Gefahr für Burg Bentheim. Mathias Meyer-Langenhoff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mathias Meyer-Langenhoff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783960741619
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      „Teichmann ist und bleibt ein unsympathischer Zwerg“, flüsterte Doro und verdrehte die Augen.

      So war er, der kleine Doktor. Zwar hatte die Klasse Respekt vor ihm, aber bis auf Kalle, der manchmal von den anderen wegen seiner Leseleidenschaft nur Seitenfresser genannt wurde, gab es niemanden, der ihn wirklich leiden konnte.

      „Also, denkt dran, bitte gleich kein Geschiebe vor dem Bus und nehmt was zum Schreiben mit!“, rief Teichmann, als es klingelte. Er packte seine Tasche und sah kopfschüttelnd auf die Schülertraube vor der Klassentür.

      Im Treppenhaus herrschte großes Gedränge, alle waren froh, die erste Doppelstunde überstanden zu haben.

      „Was war denn jetzt wirklich mit dir los?“, nuschelte Doro. Seit Doro eine Zahnspange trug, konnte selbst Lotte sie manchmal schlecht verstehen.

      „Gestern Abend war noch Fußball, Pokalendspiel, hat total lange gedauert“, grinste Lotte, „ich glaube es war zwölf, als ich im Bett lag.“

      Als die Mädchen den Ausgang des Schulhofs erreichten, stand der Bus schon an der Haltestelle. Zischend öffneten sich die Türen.

      „Langsam, langsam!“, rief der Fahrer den Schülern entgegen, die wie eine Horde Jungtiere hineinstürmten und sich um die hinteren Plätze stritten. Lotte und Doro erkämpften sich einen Sitz in der Mitte des Busses. Als Doro sich umdrehte, wurde sie knallrot, hinter ihnen saß Tom Teune, ein großer, blondhaariger Junge, der noch dazu unerhört gut aussah. Bei seinen Mitschülern war er ziemlich beliebt, nur die Lehrer kamen nicht besonders mit ihm aus, was aber durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte. Er lächelte. Genau dieses Lächeln ließ Doro dahinschmelzen, sie versuchte ihre Zähne im Augenblick lieber zu verstecken. Es sollte nicht jeder sofort sehen, dass sie eine Art Blitzableiter im Mund trug. Unauffällig trat sie Lotte auf den Fuß und deutete vorsichtig nach hinten.

      „Was ist? Ach so, alles klar“, flüsterte Lotte, „dein Schatz sitzt hinter uns, jetzt könntest du ihn doch mal anquatschen.“

      „Bist du verrückt?“ Doro merkte genau, dass sie schon wieder einen roten Kopf bekam. „Der versteht mich sowieso nicht, außerdem findet er mich bestimmt langweilig“, sagte sie.

      „Woher willst du das wissen, hast du ihn gefragt?“

      Doro antwortete nicht. Sie dachte an Alica, die Neue in der Klasse. Die war total cool und fast alle Jungs fuhren auf sie ab. Am liebsten würde sie so sein wie sie, aber manchmal ging ihr Alica mit ihrem „Hallo – hier – bin – ich“-Gehabe ganz schön auf die Nerven.

      Kurz vor Bad Bentheim ließ sich Teichmann vom Fahrer das Bordmikrofon geben. „Jetzt bitte mal zuhören! Wir sind gleich da und werden unten vor der Burg auf dem Parkplatz aussteigen. Ich möchte, dass ihr einigermaßen gesittet nach oben geht, der Burgführer wartet am Eingang, von euch erwarte ich Aufmerksamkeit und Disziplin!“

      Doro zuckte zusammen, Teichmann sprach das S und das Z in seinem Lieblingswort Disziplin so scharf aus, als wollte er jemanden damit zerteilen. Sie gingen am Sandsteinmuseum vorbei und auf der steilen Kopfsteinpflasterstraße, der Funkenstiege, bergauf. „Guckt mal, die Burgmauern sind fast sechs Meter hoch.“ Kalle drängelte sich keuchend zwischen Lotte und Doro und zeigte nach oben.

      „Ach ja? Bestimmt willst du uns auch noch erklären, wann die Burg gebaut wurde oder vielleicht interessante Anmerkungen zu dem Steinlöwen da machen?“, antwortete Lotte.

      „Klar, wenn euch das interessiert. Das hier ist die Westseite der Burg, sie wurde …“

      „Kalle, merkst du noch was? Das war ein Scherz. Gleich erzählt doch alles der Burgführer, also halt die Klappe!“ Lotte sah ihn ärgerlich an.

      „Und warum fragst du mich dann?“, antwortete Kalle beleidigt. Die Mädchen verdrehten die Augen.

