Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman. Marisa Frank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marisa Frank
Издательство: Bookwire
Серия: Fürstenkrone
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740951405
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all das, was man einem wehrlosen und unerfahrenen jungen Mädchen angetan hatte, daß er einfach für sich sein wollte, um das erst einmal ganz zu begreifen.

      Er war entschlossen, Angelina zu helfen. Selbst gegen ihren Willen. Es war Ansgar längst klar, daß er sich Hals über Kopf in dieses schöne Mädchen verliebt hatte, das so verängstigt war und deshalb vorgab, kalt und gefühllos und abweisend zu sein.

      Aber auch, wenn sie seine Gefühle nicht erwidern sollte, was durchaus möglich war – so viel älter, wie er war –, er würde alles tun, damit sie zu ihrem Recht kam.

      Während er noch überlegte, wie er beginnen und wen er als erstes anrufen sollte, fiel ihm ein, daß der Gärtner von der Oberin des exklusiven Mädcheninternats gesprochen hatte. Vielleicht war es nicht schlecht, sich erst einmal an sie zu wenden. Besonders nach dem Gerücht, das die gewissenlose Mutter Angelinas ausgestreut hatte.

      Er ließ sich von seiner Sekretärin verbinden.

      Eine freundliche Frauenstimme erkundigte sich nach seinen Wünschen.

      »Ich muß dringend die Mutter Oberin sprechen. Mein Name ist Hohenried.«

      »Sie wollen eine Tochter anmelden?«

      »Nein!« rief er ungeduldig.

      »Bitte, Sie müssen mir den Grund Ihres Anrufs nennen«, bestand die Stimme darauf, immer noch freundlich.

      »Ich rufe wegen Komteß Angelina von Sternheim an«, sagte er, etwas unwillig.

      »Einen Augenblick.« Sekunden später meldete sich eine andere Frauenstimme, tiefer und merklich älter als die erste und nicht freundlich, sondern aufgeregt.

      »Was ist mit Angelina?« fragte sie. »Mein Gott, ich habe so oft vergeblich versucht, mit dem Kind Kontakt aufzunehmen.«

      Ansgar stellte sich nun nochmals telefonisch vor und berichtete dann, wie er Angelina begegnet sei und was er über den treuen ehemaligen Gärtner der Sternheims erfahren habe.

      Die Oberin war sprachlos. Schließlich sagte sie:

      »Diese Frau ist eine Teufelin! Ihr eigenes Kind zu betrügen und zu bestehlen. Und nicht genug – von Schwachsinn zu reden.«

      Sie berichtete, daß Angelina sie nur ein einziges Mal besucht hatte, offensichtlich weggeschickt am Hochzeitstag ihrer Mutter, und daß sie seitdem nichts mehr von ihr gehört oder gesehen hatte.

      »Sie hat auf keinen meiner Briefe geantwortet, auf keinen Telefonanruf reagiert. Dabei hatten wir alle sie ins Herz geschlossen. Sie war ein besonders kluges und begabtes Mädchen.«

      »Und ihr Gebrechen?« fragte Ansgar nun doch.

      »Ach das! Sie war eine erstklassige Reiterin. Hohe Schule ebenso wie Springen. Sie schwamm auch gern und viel. Sogar beim Geräteturnen machte sie mit. Eben alles, wo ihr etwas zu kurzes Bein nicht störte. Und nicht zuletzt spielte sie hervorragend Klavier. Ich hatte bei ihr sogar an eine Karriere als Konzertpianistin gedacht, aber nach allem, was Sie mir erzählen, hatte sie wohl keine Möglichkeit, sich irgendwie weiterzubilden.«

      »Ich fürchte, Sie haben recht«, stimmte Ansgar bedauernd zu. »Aber Sie sollten sehen, was für Wunder sie in ihrem Blumengeschäft vollbringt. Ihre Dekorationen sind märchenhaft.«

      »Das glaube ich gern«, meinte die Oberin, über seine Begeisterung lächelnd. »Blumen passen zu ihr.« Und weil er nichts darauf sagte, fragte sie, von weiblicher Neugierde getrieben, vor der auch eine Klosterfrau nicht gefeit ist: »Ist Angelina noch immer so schön?«

      »Wunderschön«, erwiderte ihr Anrufer spontan. »Ich habe noch nie ein so schönes Mädchen gesehen.«

      Einen Moment schwieg die Oberin. Dann begann sie vorsichtig:

      »Ich habe Angelina sehr in mein Herz geschlossen. Wie alle hier, die sie kannten. Sie ist mir wie eine Enkeltochter. Darum mißverstehen Sie mich nicht, wenn ich Sie nun frage: Geht Ihr Interesse an Angelina noch weiter?«

      Ansgar zögerte einen Moment, dann sagte er leise, seine Stimme klang rauh: »Sehr weit.«

      »Sie wollen ihr helfen, daß sie ihr Erbe wieder erhält?«

      Ansgar räusperte sich.

