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Das Klingeln des Telefons riss Stella aus ihren Gedanken. »Hier ist Marlies«, säuselte die Stimme von Pauls Sekretärin. »Und – nein, er hat mich noch nicht gefeuert.« Spott klang in ihrer Stimme mit. Also hatte dieses kleine Miststück doch mitgehört. Stella beschloss, Paul bei nächster Gelegenheit davon zu berichten, dass seine Assistentin seine Gespräche belauschte.
»Kleines«, begann Stella, »wenn du schon im Thema bist: Hat Paul es sich überlegt? Bekomme ich meinen Blog?«
»Nein«, antwortete Marlies konsterniert. »Davon hat er nichts gesagt, Frau Block.«
Schlaglichtartig tauchte das Bild ihres erotischen Traums vor Stellas Augen auf. Sie spürte eine Flamme der Lust in ihrem Schoß auflodern. »Worum geht es dann?«, fragte sie unterkühlt und versuchte, ihre aufsteigende Erregung zu unterdrücken. Unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl herum und kaute auf der Miene ihres Schreibers.
»Herr Jaschke hat mich beauftragt, Sie zu ihm zu bitten.«
Stella triumphierte. Wahrscheinlich hatte er es sich doch noch einmal überlegt. Sie warf einen Blick auf ihren Terminkalender. »Wann?«
»Sofort?«
»Kann ich einrichten.« Stella legte auf. »Yes!«, rief sie voller Euphorie und erhob sich von ihrem Stuhl.
»Hast du was vergessen?«, fragte Stella, als sie bald darauf den Kopf durch den Spalt von Paul Jaschkes Tür steckte.
Paul schaute auf, lächelte, dann legte er den Zeigefinger an die Lippen und deutete nach draußen. Er signalisierte Stella, reinzukommen und die Tür zu schließen.
»Sie muss nicht alles mithören«, sagte er, als die Tür geschlossen war.
Stella kicherte. »Du bist sehr naiv, mein Lieber. Deine Tippse hat Ohren wie Kohlblätter und hört alles mit, egal, ob die Tür zu oder offen ist«, entgegnete Stella und berichtete ihm vom Anruf seiner Sekretärin. Paul hob die Augenbrauen. »Mit der Diskretion hat sie es offensichtlich wirklich nicht.«
»Nicht die Bohne.« Stella schüttelte den Kopf. Dann besann sie sich auf den Grund ihres Besuches. »Also, bekomme ich meinen Blog?«, wechselte sie das Thema.
»Wie bitte?« Paul runzelte die Stirn.
»Du hast es dir überlegt, nehme ich an?«
»Unsinn. Ich habe einen Auftrag für dich.«
»Wie schön.« Stella sank auf einen Stuhl und schlug die Beine übereinander. »Und?«
»Kennst du die Magic Two?«
»Pah«, machte Stella gelangweilt. »Wer kennt das Zauberduo nicht?« An Magie glaubte sie nicht, und die selbst ernannten Zauberer, die sich alle eher schlecht als recht durch Varietés und TV-Shows hexten, waren in ihren Augen nichts als Illusionisten. Die Magic Two gehörten allerdings zur Elite der Magier – seit einiger Zeit lebten sie in Las Vegas, wo sie jeden Abend eine atemberaubende Show zeigten.
»Sie sind zurzeit in Deutschland unterwegs.«
»Und ich dachte, ich muss sie in Vegas besuchen.«
Jaschke lachte. »Unsinn. Logan Cook und Noah Pearl sind derzeit auf Deutschlandtournee. Und wir, das heißt die Zehlendorf Media, sind offizieller Medienpartner der Tour. Wir sollten ein Porträt über die beiden machen.«
»Für eine Homestory brauche ich Helmut.«
Paul lachte amüsiert. Dann wurde er ernst und schüttelte den Kopf. »Ich bestimme, wer dich begleitet und die Bilder vor Ort macht.«
»War klar.« Gelangweilt und gekränkt betrachtete Stella ihre knallrot lackierten Fingernägel. »Also mache ich Fotos mit dem Handy, damit du dir das Honorar für einen richtigen Fotografen in die Tasche stecken kannst?«
»Stella – bitte!« Jetzt war Paul ernsthaft beleidigt. Er atmete ein paarmal tief durch, dann rang er sich ein verbindliches Lächeln ab.
