Jetzt wurde er wirklich sentimental, der dröge Notar, denn er erklärte doch tatsächlich, und das im Brustton der vollen Überzeugung: »Nicht nur Fabian, mein Liebling, das große Los gezogen habe ich auch mit dir.«
Rosmarie war gerührt, konnte gar nichts darauf erwidern. Das war auch überhaupt nicht nötig, denn manchmal konnte man es auch fühlen, dass Liebe in der Luft lag.
*
Was Margret Fischer ihr gesagt hatte, ging Teresa nicht mehr aus dem Kopf. Und wieder einmal machte sie die Erfahrung, dass, wenn man ganz intensiv an etwas dachte, Dinge geschahen, zu einer Art Selbstläufer wurden.
Sie wollte Simone helfen, hatte jedoch keine Ahnung wie. Und so sehr sie auch darüber nachdachte, sie fand keine Lösung. Leider waren auch alle Bemühungen, andere Menschen einzuschalten, ins Leere gelaufen. Es war einfach so gut wie unmöglich, eine hübsche, aber dennoch bezahlbare Wohnung zu finden.
Diesmal hatte Teresa den Bus genommen, weil ihr Auto zur Wartung in der Werkstatt war. Das war glücklicherweise überhaupt kein Problem, weil es zwischen Hohenborn und Erlenried, dem Sonnenwinkel, eine ganz ausgezeichnete Verkehrsanbindung gab, nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, für die sogar ein Schulbus fuhr, und den auch die Erwachsenen schon mal benutzen konnten, wenn er nicht voll war.
Natürlich hätte Magnus sie sofort geholt und gebracht, doch das musste nun wirklich nicht sein.
Teresa hatte heute früher im Internat Schluss gemacht, irgendwie hatte sie sich nicht mehr auf die Arbeit, die ihr sonst immer unendlich viel Spaß machte, konzentrieren können.
Außerdem wollte sie nach Sophia sehen, die sich in letzter Zeit ziemlich rar gemacht hatte. Vielleicht litt sie ja mehr unter der Trennung von Angela, als sie wahrhaben wollte.
Um diese Zeit war der Bus ziemlich leer, Teresa hatte Zeit, Muße, sich die Landschaft anzusehen. Natürlich kannte sie alles, sie kannte es so gut, dass sie es zeichnen könnte. Aber dennoch nahm man verschiedene Dinge ganz anders wahr, als wenn man mit dem Auto vorüberraste.
Es war schon schön hier. Das stellte sie immer wieder fest, und sie konnte sich auch überhaupt nicht vorstellen, nochmals anderswo zu leben. Es war ja zudem ein ganz großes Privileg, die Familie gleich nebenan zu haben. Es ging ihr gut, sie konnte dem Schicksal sehr dankbar sein.
Sie war bester Laune, als sie im Sonnenwinkel ausstieg, es war nicht weit bis zu ihrem Haus. Noch immer in Gedanken wollte sie die Straße überqueren, als sie mit jemandem zusammenstieß. Sie blieb stehen, um sich zu entschuldigen, und da sah sie eine Frau vor sich, die sie schon lange nicht mehr gesehen hatte.
»Frau Steinhoff, das ist jetzt aber eine sehr angenehme Überraschung, Sie zu sehen. Ich dachte schon, Sie hätten unserem Sonnenwinkel den Rücken gekehrt. Bitte entschuldigen Sie vielmals, dass ich Sie so angerempelt habe.«
Hermine Steinhoff freute sich sehr, Teresa von Roth zu sehen, von der sie eine ganz hohe Meinung hatte.