      »Nicht nur das. Ich möchte auch aller Welt beweisen, daß es sich um ein böses Gerücht handelt, was ihre geistige Behinderung angeht. Ob Sie mir dabei helfen können?«

      »Gerne. Jederzeit. Ich werde nicht nur selbst eine Bestätigung der hohen Intelligenz des Mädchens schreiben. Ich werde auch unseren alten Schularzt, der sich garantiert gut an Angelina erinnert – so ein Mädchen vergißt man nicht so leicht – darum bitten, mir ein entsprechendes Gutachten auszustellen.«

      »Das wäre wunderbar. Vielen Dank!« Ansgar gab der Oberin seine Anschrift und Adresse und die Telefonnummer des Blumengeschäftes ›Rosengarten‹.

      »Ich besuche Angelina, sobald ich von hier weg kann. Wenn möglich, schon am kommenden Wochenende«, versprach die Oberin. Und dann fragte sie mit einem kleinen Lachen: »Ist das alles? Andere Interessen haben Sie nicht?« Und als Ansgar schwieg: »Sie müssen mir nichts sagen. Verzeihen Sie die Neugierde einer alten Frau, die sich Glück und Liebe für ein Mädchen wünscht, das es so bitter schwer hat und es so sehr verdient.«

      Ansgar räusperte sich, dann sagte er:

      »Doch, ich wünsche mir noch weit mehr. Ich meine, das Geld interessiert mich nicht. Ich habe selbst genug. Aber Angelina! Ich würde sie gern heiraten, aber sie läßt sich ja nicht einmal zum Essen einladen. Sie läßt sich nicht einmal sehen. Es ist – es kann natürlich sein…«

      »Ja?« fragte die Oberin gespannt.

      »Vielleicht bin ich ihr zu alt. Sie ist erst Anfang Zwanzig und ich bin immerhin schon fünfunddreißig.«

      Auf diese Aussage hin drang helles, geradezu jungmädchenhaftes Gelächter durch das Telefon.

      »Mein lieber Herr von Hohenried«, sagte die Oberin, nachdem sie sich wieder beruhigt hatte. »Sie werden sich doch jetzt nicht auch noch unbegründete Komplexe zulegen?«

      Ansgar mußte über sich selbst schmunzeln.

      »Sie haben recht. Vielleicht ist es in diesem Fall ganz gut, daß ich ein wenig älter bin.«

      »So, das klingt schon besser«, fand die Klosterfrau. »Ich glaube, Sie wissen gar nicht, wie sehr ich mich über Ihren Anruf gefreut habe. Und wie sehr sich alle mit mir freuen werden, die Angelina noch gekannt haben. Ich kann mich doch darauf verlassen, daß, wann immer Sie Hilfe oder Rat brauchen oder mir auch nur irgendwelche Neuigkeiten mitteilen wollen, Sie mich anrufen werden?«

      »Ich verspreche es«, versicherte Ansgar. »Und ich würde mich freuen, wenn wir uns auch persönlich kennenlernen würden. Sie sind als Gast jederzeit auf Hohenried willkommen.«

      »Vielen Dank. Das ist sehr freundlich. Vielleicht…« Er konnte ihr verschmitztes Lächeln nicht sehen, »besuche ich Sie einmal zusammen mit Angelina.«

      Nachdem die Mutter Oberin aufgelegt hatte, kniete sie sich auf ihren Betschemel, der in der Ecke ihres Büros vor einem schönen alten Kruzifix stand.

      »Danke«, flüsterte sie immer wieder, »danke! Und wenn dieser Mann der Richtige für Angelina ist, lasse sie zusammenfinden.« Denn obgleich die Oberin promovierte Chemikerin war, glaubte sie nicht nur an die Geschichte von der passenden Chemie, sondern vor allem daran, daß glückliche Ehen im Himmel geschlossen werden.

      Ansgar aber legte nur kurz auf, um sofort seinen Freund und Familien-Anwalt anzurufen, wobei es sich freilich nicht um den Society-Anwalt Herrenberg handelte. Er vereinbarte mit ihm einen Termin in einer äußerst dringenden Angelegenheit.

      Der Rat, den er erhielt, gefiel ihm übrigens ausgezeichnet.

      *

      »Du willst diese grauenhaften Herrenbergs einladen?« fragte seine Mutter ungläubig, als er die Namen der ganzen Familie Herrenberg, einschließlich des Grafen von Holsten auf