Er grinst wie ein Staubsaugerverkäufer, fand Stella – allerdings ein heißer Staubsaugervertreter, den sie gern in ihre Wohnung gelassen hätte.
»Es geht nicht ums Geld.« Paul lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Wir haben eine Einladung der beiden Magier bekommen. Sie befinden sich derzeit in ihrem Haus, der Villa Morgana.«
Stella kicherte. »Das klingt nach einem verwunschenen Zauberschloss.«
»Mitnichten.« Paul schüttelte den Kopf. »Die Villa befindet sich in einer Toplage in Düsseldorf, am Rheinufer.«
»Sie verdienen Millionen mit ihren Shows«, überlegte Stella. Irgendwann hatte sie die beiden in einer Fernsehshow gesehen. Obwohl sie perfekte Illusionisten waren, glaubte sie auch bei ihnen nicht an wahre Zauberei. Kurz rief sie sich ins Gedächtnis, was sie über Noah Pearl und Logan Cook wusste. Sie erinnerte sich daran, dass die beiden Künstler ein Geheimnis aus ihrem Privatleben machten. Hartnäckig hielten sich die Gerüchte, sie seien ein Paar, was vom Management der Künstler weder bestätigt noch dementiert wurde. Ein kluger Schachzug, alles offen zu halten. So blieb man beim Publikum im Gespräch. Stella hatte auf dem Schirm, dass Pearl und Cook noch keinem Medienvertreter einen Blick in ihre Privatsphäre gestattet hatten.
»Seit wann begnügen wir uns mit simplen Homestorys?«, hakte sie nach.
Paul Jaschke grinste. »Wer sagt, dass wir das tun? Zunächst einmal spannen wir die Magier vor den Karren. In jeder Vorstellung, die sie geben, wird ein Marketingteam von Zehlendorf Media anwesend sein, es werden große Transparente in den Hallen hängen.«
»Werbung also.« Stella schürzte die Lippen.
»Mehr noch. Ich möchte, dass du die beiden besuchst und ihr Geheimnis ergründest.«
»Du willst wissen, ob die Gerüchte, sie seien schwul, stimmen?«
Jaschke setzte ein Pokerface auf. »Das auch. Aber es gibt irgendein Geheimnis in ihrem Haus.«
»Und jetzt?«
»Finde es heraus, Stella. Sonst lassen sie keine Pressevertreter in ihr Domizil, und wir haben jetzt die einmalige Gelegenheit, über die Kooperation einen Blick in ihr Haus zu werfen. Wenn wir das Geheimnis lüften, sind wir vorn, Stella, ganz weit vorn.«
»Das ist ein linker Zug, Paul.«
Er fuchtelte mit der Hand in der Luft herum und schüttelte den Kopf. »Würde ich so nicht sagen, Schätzchen.«
Hatte er sie eben Schätzchen genannt? Stella wusste nicht, was mit dem Herausgeber der »Trend it« los war.
»Es hat nichts mit seriösem Journalismus zu tun«, beharrte sie.
»Wer sagt, dass ein Trendmagazin immer seriös sein muss?«
»Ist das nicht der Anspruch deines Schwiegervaters?«
»Robert Zehlendorf ist Zeitungsmensch der alten Schule«, erwiderte Jaschke sichtlich genervt. »Die neuen Zeiten hat er nicht mehr auf dem Schirm. Das Leseverhalten der Menschen da draußen …« – er deutete mit dem Daumen über die Schulter durch das bodentiefe Fenster seines Büros – »… die Menschen wollen immer mehr erfahren und die Grenzen zu den einst unerreichbaren Promis schmelzen durch die sozialen Netzwerke schneller als die Polkappen. Warum also sollen wir nicht auch für etwas mehr Transparenz sorgen?«
»Diese beiden Magier laden uns für eine Homestory ein und du willst sie linken?« Stella schüttelte den Kopf.
»Nein.« Jaschke schüttelte den Kopf. »Du wirst sie besuchen und dich sehr aufmerksam in ihrem Haus umsehen und umhören. Mehr nicht.«
»Und wenn ich kein Geheimnis lüften kann?«
»Dann kommst du