»Falko!«, ermahnte Frau Martin ihn und sah dann ihren Sohn an, der gutmütig sagte: »Kein Problem, ich mach das!«
Alle – bis auf Graf Falko – fühlten mit Holger mit, der nun seinen Kopf über eine Schüssel mit Hafer beugte und zu kauen begann.
Graf Falko grinste: »Na, schon leer?«
Holger nahm noch einen Bissen und kaute mühsam. Aber leer essen konnte er das Gefäß nicht.
»Sorry, ich hab’s wirklich versucht!«
Graf Falko triumphierte. »Nicht geschafft! Dann darf ich gleich noch mal!« Schon drehte er die Flasche – und diesmal blieb sie direkt vor seinem Sohn stehen.
»Pflicht!«, rief Alex mit einem kämpferischen Leuchten in seinen Augen.
Graf Falko grinste mit diebischer Freude. »Dann schaff jetzt mehr Liegestütze als Tina!«
Tina schaute ihn ein wenig ungläubig an. Aber gut, sie war kräftig und ein paar Liegestütze waren nun wirklich kein Problem für sie.
»Schaffst du!«, fand auch Bibi.
»Schaffst du doch nie!«, widersprach Freddy.
»Komm, Alex, vamos!«, feuerte Chico wiederum Alex an.
Schon brachten sich Alex und Tina in Position und legten los. »Eins, zwei, drei, vier …«
Bibi und Frau Martin feuerten Tina an. »Zeig’s ihm, Tina! Komm! Los!«
»Alexander, mach unserem Hause keine Schande!«, so Graf Falko mit einem leicht hämischen Unterton.
Es folgte noch ein Liegestütz, der Alex aber schon sichtbar schwerfiel.
»Komm, der macht doch eh schon schlapp«, bemerkte Freddy trocken zu Tina.
Und richtig: Alex bemühte sich, noch einmal hochzukommen, fiel dann aber vornüber zu Boden. Graf Falko schien es ziemlich egal zu sein, was er seinem Sohn damit angetan hatte. Im Gegenteil, er freute sich, dass er erneut zum Zuge kam. »Ohh, nicht geschafft! Gleich noch mal! Wen trifft das gräfliche Schicksal?« Schon drehte er die Flasche und diesmal kam sie vor Bibi zum Halt. Übermütig rief Graf Falko: »Bibi! Zieh deine Socken aus und
kau darauf herum!«
Doch Bibi ließ sich nicht provozieren und erwiderte gleichmütig: »Dann muss ich sie wenigstens nicht waschen!« Schon zog sie ihre Schuhe aus und streifte die Socken von ihren Füßen.
»Falko, du hast sie nicht mal gefragt, ob Pflicht oder Wahrheit!«, wies ihn Frau Martin zurecht. Langsam aber sicher nervte sie sein Spielverhalten.
»Und dennoch tut sie’s schon! Mit großem Vergnügen!«, erwiderte Graf Falko unbeirrt.
Bibi kaute auf ihren Socken rum und kommentierte ihr Tun mit: »Lecker!«
Alle lachten bis auf Frau Martin, die Graf Falko weiter ermahnte: »Du spielst hier nach deinen ganz eigenen Regeln!«
Graf Falko sah sie überrascht an. »Was, ich?«
»Ja, wer denn sonst? Hier spielt doch sonst keiner mehr«, antwortete Frau Martin gereizt.
»Überhaupt nicht, Susanne«, protestierte Graf Falko, »ich spiele nach den offiziellen Regeln!«
Bibi nutzte den kleinen Zank, drehte schnell die Flasche und hexte mit leiser Stimme und kleinen Gesten Richtung Flasche: »Eene meene nicht verkehrt, ich hexe hier ganz unbemerkt. Eene meene ungesehen, die Flasche bleibt bei Chico steh’n. Hex-hex!«
Tatsächlich, die Flasche drehte sich zwar zunächst an Chico vorbei und stoppte bei Graf Falko, der sich schon freuen wollte. Doch dann zuckelte sie ein kleines Stückchen zurück und zeigte jetzt direkt auf den jungen Spanier. Keiner außer Tina hatte Bibis Hexerei bemerkt. Sie lächelte verschwörerisch.
