Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz. Ödön von Horváth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ödön von Horváth
Издательство: Bookwire
Серия: Reclams Universal-Bibliothek
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783159617077
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      ELISABETH (lügt). Ich kenne sie nicht.

      SCHUPO. Weil sie uns so anstarrt.

      ELISABETH. Vielleicht verwechselt sie uns. Man verwechselt doch leicht einen Menschen.

      SCHUPO. Das schon. Zwar wenn ich als Staatsgewaltsorgan zwei Menschen miteinander verwechseln tät -- das wär nicht gut für meine Karriere.

      ELISABETH. Ist das bei Ihnen wirklich so streng?

      SCHUPO. Sehr. Und oft schon direkt ungerecht. Ist Ihnen denn kalt, weil Sie mit die Zähn so klappern?

      ELISABETH. Ja.

      SCHUPO. Sehr?

      ELISABETH. Ziemlich.

      SCHUPO. Ich tät Ihnen schon gern meinen Mantel umhängen, ich brauch ihn nämlich nicht, aber das ist mir verboten.

      ELISABETH (lächelt). Der Mantel ist halt immer im Dienst.

      SCHUPO. Pflicht ist Pflicht.

      ELISABETH. Kommens, hier zieht es so grausam -- (langsam ab mit dem Schupo).

      [39]Szene Nummer 19

       Jetzt verlassen der Herr Amtsgerichtsrat wieder das Wohlfahrtsamt.

      FRAU AMTSGERICHTSRAT (plötzlich klatschsüchtig). Du August -- dort drüben geht das Fräulein von der Prantl, das war doch der Betrugsfall mit dem Versicherungsinspektor und Zollinspektor.

      AMTSGERICHTSRAT. Keine Ahnung!

      FRAU AMTSGERICHTSRAT. Aber Du hast sie doch verurteilt --

      AMTSGERICHTSRAT. Möglich!

       (Stille.)

      FRAU AMTSGERICHTSRAT. Dass Du ihr aber keine Bewährungsfrist gegeben hast, das war ungerecht von Dir --

      AMTSGERICHTSRAT (wütend). Kümmere Dich um Deine eigenen Ungerechtigkeiten, Hermine!

       (Dunkel.)

      -------------

      [40] Viertes Bild

      Szene Nummer 1

       Schauplatz: Elisabeths möbliertes Zimmer .

       Der Schupo (Alfons Klostermeyer) liegt in Unterhosen im Bett und döst vor sich hin. Elisabeth kocht Café und betrachtet ab und zu die weissen Herbstastern , die in einer Vase neben dem Spirituskocher stehen. Draussen scheint die Oktobersonne, aber die Gardinen sind halb heruntergelassen und das Ganze ist ein Bild des glücklichen Friedens zweier liebender Herzen.

      Szene Nummer 2

      ELISABETH (riecht an den weissen Herbstastern). Wie lang, dass die sich halten. Schon fünf Tage. Das hätt ich jetzt aber ursprünglich nicht gedacht, dass Du mir weisse Herbstastern kaufen wirst.

      SCHUPO. Mir hat das sofort eine innere Stimme gesagt.

      ELISABETH. Trotzdem.

      SCHUPO. Hast gedacht, so ein schneidiger Schupo, das ist ein leichtlebiger Falter? Der möchte nur eine mit viel Geld? Weit gefehlt! Ich schätze eine Frau höher ein, die von mir abhängt, als wie umgekehrt. Krieg ich noch ein Küsschen?

      ELISABETH. Ja.

      SCHUPO. Ist der Café bald fertig?

      ELISABETH. Sofort.

      SCHUPO (nimmt die Kopfhörer vom Nachtkastl und legt sie sich an). Stramm! Schneidig - (er summt den Radetzkymarsch mit, den die Militärmusik im Radio gerade spielt).

      ELISABETH. Du Alfons -- gestern abend war das eine wunderbare Opernübertragung. Aida.

      [41]SCHUPO (legt die Kopfhörer wieder auf das Nachtkastl). Hast mich also gar nicht vermisst?

      ELISABETH. Aber Alfons!

      SCHUPO. Krieg ich noch ein Küsschen?

      ELISABETH. Hier hast den Café --- (sie bringt ihm eine Tasse). Und hier hast das Küsschen -- (sie gibt es ihm und setzt sich auf den Bettrand).

      SCHUPO (geniesst den Café). Ich bin ja nur froh, dass es schon heute ist. Ständig erhöhte Alarmbereitschaft -- gut, dass die blöden Wahlen vorbei sind! Erst vorgestern nacht habens wieder einen Kameraden von mir erschossen.

      ELISABETH. Es müssen halt immer viele Unschuldige dran glauben.

      SCHUPO. Das lässt sich nicht umgehen in einem geordneten Staatswesen.

      ELISABETH. Das seh ich schon ein, dass es ungerecht zugehen muss, weil halt die Menschen keine Menschen sind - aber es könnt doch auch ein bisschen weniger ungerecht zugehen.

      SCHUPO. Also das ist Philosophie. Was gefällt Dir eigentlich an mir?

      ELISABETH. Alles.

      SCHUPO. Aber welches Wort würde denn am besten zu mir passen?

      ELISABETH. Ich weiss es nicht.

      SCHUPO. Geh das wirst Du doch wissen!

      ELISABETH. Du hast Dich etwas verändert, Alfons. Früher warst Du trauriger.

      SCHUPO. Wie das?

      ELISABETH. Halt melancholischer.

      SCHUPO. Oh das bin ich jetzt auch noch! Das wäre ja gelacht!

      ELISABETH. Entschuldige -- (sie erhebt sich).

      SCHUPO. Wohin? Ach so. Tu Deinen Gefühlen nur kein Korsett an.

      [42]ELISABETH (schrickt etwas zusammen, scharf). Wieso Korsett?

      SCHUPO (überrascht). Warum?

       (Stille.)

      ELISABETH (lächelt). Entschuldige bitte, aber ich bin heut halt etwas nervös -- (sie verschwindet).

      Szene Nummer 3

      SCHUPO (allein). -- melancholisch? Noch melancholischer? -- Wieso noch melancholischer?

      Szene Nummer 4

      ELISABETH (erscheint wieder).

      SCHUPO. Das hat aber lang gedauert.

      ELISABETH. Lang?

      SCHUPO. Doch nichts besonderes?

      ELISABETH. Bitte werde deutlicher.

      SCHUPO. Ich hab nämlich immer achtgegeben.

      ELISABETH. Ach so.

      Szene Nummer 5

       Jetzt klopft es an der Türe. Die zwei liebenden Herzen lauschen -- abermals klopft es, und zwar entschiedener.

      SCHUPO. Pst! Niemand zu Hause.

      ELISABETH. Wer kann das sein?