»Einen wunderschönen guten Abend. Ich bin Caroline und gehöre zum neuen Team. Zum einen wollte ich mich vorstellen und zum anderen bin ich am Verdursten.« Ich blickte ihm auffordernd in die Augen.
Na also, ging doch. In dem soeben noch verkniffenen Gesicht vollzog sich eine positive Wandlung. Die schwarzen Augen unter dem Lockenschopf wurden kurzfristig etwas größer, dann verzog sich der Mund zu einem Lächeln.
»Zum einen freut mich das sehr und zum anderen wollen wir doch schnell für Abhilfe sorgen. Ich bin Lucio, hola Caroline.« Er streckte mir eine schlanke Hand entgegen und drückte meine sympathisch kräftig.
»Schön, dich kennenzulernen, Lucio. Aber mal im Ernst, guckst du immer so finster aus der Wäsche?«
Lucio zog eine lustige Grimasse. »Eigentlich nicht. Aber sieh dich doch um. Hier herrscht eine dermaßen komische Stimmung, dass einem das Lachen vergeht.«
Ich folgte seinem Blick und musste ihm wohl oder übel zustimmen.
»Hat was. War das schon immer so?«
»Nein, erst seit ein paar Wochen, als der Chef so viele gefeuert hat, um seine eigenen Leute reinzubringen. Die scheinen zu denken, dass das hier ihr privates Hotel ist. Hast du dir die Show angesehen? Also ich war zuvor in Playa de las Américas auf Teneriffa. Jaime hätte das Team dort auf der Stelle rausgeworfen, wenn es gewagt hätte, solche Qualität abzuliefern.« Er stupste mir leicht gegen den Arm. »Aber ich mache mir eher Sorgen um dich. Wie war das mit dem Verdursten?«
Ich lächelte ihn dankbar an. »Stimmt, da war etwas. Könnte ich bitte zuerst einmal kalte Milch mit Licor 43 haben und dann eine Flasche Mineralwasser?«
»Mit dem größten Vergnügen. Ihr seid heute angekommen, oder? Euer Ruf eilt euch voraus. Die alte Belegschaft setzt große Hoffnung in euch, ich hoffe, ihr wisst das?«
»Wissen wir, und wir werden alles tun, um euch nicht zu enttäuschen. Kommst du morgen früh um zehn Uhr auch zum Meeting?«
Lucio krauste die Nase, was ausgesprochen nett aussah. »Uns hat mal wieder keiner was gesagt. Eigentlich muss ich erst um zwölf da sein, aber das lasse ich mir nicht entgehen. Wo denn?« Er kippte einen guten Schuss Likör in die Milch und hielt mir das Glas grinsend entgegen. »Lass es dir schmecken.«
Zweifelnd blickte ich auf die Mischung. »Danke, aber ich glaube, das trinke ich im Apartment, denn bei dem Mischungsverhältnis weiß ich nicht, ob ich anschließend noch dorthin finde. Und wegen morgen: Das Treffen ist im Restaurant, im Teambereich.«
Er sah mich mit großen Augen an. »Im Ernst? Wir dürfen in das Allerheiligste? Ich sehe schon, es brechen neue Zeiten an.«
Schmunzelnd griff ich nach der Flasche Mineralwasser, die er mir entgegenhielt. »Darauf kannst du dich verlassen.«
»Sollte mich und die anderen freuen. Gute Nacht, Caroline.«
»Cara, mich nennen alle nur Cara, also du auch … und keine doofen Randbemerkungen.«
Lucio lachte schallend. »Ich werde mich zurückhalten. Schlaf gut, Cara.«
»Danke.« Ich wandte mich um und sah, wie Fernando, die Hände in den Taschen seiner ausgewaschenen Jeans versenkt, auf die Bar zusteuerte. »Hey, Lucio, dir wird nicht langweilig werden. Da kommt Fernando. Ich ahne schon jetzt, dass ihr viel Spaß zusammen haben werdet. Er hat es faustdick hinter den Ohren.«
Nando war bei uns angelangt und schüttelte anklagend den Kopf. »Cara, meine Ernsthaftigkeit und meine Seriosität suchen ihresgleichen, also keine falschen Anschuldigungen, bitte.«
Ich drehte mich grinsend zu Lucio um. »Nutz es aus, so lange er Seriosität noch problemlos aussprechen kann.«
Fernando schaffte es, mich zu umarmen, ohne dass ich meinen Drink verschüttete, dann trollte ich mich und überließ die beiden ihrem Schicksal. Im Davongehen hörte ich Lucios fröhliche Stimme. »Also echt, Leute, ich glaub, ich mag euch.«
Wieder in meinem neuen Refugium angelangt, machte ich den Kühlschrank an, legte das Mineralwasser hinein und sah mich um. Ein Anfang war gemacht. Eilig schlüpfte ich in mein Schlafshirt. Ich angelte in meiner Umhängetasche nach meinem Feuerzeug, nahm meinen Cocktail und ging auf den Balkon. Die beiden Stühle waren dankenswerterweise mit Polstern bestückt und daher ziemlich bequem.
