Der neue Sonnenwinkel 81 – Familienroman. Michaela Dornberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Sonnenwinkel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740966751
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      Nicht, wenn er und sie, sondern weil er und sie künftig hier gemeinsam wohnen würden, zusammen mit seinen drei Mädels und dem Personal. Und das im ehemaligen »Seeblick«, an dem früher schon mal ein Traum für sie begonnen hatte, dem sie allerdings dummerweise entflohen war. Noch mal stopp! Man schlug immer nur den Weg ein, den das Leben einem vorgeschrieben hatte, und man nahm sich viel zu wichtig, wenn man glaubte, selbst alles zu entscheiden.

      Sie kochte den Kaffee, sah in den Schrank, entdeckte eine Dose mit Keksen, die nahm sie mit, weil ihr bewusst wurde, dass sie seit ihrer Landung auf deutschem Boden noch nichts gegessen hatte.

      Es war total verrückt!

      Lennart war unterwegs, Roberta am Boden zerstört, und sie konnte nicht loswerden, was sie bewegte, was sie innerlich beinahe zerriss. Es war neu für Nicki, dass sie sich jetzt um Roberta kümmern musste, nicht umgekehrt, wie es sonst immer der Fall gewesen war.

      *

      Als Nicki ganz vorsichtig das beladene Tablett ins Wohnzimmer balancierte, entdeckte sie, dass Roberta sich zurückgelehnt hatte. Ihre Augen waren geschlossen, sie war blass, verweint, sah sehr verletzlich aus.

      Was war bloß aus der toughen Frau Doktor geworden, die sonst alles souverän im Griff hatte, die sich nicht anmerken ließ, dass sie sich nicht gut fühlte, dass sie unglücklich, traurig, in welchem Zustand auch immer war.

      Roberta hatte immer funktioniert!

      Und das konnte eigentlich niemand. Nicki fühlte sich schlecht, denn jetzt wurde ihr bewusst, dass sie ihren ganzen Müll jederzeit gedankenlos bei Roberta abgeladen hatte, weil die so stark, so teilnahmsvoll, so empathisch war. Roberta hatte über sich kaum etwas gesagt, und sie hatte nicht gefragt.

      Vorsichtig stellte sie das Tablett ab, Roberta öffnete die Augen, richtete sich auf. Sie versuchte ein kleines Lächeln, das so gar nicht zu dem erloschenen Blick passte. Nicki musste erneut an sich halten, sie jetzt nicht zu umarmen, ihr tröstende Worte zuzusprechen. Trost … denn Trost hatte Roberta früher dringend benötigt, als das Unglück mit Lars passiert war. Und da musste Nicki sich nichts vorwerfen, da war sie für Roberta da gewesen. Doch jetzt … Sie hatte schließlich nur geträumt. »Nur«, ja, das traf zu. Vielleicht wusste Nicki deswegen nicht so genau, wie sie sich verhalten sollte. Aber vielleicht befand sie sich auch jetzt gerade in einem kolossalen Irrtum.

      »Danke, Nicki … Vor allem danke, dass du da bist, wenngleich ich ein schlechtes Gewissen habe … Hast du eigentlich schon geschlafen nach diesem stundenlangen Flug?«

      Nicki winkte ab.

      »Hab ich nicht, doch das hätte ich eh nicht getan, weil ich viel zu aufgeregt bin und weil Lennart mir jetzt schon fehlt, obwohl wir uns doch gerade erst getrennt haben.«

      Lennart Hegenbach …

      Roberta fiel ein, was Nicki ihr von diesem Mann vorgeschwärmt hatte. Deswegen hatte sie auch versucht, sie telefonisch zu erreichen, um noch mehr zu schwärmen, deswegen war sie auch so unvermittelt hereingeschneit. Und sie hatte das alles kaputt gemacht mit ihrer Jammerei.

      »Nicki, magst du mir jetzt von deinem Lennart erzählen?«, wollte sie wissen.

      Nicki schüttelte ganz entschieden den Kopf.

      »Oh nein, das werde ich ganz gewiss nicht tun. Als ich hereinkam, hast du mir an den Kopf geworfen, dass es nicht immer nur um mich gehen kann. Stimmt genau. Ich habe das viel zu oft ausgenutzt. Jetzt bist du mal an der Reihe. Reden wir über dich.«

      Das war Roberta inzwischen schon wieder peinlich.

      »Nicki, da gibt es nichts zu reden. Ich werde mich bemühen, nicht mehr daran zu denken, ich muss akzeptieren, dass es nur ein Traum war, der mich voll erwischte, weil er mir so real vorkam.«

      Sie hörte sich reden, glaubte sich selbst nicht. Auch Nicki tat es nicht. »Roberta, es hat dich kalt erwischt, und bitte, verdränge es jetzt nicht. Lass uns reden, offen und ehrlich, wie wir es eigentlich gewohnt sind. Und wenn du es allein nicht schaffst, dann hol dir professionelle Hilfe. Ärztinnen sind auch nur Menschen.«

      Davon wollte Roberta nichts wissen.

