Metamorphosen. Ovid. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ovid
Издательство: Bookwire
Серия: Reclam Taschenbuch
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783159608006
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die Klinge hell auf. [205] Und während Astyages stutzt, hat seine Natur sich ebenso verändert, und dem Marmorantlitz bleibt der staunende Ausdruck. Es würde zu weit führen, die Namen der Männer aus dem einfachen Volke zu nennen; zweihundert Mann waren noch kampffähig, und alle zweihundert erstarrten beim Anblick der Gorgo.

      [210] Erst jetzt bereut Phineus seinen ungerechten Krieg. Doch was soll er tun? Er sieht Standbilder in verschiedenen Stellungen, erkennt die Seinen, ruft jeden beim Namen, bittet ihn um Hilfe, will seinen Augen nicht trauen und berührt die Männer, die unmittelbar neben ihm stehen. Sie waren Marmor; er wendet sich ab, streckt [215] – als Bekenntnis seiner Schuld – Hände und Arme flehend zur Seite und spricht: »Der Sieg ist dein, Perseus! Entferne dein Zauberwerk, das versteinernde Gesicht deiner Meduse, was es auch sein mag! Nimm es, bitte, hinweg! Nicht Haß noch Herrschsucht haben mich zum Krieg getrieben; um der Gattin willen habe ich zu den Waffen gegriffen. [220] Dir gab deine Leistung den Vorrang, mir meine älteren Rechte. Ich bereue, daß ich dir nicht nachgegeben habe. Gestehe mir nichts außer dem Leben zu, du Tapferster! Das Übrige soll dir gehören.« So sprach er und wagte nicht, sich nach dem Mann, den er bat, umzusehen. Der aber versetzte: »Was ich dir, du überängstlicher Phineus, [225] verleihen kann und was ein großes Geschenk für eine Memme ist – keine Angst, ich will es dir verleihen: Kein Eisen soll dich verletzen! Ja, ich will dir sogar ein Denkmal setzen, das die Zeiten überdauert, und im Hause meines Schwiegervaters wirst du stets zu sehen sein, so daß meine Gemahlin sich am Bilde ihres Bräutigams trösten kann.« [230] Sprach’s und brachte die Meduse dorthin, wohin sich Phineus mit angsterfülltem Gesicht gewandt hatte. Als er auch jetzt noch versuchte, den Blick abzuwenden, versteifte sich sein Nacken; das Feuchte in den Augen wurde steinhart; doch das ängstliche Gesicht, die flehende Miene, die demütige Gebärde [235] der Hände und das schuldbewußte Aussehen blieben auch dem Marmorbild.

      Spätere Taten des Perseus

      Als Sieger zieht der Nachkomme des Abas mit seiner Gattin in die Mauern seiner Vaterstadt ein und greift als Fürsprecher und Rächer seines Großvaters, der es nicht verdiente, den Proetus an: Hatte doch dieser den Bruder mit Waffengewalt verjagt und sich die Stammburg des Acrisius angeeignet. [240] Doch weder mit Waffen noch mit der Burg, die er unrechtmäßig eingenommen hatte, konnte er den finsteren Blick des schlangentragenden Ungeheuers besiegen.

      Dich freilich, Polydectes, Herrscher auf der kleinen Insel Seriphus, hatten weder das Heldentum des jungen Mannes, das in soviel Mühsal erprobt war, noch sein Unglück weich gestimmt. Hart verfolgst du ihn mit unerbittlichem Haß, [245] und der ungerechte Zorn findet kein Ende. Ja, du schmälerst auch noch seinen Ruhm und behauptest, die Ermordung der Meduse sei reine Erfindung. »Ich will dir die Wahrheit beweisen. Schützt eure Augen!« So sprach Perseus und machte das Gesicht des Königs durch das der Meduse zu leblosem Stein.

      Pegasus

      [250] So weit hat Tritonia ihrem vom goldenen Regen erzeugten Bruder ihr Geleit geschenkt; dann verläßt sie Seriphus, in eine bergende Wolke gehüllt, rechts läßt sie Cythnus und Gyarus liegen, und auf dem Weg, der ihr der kürzeste schien, eilt sie über das Meer nach Theben und zum Helicon, dem Berg der jungfräulichen Musen. [255] Sie kam dort an, blieb stehen und redete die sangeskundigen Schwestern folgendermaßen an: »Zu Ohren kam mir die Kunde von der neuen Quelle, die der harte Hufschlag des aus dem Blut der Meduse entstandenen Flügelpferdes entspringen ließ. Sie ist der Grund meines Kommens; ich wollte das Wunder schauen; sah ich doch das Roß aus dem Blut seiner Mutter entstehen.« [260] Uranie versetzt: »Welcher Grund auch dich, Göttin, in unser Heim führen mag, du bist uns hochwillkommen. Doch das Gerücht spricht wahr: Pegasus hat in der Tat diese Quelle hervorgebracht.« Und schon hat sie Pallas zum heiligen Wasser geführt. Lange steht diese staunend an den Wellen, die aus dem Hufschlag entsprangen, [265] sieht sich ringsum die Haine mit ihren altehrwürdigen Bäumen an, die Höhlen und die Kräuter, zwischen denen unzählige Blumen blühen, und sie preist die Töchter der Erinnerung glücklich ob ihres Berufes und ihrer Wohnstätte.

