Darüber hinaus ist die Webseite als immateriell zu qualifizieren, denn der für die Speicherung der Webseite erforderliche körperliche Teil – bspw. der Datenserver – dient, ähnlich wie bei einer auf einer CD-ROM abgespeicherten Software, lediglich dazu, den immateriellen Wert festzuhalten und zu dokumentieren. Zu einem entsprechenden Ergebnis führt auch eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise. Die zur Bereitstellung der Speicherkapazität erforderlichen Aufwendungen treten bezüglich des Werts hinter die immaterielle Komponente zurück. Die Webseite ist ferner dem Anlagevermögen zuzurechnen. Sie wurde erstellt, um durch „eine auf mehrere Jahre angelegte Darstellung des Leistungsangebots“236 mehr Kunden anzusprechen und so die Umsätze zu steigern; mithin ist sie dazu bestimmt, dem Geschäftsbetrieb dauerhaft zu dienen.
II. Lösung nach IFRS
1. Anzuwendende Vorschriften
a) Anwendungsbereich von IAS 38
Der Ansatz eines immateriellen Vermögenswerts wird gemäß den IFRS insbesondere durch IAS 38 „Immaterielle Vermögenswerte“ geregelt. Danach müssen sowohl die Definition als auch die Bedingung zur Erfassung eines immateriellen Vermögenswerts in der Bilanz erfüllt sein. Darüber hinaus darf der Vermögenswert keine Ausnahme i.S.d. IAS 38.2 darstellen. Nicht in den Anwendungsbereich des IAS 38 fallen bspw. Vermögenswerte aus der Ausbeutung von Bodenschätzen i.S.d. IFRS 6 „Exploration und Evaluierung von Bodenschätzen“ sowie finanzielle Vermögenswerte i.S.d. IAS 32 „Finanzinstrumente: Darstellung“.
Ferner enthält das Rahmenkonzept des IASB allgemeine Ansatzkriterien für Vermögenswerte. Da das Rahmenkonzept selbst keinen IFRS darstellt, ist es den Regelungen der Einzelstandards stets nachgeordnet (RK.SP1.1). Trotz dieser „subsidiäre[n] Stellung“237 hat es aber faktische Relevanz, insbesondere bei der Auslegung unscharfer Einzelnormen sowie bei der Schließung von Regelungslücken (RK.SP1.1(b)).
Bezogen auf die Prüfung des Vermögenswertbegriffs bedeutet dies, dass primär die Regelungen des IAS 38 zu beachten sind. Viele Regelungen des IAS 38 stimmen mit dem Rahmenkonzept überein und vermitteln das Grundverständnis des IASB zum Vermögenswertbegriff. Aus diesem Grunde können auch die Regelungen des Rahmenkonzepts unterstützend herangezogen werden.
b) Anwendung auf den Fall: Prüfung des Domain-Namens hinsichtlich des Anwendungsbereichs von IAS 38
Der Domain-Name fällt weder unter die in IAS 38.2 abschließend aufgezählten Ausnahmen, noch ist er mit den Ausnahmen des IAS 38.3 inhaltlich vergleichbar. Es ist also im folgenden anhand der Definitions- und Ansatzkriterien des IAS 38 zu prüfen, ob der Domain-Name gemäß den IFRS als immaterieller Vermögenswert anzusetzen ist.
2. Ansatz eines immateriellen Vermögenswerts gemäß IAS 38
a) Allgemeine Definition eines Vermögenswerts
aa) Erwartung künftigen wirtschaftlichen Nutzens aufgrund von Ereignissen in der Vergangenheit
(1) Bedeutung und Konkretisierung des Kriteriums
Ein Vermögenswert wird in IAS 38 definiert als „eine in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehende Ressource, die ein Ergebnis von Ereignissen der Vergangenheit darstellt und von der erwartet wird, dass dem Unternehmen aus ihr künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufließt“ (IAS 38.8). Diese Definition verdeutlicht, dass zum Bilanzstichtag eine Ressource vorliegen muss, bloße Erwartungen oder Absichten hingegen nicht als Vermögenswert qualifiziert werden.238 Sinn und Zweck der Anknüpfung an vergangene Ereignisse ist die Abgrenzung bereits eingetretener Ergebnisse, Ereignisse oder Geschäftsvorfälle von grundsätzlich zukünftigen Geschäftsvorfällen oder Ereignissen.239
Ein weiteres Merkmal des Vermögenswerts ist die Erwartung des Zuflusses eines künftigen wirtschaftlichen Nutzens aus der Ressource (IAS 38.8). Dieses Definitionskriterium ist gemäß IAS 38.17 nicht nur durch den potenziellen Zufluss von Zahlungsmitteln bei dem Verkauf von Produkten oder der Erbringung von Dienstleistungen, sondern auch bei eigenen Kosteneinsparungen (z.B. durch Senkung der Herstellungskosten bei Eigennutzung von geistigem Eigentum in einem Produktionsverfahren) erfüllt. Schließlich sind gemäß IAS 38.17 auch „andere Vorteile, die sich […] aus der Eigenverwendung des Vermögenswertes ergeben“, ausreichend.240
Das Vorliegen von Ausgaben ist nach RK.4.18 (trotz „enge[r] Verknüpfung“) weder notwendige noch hinreichende Bedingung für die Erwartung künftigen wirtschaftlichen Nutzens; so kann auch ein geschenkter Vermögenswert zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen generieren. Ausgaben sind daher eher als „substanzieller Hinweis“, nicht jedoch als „schlüssiger Beweis“ für das Vorliegen von künftigem wirtschaftlichem Nutzen zu verstehen.
(2) Anwendung auf den Fall: Identifizierung des Ereignisses der Vergangenheit und Prüfung des Domain-Namens hinsichtlich des künftigen wirtschaftlichen Nutzens
Im vorliegenden Fall ist der Domain-Name dem Unternehmen durch eine zum Bilanzstichtag abgeschlossene Transaktion zugegangen und somit zweifelsfrei als ein Ereignis der Vergangenheit zu betrachten. Da der Domain-Name erworben wurde, um eine Präsenz im Internet zu schaffen, durch die mehr Kunden angesprochen werden können, lässt er den Zufluss künftigen wirtschaftlichen Nutzens in Form zusätzlicher Erlöse erwarten.
bb) Kriterium „Verfügungsmacht“
(1) Bedeutung und Konkretisierung des Kriteriums
Ein weiterer Bestandteil der Vermögenswertdefinition ist das Innehaben der Verfügungsmacht über die Ressource (IAS 38.8 und RK.4.3). Sinn und Zweck der Einschränkung der potenziellen immateriellen Vermögenswerte auf solche, die in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehen, ist die Objektivierung der Werthaltigkeit der Vermögenswerte für das Unternehmen.
Zentrale Voraussetzung für das Vorliegen der Verfügungsmacht ist die Kontrolle des künftigen wirtschaftlichen Nutzens aus dem Vermögenswert. Diese Kontrolle konkretisiert sich gemäß IAS 38.13 durch zwei Bedingungen, die kumulativ erfüllt sein müssen: Zunächst muss das Unternehmen die Macht haben, „sich den künftigen wirtschaftlichen Nutzen […]