      »Es ist halt schwer, man kommt nicht darüber hinweg, weil es ein ewiger Schmerz ist.« Nicki widersprach.

      »Man kommt darüber hinweg, liebste Freundin, man darf sich nur nicht in dem Schmerz vergraben. Und genau das ist es, was du tust, womit du nicht aufhörst.«

      Roberta sagte nichts.

      »Roberta, man kann sich auch nicht in seine Arbeit flüchten, denn das genau ist es, was du tust. Tritt wieder ein ins Leben. Du bist eine so wundervolle Frau. Ich bin überzeugt davon, dass es auch noch für dich eine wundervolle Überraschung bereithält.«

      Roberta sagte noch immer nichts, doch Nicki ließ sich nicht beirren.

      »Roberta, sieh mich doch an. Ich geriet meistens an die verkehrten Männer. Und auch wenn meine Wahrsagerin es aus den Karten gelesen und es mir vorausgesagt hat, wusste ich ganz tief in meinem Herzen, dass Lennart der Richtige für mich ist, dass es vorher eben deswegen mit niemandem geklappt hat, weil ich auf ihn warten sollte.«

      Insgeheim atmete Roberta auf. Das war wieder einmal typisch Nicki., die es trotz aller Versprechen nicht lassen konnte, zu Kartenlegern, Hellsehern, Wahrsagern, Kaffeesatzlesern und allem zu gehen, was sich auf diesem Markt tummelte und den Leuten geschickt mit falschen Versprechen das Geld aus der Tasche zog. Sie sagte jetzt lieber nichts. Das Gespräch hatte eine andere Wende genommen, glücklicherweise. Roberta ermunterte ihre Freundin, über Lennart zu reden, und Nicki willigte schließlich ein. Ehrlich mal, das war es, was sie derzeit am meisten bewegte und was sie am liebsten laut in die ganze Welt hinausposaunt hätte.

      Roberta war froh, dass sie nicht mehr im Mittelpunkt stand. Es stimmte vieles von dem, was Nicki gesagt hatte. Doch so nah man sich als Freundinnen auch war, alles ließ sich nicht gemeinsam auf die Reihe bringen. Dazu waren die Menschen einfach zu verschieden, hatten unterschiedliche Ansichten.

      Lars…

      Der Traum, der so real gewesen war…

      Sie war damit noch nicht fertig, doch sie musste es allein aufarbeiten, niemand konnte ihr helfen. Aber es war ganz wundervoll zu wissen, dass es da Menschen gab, denen man voll vertrauen konnte, die auch voll hinter einem standen. Nicki war da zweifelsfrei die Nummer Eins, und direkt dahinter kam Alma. Liebe Menschen, die Roberta niemals hätte missen wollen.

      Das war gut so, doch Roberta wusste, dass sie weder mit Nicki noch mit Alma darüber sprechen würde, dass sie Solveig anrufen wollte, damit die noch einen Versuch unternahm, Lars zu finden. Sie würde sich an den Kosten beteiligen, sie würde die Kosten, wenn es sein musste, ganz übernehmen. Das war ihr augenblicklicher Plan. Und wenn das alles wieder nichts brachte, dann hatte sie keine andere Wahl, dann würde sie loslassen. Doch die Bilder, einfach alles, was sie sonst an Lars erinnerte, nichts davon würde sie entfernen. Sie lebte damit. Und von wegen Museum. Da irrte Nicki.

      Ihr Blick fiel auf das Foto, das neben der wunderschönen Lampe stand, die sie gemeinsam mit Lars gekauft hatte.

      Er lächelte sie an, und sie ertappte sich dabei, dass sie, wenn auch ganz zaghaft, zurücklächelte.

      Was für ein Glück, dass Nicki das nicht mitbekam. Die war jetzt ganz in ihrem Element.

      Es sprudelte nur so aus ihr heraus. Roberta wünschte ihrer Freundin von ganzem Herzen, dass Nicki diesmal ihren Mr Right gefunden hatte.

      Im Grunde war es wirklich schön, dass sie gekommen war …

      *

      Es klingelte heftig an der Haustür der Villa Auerbach. Inge war sich für einen Augenblick nicht sicher, ob sie das einfach ignorieren sollte. Seit immer mehr Menschen auf den Hügel in das Neubaugebiet zogen, klingelte es häufiger. Der Sonnenwinkel war aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Man hatte ihn entdeckt als einen Ort, an dem man unter Umständen Geschäfte machen konnte.

      Es klingelte erneut, diesmal anhaltender, fordernder.