      Pyreneus

      Zu ihr sprach eine der Schwestern: »O Tritonia, hätte dich nicht deine Tüchtigkeit zu höheren Aufgaben berufen, [270] so hättest du unserem Chor angehören können! Du sagst die Wahrheit, lobst mit Recht unsere Künste und diesen Ort, und wir haben wirklich ein liebliches Los – wenn wir nur in Sicherheit lebten! Doch – soviel darf sich der Frevelmut erlauben! – noch immer erschreckt alles und jedes unsere jungfräulichen Herzen, der grausame Pyreneus steht uns vor Augen, [275] und ich habe mich immer noch nicht ganz gefaßt. Dieser Wüterich hatte die Ländereien von Daulis und Phocis mit seinem Thracerheer an sich gebracht und herrschte dort zu Unrecht als König. Wir waren gerade unterwegs zum parnassischen Tempel; da sah er uns wandern, erwies unserer Gottheit mit heuchlerischer Miene seine Ehrerbietung und sprach: [280] ›Ihr Töchter der Erinnerung‹ – er hatte uns nämlich erkannt –, ›bleibt bitte stehen und zögert nicht, unter meinem Dache vor dem schlechten Wetter und dem Regen‹ – es regnete in der Tat – ›Schutz zu suchen. Oft haben himmlische Götter bescheidenere Hütten besucht.‹ Seine Worte und die Witterung bewogen uns, ja zu sagen, und wir betraten die Vorhalle seines Palastes. [285] Der Regen hatte aufgehört, Nordwinde hatten den Südwind besiegt, und gelblich flüchteten die Wolken vom reingefegten Himmel. Wir wollten gehen – da schließt Pyreneus sein Haus ab und schickt sich an, uns Gewalt anzutun. Wir sind auf Flügeln entkommen. Als wolle er uns verfolgen, stand er hoch oben auf der Burg [290] und sprach: ›Wo für euch ein Weg ist, wird auch für mich einer sein.‹ Rasend wirft er sich von der höchsten Turmspitze hinab und fällt auf sein Antlitz; zerschmettert sind die Knochen des Gesichtes, sterbend zappelt er am Boden, den das Blut des Ruchlosen färbt.«

      Die Pieriden (I)

      Noch redete die Muse – da rauschten Flügel durch die Lüfte, [295] und hoch von den Zweigen herab kamen Grußworte. Iuppiters Tochter blickt empor und forscht, woher der Klang so deutlich sprechender Zungen komme; glaubt sie doch, ein Mensch habe gesprochen. Doch es war ein Vogel. Neun an der Zahl, hatten Elstern, die alles nachahmen können, auf den Ästen Stellung bezogen und beklagten ihr Los. [300] So begann zur staunenden Göttin die Göttin: »Es ist auch noch nicht lange her, daß diese hier nach einer Niederlage im Wettkampf die Schar der Vögel vermehrt haben. Pierus ist ihr Vater, ein reicher Mann im Gebiet von Pella, ihre Mutter Euippe aus Paeonien. Sie hat, neunmal in Geburtswehen, neunmal die mächtige Lucina angerufen. [305] Der törichten Schwesternschar stieg ihre große Zahl zu Kopf; sie ziehen durch viele haemonische und achaeische Städte, kommen schließlich hierher und eröffnen mit folgenden Worten den Kampf: ›Hört auf, das ungebildete Volk durch eitlen Wohlklang zu täuschen. Singt mit uns um die Wette, wenn ihr einen Funken Selbstvertrauen habt, [310] ihr Göttinnen von Thespiae! Wir werden euch weder stimmlich noch künstlerisch unterlegen sein, und wir sind ebenso viele wie ihr. Verlaßt entweder ihr, wenn ihr besiegt werdet, euren Medusenquell und die hyantische Aganippe, oder wir wollen aus den emathischen Feldern bis ins schneereiche Paeonerland weichen. Nymphen mögen Schiedsrichter sein.‹ [315] Es war zwar eine Schande, zu solch einem Wettkampf anzutreten. Aber die Schande schien uns noch größer, wenn wir nachgaben. Auserwählte Nymphen werden vereidigt, schwören bei ihren Flüssen, und schon haben sie auf Sitzen aus gewachsenem Fels Platz genommen.

      Götterverwandlungen

      Dann singt ohne Losentscheid diejenige als erste, die sich zum Wettkampf gemeldet hat. Sie singt vom Krieg der Himmlischen, rühmt zu Unrecht die Giganten, [320] schmälert die Taten der großen Götter. Sie erzählt, wie Typhoeus der Erdentiefe entstieg und den Himmelsbewohnern Angst einjagte, so daß sich alle zur Flucht wandten, bis das Land Ägypten die Erschöpften aufnahm und der Nil, der sich in sieben Mündungsarme gabelt. [325] Sie berichtet, wie der erdgeborene Typhoeus auch hierher kam und sich die Götter in Truggestalten verbargen. ›Zum Anführer einer Schafherde wird Iuppiter‹, spricht sie, ›daher wird der libysche Ammon auch heute noch mit gewundenen Hörnern dargestellt; der Gott von Delos hat sich im Raben versteckt, Semeles Sohn im Bock, [330] in der Katze die Schwester des Phoebus, Saturnia in einer schneeweißen Kuh, Venus in einem Fisch, der Cyllener im geflügelten Ibis.‹