Hier kann es helfen, wenn du für dein Verhalten klare und stabile moralische Kriterien entwickelst. Dazu gehört vor allem, dass du auf die Grenzen deines Partners achtest, die ihr vor eurem Spiel miteinander vereinbart habt. Tue also nichts mit ihm, was er nicht möchte, wenn du nicht riskieren willst, sein Vertrauen zu verlieren. Im schlimmsten Fall verliert dein Partner sogar generell Vertrauen in andere Menschen und entwickelt Probleme, mit seiner sadomasochistischen Neigung zurechtzukommen.
Zugegeben: Manche unterwürfige Menschen genießen es ganz besonders, wenn die zuvor von ihnen festgelegten Grenzen gerade einen Schritt weit überschritten werden. Sie fühlen sich dann besonders ausgeliefert, was ihre Lust in die Höhe schießen lässt. Für manche dient es auch der Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit, wenn sie auf irrationalen Ängsten beruhende Grenzen verschieben können.
Vor allem aber, wenn du Anfänger im Bereich der Dominanz bist, solltest du es nicht als deine Aufgabe betrachten, die Grenzen deines Partners zu übergehen, um seine Persönlichkeit zu verändern. Die Gefahr, dabei Schlimmes anzurichten, was du nicht leicht wiedergutmachen kannst, ist einfach zu groß. So etwas solltest du nur wagen, wenn du deinen Partner und was solche Spiele bei ihm auslösen, außerordentlich gut kennst und die Kommunikation zwischen euch beiden störungsfrei funktioniert. Während du deinen Partner erotischen Qualen aussetzt, gehört es zu deiner Verantwortung, immer wieder zu überprüfen, ob es ihm noch gut geht. Je mehr Erfahrung du dabei sammelst, desto eher kannst du auch leise Signale in seinen Gesichtszügen, seinem Tonfall und seiner Körpersprache erkennen, die zeigen, dass es ihm schlechter geht, als er eigentlich möchte. Dann hast du die Möglichkeit, Druck wegzunehmen, das Spiel umzulenken, es sanft ausklingen lassen – oder auch einfach mal nachzufragen, wie es deinem Partner gerade geht.
Nicht zuletzt dürfte es dir (und deinem Partner) helfen, wenn ihr euch nicht kopfüber in die extremsten Spiele hineinstürzt, sondern mit kleinen Schritten beginnt, zuerst noch sehr sanft und nicht weit von eurem gewohnten Sex entfernt. Einige Beispiele sind in meinem Ratgeber »Die ersten Schritte SM« aufgeführt. Spürt nach jeder dieser Aktionen nach, wie es euch damit geht und unterhaltet euch darüber. Auf diese Weise bekommt ihr ein immer besseres Gespür für solche Spiele, die dir jetzt vielleicht noch unheimlich sind, und die allmähliche Gewöhnung daran macht dich selbstsicherer.
Es kann allerdings auch sein, dass du bestimmte Wünsche nicht erfüllen kannst. Zum Beispiel tun sich viele Menschen verständlicherweise schwer damit, jemanden übel zu erniedrigen und zu demütigen, den sie lieben und respektieren. Manche Menschen lösen dieses Problem, indem sie ihre Beziehung öffnen, also entweder der dominante oder der unterwürfige Partner solche erotischen Freuden mit jemand anderem als seinem festen Partner erlebt. So wie andere Formen von Sex können auch SM-Aktionen problemlos zwischen Menschen stattfinden, die nicht verliebt ineinander sind, sondern sich nur gefunden haben, weil es ihnen Spaß macht, auf diese Weise miteinander zu spielen. Eine solche Öffnung eurer Partnerschaft solltet ihr vorher gründlich durchsprechen, um das Risiko gegenseitiger emotionaler Verletzungen zu senken.
Am besten ist es, wenn du mehr und mehr lernst, an deiner Rolle bei solchen Spielen ohne unsinnige Schuldgefühle Gefallen zu finden – und das nicht nur dir selbst zuliebe: Auch ein unterwürfiger Partner ist glücklicher und erregter, wenn er von jemandem beherrscht wird, der seine Dominanz wirklich genießt.
Wie kannst du überzeugend Dominanz verkörpern?
Wenn du noch überhaupt keine Erfahrung damit hast, einen anderen Menschen erotisch zu beherrschen, und auch nicht von Natur aus mit einem großen Maß an Selbstbewusstsein ausgestattet bist, fühlst du dich vermutlich vor eine große Herausforderung gestellt – eine Herausforderung, die dir vielleicht sogar ein bisschen Furcht einflößt. Was kannst du tun, damit dich dein Partner zumindest vorübergehend als seinen Herrn wahrnimmt und das auch emotional spürt? Hierzu gibt es die verschiedensten Mittel und Wege.
