu fragen, bringt viele in Wallung. Und ein Satz wie »Mach mit mir, was du willst« hört sich scharf an. Es hat nur nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Wenn du dich tatsächlich so verhalten würdest, würdest du verschiedene unnötige Risiken eingehen. Etwa dass du deinen Partner ratlos bei der Frage zurücklässt, was er am besten mit dir anstellt, damit das Ganze für dich auch ein geiles Erlebnis wird. Sobald er etwas tut, was dir nicht zusagt – meinetwegen dir ins Gesicht zu pinkeln – dann darf er sich auf die Reaktion einstellen: »Aber doch nicht das, du perverses Schwein!« Oder dass du ihn dadurch frustrierst, dass du wirklich alles mögliche mit dir anstellen lässt, ohne besondere Reaktionen zu zeigen – bis du urplötzlich feststellst, dass dir das alles echt keinen Spaß mehr macht und die Beziehung abbrichst. Oder dass du solche Leute anziehst, die dich generell nicht als Menschen mit gleichen Rechten wahrnehmen und dich auf eine Weise missbrauchen, die dir alles andere als gut tut. Ich kenne aus erster Hand mehrere Berichte von SM-Beziehungen, die sich zu Missbrauchsbeziehungen entwickelt haben, weil der Dominante dachte, er könne seinem Sklaven wirklich jede Form von Gewalt antun, die ihm gerade durch den Kopf brauste.
Solange dir dein Partner also keinen echten Zwang antut – dich etwa gegen deinen Willen entführt oder gefangen hält – habt ihr beide gleichermaßen die Verantwortung dafür, dass euer Spiel miteinander besonders lustvoll wird.
Damit sind deine Hauptaufgaben als Unterwürfiger schon mal klar umrissen: Du solltest deine Wünsche und vor allem deine Grenzen kennen und du solltest sie gegenüber deinem Partner klar kommunizieren können. Damit tust du nicht nur dir selbst, sondern auch deinem Partner einen Gefallen. Denn zum einen wird er dir schon, selbst wenn er ein Egoist wäre, schon deshalb entgegen kommen, um dich als Lover nicht zu verlieren. Zum anderen sind die meisten Liebhaber von dominantem Sex sehr an einem Partner interessiert, der eine eigene Haltung hat und entsprechend Feedback gibt. Andernfalls könnten sie es auch gleich mit einer Gummipuppe treiben.
Möglicherweise wendest du an dieser Stelle ein: »Hey, ich lese diesen Ratgeber, weil ich neu in dem Job bin! Ich habe kaum Erfahrung mit so was und deshalb weiß ich doch noch gar nicht, wo genau meine Grenzen verlaufen. Und einem anderen Menschen zu erklären, dass man von ihm gerne als Möbelstück oder Haustier benutzt werden möchte, ist für einen Anfänger auch extrem schwer.«
Damit hättest du vollkommen Recht. Sowohl ein Gespür für deine Grenzen, als auch deine Fähigkeit, über solche Dinge zu sprechen, wird sich im Laufe der Zeit immer besser entwickeln. Du darfst auch jederzeit deine Meinung ändern – wobei es mehr und weniger elegante Wege gibt, das zu tun.
Für den Anfang reicht es aus, wenn du deinem Partner erst mal grob deine Phantasien schilderst, ihm sagst, was dir allgemein im Bett besonders viel Spaß macht, wovor du Angst hast und was du auf keinen Fall tun möchtest. Je mehr Hinweise du deinem Partner gibst, desto mehr erleichterst du ihm, sich etwas auszudenken, was er mit dir anstellt, damit ihr beide dabei auf eure Kosten kommt.
Denkbare Dinge, die du – je nach deinem Naturell – lieber nicht zulassen möchtest, sind beispielsweise: das Zufügen von Schmerzen, bleibende Spuren wie blaue Flecken (oder Schlimmeres), Spiele mit Körperausscheidungen, die Berührung bestimmter Körperteile, das Anlegen von Knebeln, Spiele mit Atemkontrolle, der Konsum von Alkohol vor oder während dem Spiel, besondere Empfindlichkeiten körperlicher Art (z. B. die Berührung des Geschlechtsorgans direkt nach dem Höhepunkt) oder aber seelischer Natur (z. B. Handlungen, die dich an üble Erfahrungen aus Kindheit oder Jugend erinnern und in dir deshalb heftige unangenehme Gefühle aufwirbeln würden).
Viele Anfänger bei Unterwerfungsspielen entscheiden sich dafür, anfangs die Grenzen besonders eng zu ziehen. Sie sagen sich: Mit etwas mehr Erfahrung und Selbstvertrauen können wir diese Grenzen ja nach und nach erweitern. Meiner Ansicht nach ist das eine sinnvolle Entscheidung. Lieber hält man sich bei Dingen etwas zurück, bei denen man das Risiko noch nicht ganz einschätzen kann, als von Anfang an in die Vollen gehen und zu hoffen, dass man, wenn die Sache schiefgeht, das körperliche oder seelische Trauma schon irgendwie überstehen wird. Du würdest dich ohnehin damit überfordern, gleich reihenweise Extremsituation am ersten Abend durchzuprobieren. Lass dir die Zeit, Schritt für Schritt in das Ganze hineinzufinden.
Im Laufe der Zeit wirst du herausfinden, dass du Grenzen hast, die du ein bisschen verschieben kannst, und Grenzen, die unverrückbar sind. Eine verschiebbare Grenze kann etwas sein, dass du wirklich nicht magst, das du aber im Notfall ertragen könntest – beispielsweise einen Stromstoß erhalten. Vor allem wenn du mehr auf seelische Demütigung statt körperlichen Schmerz stehst, würdest du so etwas nicht wollen. Aber wenn der Schmerz nicht unerträglich stark ist, würdest du damit fertig werden. Dein Partner kann eine solche Grenze also als Teil des Spiels benutzen. Er kann dich zum Beispiel damit bestrafen, wenn du wirklich »ungezogen« warst, oder damit drohen, um deine Angst und damit deine Erregung gezielt weiter in die Höhe zu peitschen.
Anders verhält es sich bei Grenzen, die du von Anfang an als unantastbar festlegst. Mit der Übertretung dieser Grenzen kann dich dein Partner nur schlecht bedrohen, weil er weiß, dass wenn er diese Drohung umsetzen würde, massiven Stress für eure gesamte Beziehung heraufbeschwören würde. Vielleicht würdest du komplett das Vertrauen in ihn verlieren und dich nie wieder mit ihm auf Unterwerfungsspiele einlassen. Das kann nicht in seinem Interesse sein.
Je klarer du also zum Ausdruck bringst, was für dich eine wirklich feste Grenze ist und wo ein bisschen Spielraum besteht, desto besser.
Viele Dominante betrachten es als besonders reizvolle Herausforderung, die weniger rigiden Grenzen ihres Partners wenigstens ein bisschen zu verschieben. Sie begründen das gerne damit, dass sie ihrem Partner damit die Gelegenheit geben, ein wenig über sich hinauszuwachsen. Ich habe allerdings den Verdacht, dass der Hauptgrund hierfür schlicht erotischer Sadismus ist. Im Grenzbereich aktiv zu sein gibt vielen SM-Liebhabern nun mal einen intensiveren Kick, als sich immer nur in