Als Bibi ihn aufforderte: »Wahrheit oder Pflicht?«, wählte Chico: »Pflicht«!
Damit hatte Bibi schon gerechnet und stellte ihmgeschickt ihre Aufgabe: »Gut, dann erkläre mir doch mal die Herkunft deiner adeligen Familie in drei Sätzen!« Chico war dieser Frage nämlich bisher immer ausgewichen. Er hatte immer nur behauptet, er käme aus Andalusien.
Freddy verdrehte genervt seine Augen. »Hey, wir spielen hier ›Wahrheit oder Pflicht‹ und nicht ›Wer bin ich‹!« Sein Einwand zählte nicht.
Graf Falko fand: »Eine sehr interessante Aufgabe!« Bibi sah Chico unverwandt an, der stotternd zu erklären begann: »Bueno … ja … äh … also die Herkunft de mi Familia …« Er schluckte und schien fieberhaft nachzudenken, bevor er weitersprach:
»Okay, mein Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Abuelo Chico der Erste … der hat sein Land persönlich von Kolumbus bekommen. Wegen seiner Verdienste in la Mancha en España. Genau, ja! Und seitdem heißen wir so. De la Mancha.«
Freddy murrte: »Mindestens vier Sätze.« Bibi musterte Chico skeptisch.
Graf Falko hingegen war begeistert. »Das ist ja grandios. Aber seit wann liegt die Mancha in Andalusien?«, fiel ihm auf.
»Ach so … ja … nein«, stotterte Chico verlegen.
»Wir sind umgezogen.«
Graf Falko nickte. »Ah, umgezogen.«
Chico nickte nun auch hastig. »Ja, meine Mutter Elena und ich.«
Graf Falko merkte auf. »Elena?«
»Kennen Sie auch eine Elena?«, fragte Chico und Bibi bemerkte seine plötzliche Anspannung. Was sollte das? Warum fragte er das? Sie blickte zu Tina, die sich die gleichen Fragen zu stellen schien.
»Ich kenn übrigens auch eine Elena«, rief Freddy und grölte in die Runde. »Elena, verpiss dich, keiner vermisst dich!«
Die Ferienkinder lachten. Freddy war echt eine Nummer!
Auch Frau Martin lächelte. Sie mochte Freddy, selbst wenn er bisweilen anstrengend sein konnte. Außerdem wollte sie, dass es weiterging mit dem Spiel, und sie forderte Chico auf, die Flasche zu drehen.
Chico ließ die Flasche kreiseln, obwohl er ein wenig enttäuscht schien, keine Antwort auf seine Frage bekommen zu haben. Aber die Flasche zeigte, als ob es das Schicksal so wollte, diesmal auf Graf Falko.
Der Graf lächelte vergnügt. »Ich nehme natürlich wieder die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Nun, lieber Chico, stelle mir bitte deine Frage.«
Chico räusperte sich. »Graf Falko, Sie sind so gebildet. Also ein wahrer Edelmann und ›un hombre de palabras bonitas‹, also ein Mann der schönen Worte.«
Graf Falko lächelte geschmeichelt. »Sí, sí!«
Chico sah ihn gespannt an: »Wem haben Sie schon mal einen Liebesbrief geschrieben?«
Überrascht antwortete Graf Falko: »Liebesbrief, ich bitte dich!«
»Falko, du hast mir schon mal einen Liebesbrief geschrieben!«, erinnerte ihn Frau Martin. Was die Ferienkinder ziemlich witzig fanden.
»Jugendlicher Leichtsinn!«, verteidigte sich Falko peinlich berührt.
»Und das war der einzige Liebesbrief, den Sie geschrieben haben?«, fragte Chico nach.
»Wieso sollte es nicht der einzige gewesen sein?«, entgegnete der Graf.
»Vater, hast du das Spiel nicht verstanden? Du darfst nicht lügen!«, warf Alex genervt ein.
»Genau, und deswegen dreh ich jetzt wieder die Flasche«, so sein Vater. Schon griff er zu und gab ihr Schwung.
Alex schüttelte den Kopf. »Dass du dich nicht schämst!« Da kam die Flasche direkt vor ihm zum Stillstand.
Graf Falko schaute seinen Sohn an. »Haha! Vielleicht solltest du dich ja schämen, mein wahrheitsliebender Sohn.«
»Wofür?«,