Einer davon orientiert sich an dem alten Spruch »Fake it, til you make it«. Wenn du dich lange genug wie ein dominanter Mensch bewegst und versuchst, wie ein solcher Mensch zu denken, beginnst du dich über kurz oder lang auch so zu fühlen. Anfangs nimmst du dir vielleicht schon eine Weile, bevor euer Spiel beginnt, die Zeit, in diese Rolle hineinzufinden – indem du in der Kleidung, die du für dieses Spiel gewählt hast, durch deine Wohnung schreitest und im Geiste durchgehst, was du mit deinem Partner anstellen möchtest.
Deine Körpersprache spielt hier eine wichtige Rolle – nicht nur, um vor deinem Partner Wirkung zu erzeugen, sondern auch um deine eigenen Gefühle entsprechend auszurichten. Auf folgende Weise kannst du körpersprachlich Dominanz ausdrücken:
• Du stehst zu deiner vollen Größe aufgerichtet statt gebeugt und hast den Kopf erhoben statt gesenkt.
• Du nutzt andere Wege, um Raum einzunehmen, hast beispielsweise deine Arme in die Hüften gestemmt oder beim Sitzen deine Beine gestreckt oder auseinandergestellt.
• Du machst raumgreifende Bewegungen, etwa indem du ein wenig gestikulierst oder dich mal streckst.
• Du nimmst immer wieder selbstbewusst Augenkontakt auf und hältst ihn für mehrere Sekunden.
Als besonders effektiv, um sich selbst dominant zu fühlen, gilt die sogenannte Wonder-Woman-Pose, also die Beine schulterbreit auseinandergestellt und die Arme in die Hüfte gestemmt. Psychologen der Harvard und der Columbia Business School ließen die Versuchspersonen eines Experiments mehrere Minuten lang diese Position einnehmen und ermittelten dann, welche Veränderungen diese Haltung hervorrief. Dabei zeigte sich: Die Versuchspersonen fühlten sich selbstbewusster, optimistischer und dominanter und ihr Speichel wies sogar ein höheres Niveau von Testosteron und ein niedrigeres Niveau des Stresshormons Cortisol auf. Als man sie vor einem Gremium von Personen einen kurzen Vortrag halten ließ, traten sie dabei leidenschaftlicher und engagierter auf und wurden als fesselnder und überzeugender wahrgenommen. Wenn du dich also vor Beginn eures Spiels auf ähnliche Weise aufputschst, dürfte dir das dabei helfen, dich stark und machtvoll zu fühlen und das deinen Partner auch spüren zu lassen.
Selbstbewusstsein und Autorität erhältst du darüber hinaus durch Kompetenz. Je besser du dich über all die Praktiken informierst, die du mit deinem Partner erleben möchtest, desto sicherer fühlst du dich. Auch dein Partner merkt, dass du genau weißt, was du tust, und lernt, dir zu vertrauen und sich dir hinzugeben.
Selbstkontrolle und Reflektion im Spiel lassen dich ebenfalls stärker erscheinen. Indem du dich nicht von jeder eigenen Laune oder den Launen deines Partners treiben lässt und mehr reagierst als agierst, sondern dir stattdessen deine Aktionen gut überlegst, strahlst du ebenfalls Überlegenheit aus. Um deinen Partner im Griff zu haben, solltest du dich erst einmal selbst im Griff haben.
Des Weiteren sind Fairness und Verantwortung gegenüber deinem Partner wesentliche Aspekte deiner Dominanz. Wenn ihr zum Beispiel gemeinsame Regeln festlegt, dann fühlst du dich auch selbst daran gebunden und richtest dich danach, statt einfach die Zügel schießen zu lassen, nur weil es dir gerade besser in den Kram passt. Das macht es deinem Partner leichter, dich zu respektieren und zu dir aufzusehen. Leichter fällt es ihm ebenfalls, wenn er das Gefühl hat, bei dir in guten Händen zu sein, weil du darauf achtest, dass ihm keine echten körperlichen oder seelischen Schmerzen zugefügt werden und dass du dich um ihn kümmerst, wenn er durch ein Spiel auf die eine oder andere Weise überfordert wurde. Wie du das am besten machst, darauf werde ich später noch näher eingehen.
Welche Risiken und Nachteile können mit der dominanten Rolle verbunden sein?
Vermutlich wird es für dich ebenso wie für deinen Partner eine tolle Erfahrung sein, wenn du bei eurem Rollenspiel so richtig in deiner Rolle aufgehst, sie überzeugend verkörperst und dir das richtig gut gefällt. Eine weniger tolle Erfahrung ist es, wenn dir diese Rolle derart gut gefällt, dass du sie auch in dein Verhalten außerhalb des Rollenspiels übernimmst.