Trotz der Zeit, die mir noch bleibt, gehe ich direkt auf mein Zimmer und ziehe meine Skiklamotten an. Noch ehe meine Kurskolleginnen vermutlich ihr Frühstück beendet haben, gehe ich zur Ausgabe der Mietskier, hole mir meine Ausrüstung und stehe fix und fertig vor dem Kinderlift, als Craig und die anderen gerade erst eintrudeln. Wenn ich ihm keine Gelegenheit mehr gebe, mir auf die Pelle zu rücken, dann kann eigentlich auch nicht viel passieren – hoffe ich zumindest.
»Also, Ladys, Tag zwei ... Das Ziel für heute ist ein richtiger Berg.« Craig klatscht energisch in die Hände, wirft einen bedeutungsvollen Blick in die Runde und bleibt – ich verdrehe genervt die Augen – für einen Moment an meinen Brüsten hängen. Richtiger Berg ... Damit bin wohl ich gemeint, so direkt wie Craig auf mich zusteuert und mir fest ins Gesicht sieht. Diese Augen ....
»Die Voraussetzung ist, dass Olivia die Sache mit den Kurven hinbekommt.« Craig lächelt mich strahlend an und ich muss mich ordentlich zusammenzureißen, um nicht automatisch zurückzulächeln. Trotzdem kann ich nicht verhindern, dass meine Mundwinkel zucken. – Verdammt, nimm dich zusammen! Ich bin für heute sein Ziel. Aber nicht mit mir! »Keine Sorge, ich bekomme das schon hin!« Kämpferisch recke ich ihm mein Kinn entgegen, meine Nerven vibrieren.
»Sicher?«, fragt Craig und stellt sich so dicht vor mich, dass ich jede einzelne seiner langen Wimpern ausmachen kann. Er scheint zu spüren, dass ich längst nicht so abgebrüht bin, wie ich ihn glauben machen will. Sonst würde er mir nicht derart auf die Pelle rücken. »Ich würde dir ja echt gern helfen, aber du weißt ja: diese Sache mit den Skistöcken ...« Grinsend nickt er in Richtung meiner Stöcke und schaut mir wieder in die Augen. »Vielleicht sollte ich es aber auf einen Versuch ankommen lassen. Ich meine, anders wirst du es wohl kaum lernen, als wenn ich es dir beibringe. Und wie sagt man so schön ...? Hunde, die bellen, beißen nicht. Meist wollen sie sogar gestreichelt werden ...«
»Echt jetzt?« Ich presse die Lippen aufeinander, um nicht laut loszulachen. »Glaubst du wirklich, dass du mich mit derartigen Sprüchen rumkriegst?« Keine Ahnung, was sich verändert hat, aber mit diesen eindringlichen Blicken gepaart mit lächerlichen Zweideutigkeiten bewirkt Craig nicht einmal ansatzweise dasselbe wie gestern in mir. Das ist so was von erleichternd. Ich beuge mich grinsend nach vorne und rücke ganz nahe an sein Gesicht heran. Irritiert zieht er sich ein Stück zurück. »Ein kleiner Ratschlag, Craig: Ein bisschen weniger ist manchmal mehr. Billige Anmachen und ordinäre Sprüche kommen nicht gut, wenn man jemanden vor sich hat, der auf Stil steht.«
Craig zuckt zusammen und blinzelt verwirrt. Der arme Kerl – er war sich seiner Sache so sicher ... Seine aufflackernde Unsicherheit verleiht mir Sicherheit. Er hat ja keine Ahnung, dass ich mehr über ihn und den Typ Mann, zu dem er zählt, weiß, als er auch nur ahnt. Das gibt mir Macht. Und das wiederum bedeutet, dass ich hier eindeutig diejenige bin, die die Zügel in der Hand hat. Jetzt muss ich das diesem kleinen Mistkerl nur noch begreiflich machen, dann habe ich endgültig meine Ruhe vor ihm!
»Ach ja, noch ein kleiner Tipp, Craig«, raune ich ihm zu, als er verwirrt den Kopf schüttelt und sich von mir entfernen will. »Wenn du ein Mädchen im Spabereich vernaschst, dann schau vorher lieber nach, ob jemand in der Sauna ist. Und ›voll abgespritzt‹ ist nicht nur obszön, sondern absolut geschmacklos!« – Das sitzt! Das kann ich an Craigs Gesicht erkennen. Er prallt regelrecht vor mir zurück und keucht überrascht. Ehe er sich so weit fangen kann, dass er etwas erwidern könnte, stoße ich mich mit den Skistöcken vom Boden ab und peile den Kinderlift an.