      Inzwischen waren sie auf dem Berg angekommen und liefen an der Burgmauer entlang zum unteren Tor. Kalle ließ sich zurückfallen, es war ihm ein Rätsel, warum sie sich für die Burg überhaupt nicht zu interessieren schienen. Er fand das alles atemberaubend spannend, mit Geschichte konnte er sich stundenlang beschäftigen, und genau deshalb war der kleine Doktor auch sein absoluter Lieblingslehrer.

      Teichmann blieb an einem großen Baum stehen, der kurz vor dem unteren Burgtor auf einer Wiese stand. Mit der rechten Hand strich er die lange Haarsträhne aus dem Gesicht, die eigentlich seine Glatze verdecken sollte. „Das ist übrigens die Gerichtslinde“, erklärte er, „hier fand im Mittelalter das Dorfgericht statt.“

      „Aber es gab keine harten Urteile, habe ich gelesen, denn der Baum heißt ja Linde. Und lind heißt mild“, meldete sich Kalle. Dabei blickte er stolz in die Runde. Die anderen waren nicht besonders beeindruckt, nur Teichmann schien begeistert.

      „Richtig, Kalle, sehr gut. Weißt du auch, was hier verhandelt wurde?“

      „Nein, keine Ahnung“, er zuckte bedauernd mit den Schultern.

      „Mensch, Kalle, das weißt du nicht? Da wirst du mir ja sofort sympathischer.“ Tom schlug ihm anerkennend auf die Schulter.

      „Für diese dumme Bemerkung, lieber Tom, wirst du bis zur nächsten Stunde einen kleinen Aufsatz schreiben. Titel: Wie ich mich gegenüber Mitschülern zu verhalten habe!“, sagte Dr. Teichmann streng.

      „Wenn du willst, kann ich dir helfen“, flüsterte Kalle.

      „Idiot!“, grinste Tom.

      „Jetzt hört schon auf!“, versuchte Lotte die beiden Streithähne zu beruhigen.

      „Ist ja gut, ich hab’s nicht so gemeint.“

      Mit ironischem Lächeln wischte Tom seinem fast einen Kopf kleineren Mitschüler über die braunen Haare. Ärgerlich schlug Kalle ihm die Hand weg.

      „Jetzt wollen wir mal zurück zur Sache kommen“, ergriff Teichmann wieder das Wort. „Es konnte zum Beispiel sein, dass ein Bäcker hier an den Schandpfahl gebunden wurde, weil er ein Zweipfundbrot als ein Dreipfünder verkauft hatte, um mehr Gewinn zu erzielen. Alle, die vorbeikamen, hatten dann das Recht ihn zu beschimpfen. Das wäre für Schüler, die bei Klassenarbeiten mogeln, übrigens auch nicht schlecht.“

      „Und für Lehrer erst“, sagte Lotte böse.

      Teichmann hob die linke Augenbraue. „Vielleicht solltest du nach heute Morgen nicht ganz so vorlaut sein“, antwortete er. „Weiter!“ Er drehte sich abrupt um und marschierte an der sogenannten Pferdetränke vorbei, einem kleinen Gewässer direkt an der Mauer. Dann ging er durch das untere Burgtor zum Innenhof hinauf.

      „Halt dich lieber zurück“, warnte Doro.

      „Warum? Der nimmt doch auch keine Rücksicht“, maulte Lotte. Dass sie ihren Lehrer jetzt nicht weiter reizen durfte, war auch ihr klar.

      An einem großen Steinbottich im Innenhof erwartete sie bereits der Burgführer, ein gemütlich aussehender, älterer Herr mit Kugelbauch. „Moin, ich bin Franz Somberg und soll euch was über die Burg erzählen. Euer Lehrer hat mir gesagt, ihr beschäftigt euch gerade mit dem Mittelalter. Wer war denn schon mal hier?“

      Fast alle hoben die Hand.

      „Ich hab auch eine Führung mitgemacht“, sagte Kalle, „gehen Sie mit uns in den Folterkeller?“

      „Komisch, danach werde ich immer als Erstes gefragt“, schmunzelte der Burgführer, „alle wollen in den Pienigekeller“.

      „Plattdeutsch für Peinigungskeller“, warf Kalle ein.

      Lotte stieß ihn an. „Spinnst du eigentlich? Hör doch mal mit deiner Angeberei auf. Warum musst du immer so übertreiben?“

      Kalle biss sich auf die Lippen. Er wollte wirklich kein Streber sein, aber wenn er etwas wusste, rutschte es ihm einfach heraus.

      Doro hörte kaum zu, sie dachte die ganze Zeit darüber nach, wie sie Tom möglichst unauffällig