Ich kickte meine Stiefel von den Beinen und legte die Füße auf der Balkonbrüstung ab. Vorsichtig trank ich einen Schluck meines kühlen Getränks. Es war mehr oder weniger eine Eins-zu-eins-Mischung, schmeckte aber nichtsdestotrotz sehr lecker. Seufzend zündete ich mir eine meiner Marlboro Lights an und entspannte mich zum ersten Mal an diesem langen Tag. Eine halbe Stunde später waren mein Glas leer und zwei Zigaretten geraucht. Das Rauschen des Meeres, auf dessen vom Mond beschienene Wogen mein Balkon mir freien Blick gewährte, hatte eine einschläfernde Wirkung. Ich verzog mich nach drinnen, putzte mir müde die Zähne und wollte soeben die Balkontür schließen, als von nebenan ein dunkler Schatten heranhuschte und direkt vor mir stehen blieb.
»Carlos! Bist du lebensmüde? Wir haben vorne eine Tür, das weißt du, oder?«
Er grinste nur. »Lebensmüde? Im ersten Stock? Cara, traust du mir gar nichts mehr zu?«
Mein Seelenfreund trug nur eine schwarze Schlafanzughose aus Wildseide und sein strahlendes Lächeln. Sein langes Haar war noch leicht feucht von der Dusche und er duftete wundervoll nach seiner Moschuslotion. Liebevoll schob er mich zurück ins Zimmer und schloss die Balkontür.
»Du glaubst doch wohl nicht, dass ich in der ersten Nacht in der Fremde allein schlafe?«
Prustend lachte ich los. »Fremde?«
»Na ja, immer eine Sache des Standpunktes, mi vida. Und jetzt ab ins Bett mit uns, morgen wird ein anstrengender und langer Tag.«
Ehe ich reagieren konnte, nahm er mich auf die Arme, trug mich zu meinem Bett und setzte mich sanft darauf ab. Ich krabbelte unter die Decke. Er folgte mir auf dem Fuße, knipste die Lampe auf der Kommode aus, drehte sich zu mir um und nahm mich in die Arme.
»Willkommen auf Lanzarote, mi corazón.«
2.
»Raus aus den Federn.«
»Dazu müsstest du mich aber loslassen.«
»Das ist der Punkt, an dem ich ins Grübeln komme.«
Lachend wand ich mich aus Carlos‹ Armen, zumindest versuchte ich es, denn er hielt mich eisern fest. »Wie spät ist es denn?«
»Gleich halb neun, wenn dein rosa Monster richtig geht.«
»Wie lange brauchen wir, um zu duschen und ins Restaurant zu kommen?«
Sein Griff wurde noch fester. »Zwanzig Minuten.«
Ich schlang meine Arme um ihn. »Zehn Minuten kuscheln.«
»Na also, schon viel besser.«
»Carlos, glaubst du, wir bekommen das hier geregelt?«
Er spielte gedankenverloren mit meinen Haaren und küsste mich auf die Stirn. »Natürlich. Wir sind Profis, im Gegensatz zu den Clowns, die von sich behaupten, sie wären es.«
Seufzend fuhr ich über sein gut definiertes Sixpack. »Ja, eigentlich hast du Recht.«
Carlos legte seinen Zeigefinger unter mein Kinn und hob es ein wenig an, sodass er mir in die Augen sehen konnte. »Abgesehen davon habe ich hier ein gutes Gefühl. Die Anlage ist wirklich schön, die Sportplätze ausgesprochen gut angelegt, und wenn wir das Chaos im Griff haben, wirst du die Restaurants nicht wiedererkennen. Wir können in dieser Anlage wirklich etwas bewegen, und ich freue mich auf das Resultat.«
Ich nickte. »Ja, und vor allem möchte ich Jaime nicht enttäuschen. Er bringt uns viel Vertrauen entgegen und zahlt auch noch verflixt gut.«
Carlos seufzte leise, während er seine Nase in meine Haare steckte. »Wir werden ihn nicht enttäuschen.