Bin ich eigentlich von allen guten Geistern verlassen, dem Kerl auf die Nase zu binden, dass ich ihn beim Sex beobachtet habe? Und dann lasse ich ihn auch noch wissen, dass ich mir sein heißes Programm bis zum Ende reingezogen habe! Bye-bye Selbstsicherheit, hallo zutiefst beschämtes Ich. Wenigstens weiß er nicht, dass ich es mir dabei auch noch selbst besorgt habe und danach so zufrieden war wie schon lange nicht mehr.
Als ich oben am Kinderlift ankomme und nach und nach auch Brianna, Marge, Estelle und schließlich auch Craig, scheint Craig wenigstens begriffen zu haben, dass ich nicht vorhabe, ihm nachzugeben, auch wenn ich ihm Ratschläge bezüglich seines Benehmens gegeben habe. Weder klopft er weitere inadäquate Sprüche noch wagt er einen weiteren Blick auf meine Brüste. Stattdessen lächelt er Brianna zu – die er zuvor kaum noch eines Blickes gewürdigt hatte –, wenn auch ein bisschen steif. Und ich werde bei der Erinnerung an das Bild der beiden schon wieder ganz kribbelig, auch wenn das Ende der Begegnung nicht besonders anturnend war.
Ich meine, so energiegeladen und beschwingt, wie Brianna heute Morgen hier ankam und locker auf Craig reagiert hat, wirkt sie alles andere, als fühlte sie sich benutzt. Trotzdem entdeckt Craig plötzlich den Gentleman in sich und hilft ihr die Skistiefel enger zu schnallen – ohne sie mies anzubaggern – Hilfe!
In mir meldet sich bereits wieder dieses altbekannte erregte Zittern, das ich immer verspüre, wenn ich auf Kerle treffe, die genau meinem Geschmack zu entsprechen scheinen – leidenschaftlich, ein bisschen rücksichtlos und trotzdem charmant, der ganze Kram eben. Wenn Craig jetzt so weitermacht, dann wird es spätestens in zehn Minuten in meine untere Körperregion sickern und in weiteren zwei bis fünf Minuten wird sich meine Vagina feucht und hungrig nach einem harten Schwanz zusammenziehen. All das ist mir bewusst, dennoch bin ich dieser Sehnsucht hilflos ausgeliefert.
»Also, Liv, bist du bereit, es noch mal zu versuchen?«, fragt Craig mich, nachdem er die anderen nacheinander den Abhang hinuntergeschickt hat. Er ist bei mir geblieben, um ... ja, um was zu tun? Mir weiter zuzusetzen oder jetzt ernsthaft zu versuchen, mir Skifahren beizubringen?
Mit einem schnellen Seitenblick versuche ich festzustellen, ob er sich von meinem kleinen Angriff auf sein männliches Ego erholt hat – keine Ahnung! »Ich bin bereit«, erwidere ich grimmig. Was auch immer jetzt kommt, ich werde standhalten!
»Also, wie gestern ... Leicht in die Knie gehen, Pflugstellung, zur Kurve das Gewicht nach innen verlagern, den Skistock in den Schnee rammen und sich darum herumschwingen«, erklärt Craig mir und ich bin baff. Ich meine, jetzt klingt er wirklich wie ein Skilehrer!
»Hast du das so weit verstanden?«
Ich nicke und bin im Gegenzug überrascht von seiner schnellen Auffassungsgabe. Ich meine, der Kerl kapiert doch tatsächlich, was genau ich mit obszön und billig gemeint habe. Jetzt muss er nur noch das mit dem Stil geregelt bekommen, dann habe ich ernsthafte Probleme. Bereits jetzt spüre ich, wie mein Widerstand gegen ihn schmilzt. Das ist nicht gut. Die beinahe wütende Lust auf ihn hat mich wachsam gemacht, jetzt ertappe ich mich dabei, wie ich ihn angrinse.
»Was ist?«, fragt Craig.
»Nichts ...« Fuck, meine Stimme klingt belustigt und ich kann einfach nicht aufhören zu grinsen. Ich räuspere mich, um eine ernsthaftere Tonlage anzuschlagen. »Hast du noch einen Ratschlag für mich oder fahren wir jetzt diesen verfluchten Berg runter?« Craig zieht die Augenbrauen zusammen und überlegt kurz. »Halt immer schön die Beine zusammen, dann kann überhaupt nichts schiefgehen.« Unwillkürlich muss ich lachen. »Guter Ratschlag!«
Craig beißt sich ertappt auf die Unterlippe und stößt einen lautlosen Fluch aus. »Du weißt, wie ich das meinte ... die Pflugstellung. Schau zu, dass die Skispitzen