»Ich war einige Zeit verreist, aber immer kann man nicht unterwegs sein, wenn man ein eigenes Haus besitzt. Da muss man schon mal nach dem Rechten sehen, nicht wahr? Ich hätte das Haus ja schon längst verkauft, doch irgendwie hänge ich daran. Mein Mann hat es mit eigenen Händen erbaut, und das bereits, ehe die schicken Architektenhäuser gebaut wurden, die ja auch einen Preis bekommen haben. Damit kommt mein Haus natürlich nicht mit, doch es erfüllt seinen Zweck, und mein Paul hat darauf geachtet, dass nur die besten Materialien verbaut wurden, da hat er an nichts gespart.« Sie seufzte. »Paul war ein sehr vernünftiger, sparsamer Mensch, er hat gleich zwei Wohnungen eingebaut, von denen eine nur kurz vermietet war. Und ehrlich gesagt, Frau von Roth, ich war froh, dass die Leute wieder ausgezogen sind. Die haben nichts als Ärger gemacht und waren laut.« Sie seufzte erneut. »Ich glaube, es ist sehr schwer, einen gescheiten Mieter oder eine Mieterin zu finden. Deswegen zögere ich auch, doch fände ich jemanden, dann könnte ich auch mehr verreisen. Es macht mir unendlich viel Spaß, das nachzuholen, was wir früher nicht konnten, weil das Geld dazu nicht vorhanden war. Paul und ich hatten es uns so schön ausgemalt. Dass ihn ein betrunkener Autofahrer zusammenfahren würde, damit konnte niemand rechnen. Ich gäbe alles her, wenn ich meinen Paul wieder an meiner Seite hätte. Ich kann mich nur damit trösten, dass wir niemals Streit hatten. Es wäre undenkbar, wenn wir uns verkracht hätten. So haben wir uns liebevoll verabschiedet, und dann …«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Frau von Roth, bitte entschuldigen Sie, ich will nicht jammervoll sein. Es ist ja auch schon so lange her. Zwischendurch überkommt es mich immer wieder. Vielleicht sind meine Reisen ja auch nur eine Flucht, weil ich die Einsamkeit, die Stille im Haus nicht ertragen kann.«
Teresa mochte Hermine Steinhoff sehr, und das nicht, weil sie eine eifrige Spenderin für das Tierheim war. Doch heute hörte sie ihr kaum zu, weil es in ihrem Kopf begann zu kreisen.
Im Haus Steinhoff stand eine Wohnung leer!
Das war ein Zeichen, ein Wink des Schicksals. Sie hatte Hermine Steinhoff treffen müssen, und es war nicht so, dass man nur zur falschen Zeit am falschen Ort sein konnte, das ging auch umgekehrt, nämlich, zum richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Eigentlich war der Termin in der Werkstatt für heute überhaupt nicht vorgesehen gewesen, sie hatte ursprünglich einen späteren Bus nehmen wollen.
Es hatte so kommen müssen!
Teresa wurde richtig aufgeregt, und das passierte nicht so leicht und nicht so oft.
»Frau Steinhoff, wenn Sie wirklich eine Wohnung vermieten möchten, ich hätte da jemanden für Sie …, eine sehr angenehme junge Frau. Sie arbeitet im Notariat Rückert, und, und sie hilft als Freiwillige auch im Tierheim aus. Frau Dr. Fischer ist total begeistert von Simone Rettinger. Sie sucht dringend eine Wohnung, weil ihr derzeitiger Vermieter Eigenbedarf angemeldet hat.«
»Frau von Roth, das hört sich gut an, und wenn Sie jemanden empfehlen, dann kann man Häuser drauf bauen.«
Jetzt bekam Teresa doch ein schlechtes Gewissen, Simone war kein unbeschriebenes Blatt, und es war auch keine Bagatelle, einen Drohbrief zu schreiben.
Weil sie nichts sagte, blickte Hermine Steinhoff sie ein wenig verunsichert an.
»Frau von Roth, stimmt was nicht?«
Sie musste sich zusammenreißen.
»Oh doch, alles bestens, ich frage mich jetzt nur, ob Frau Rettinger auch in den Sonnenwinkel ziehen möchte, derzeit wohnt und lebt sie in Hohenborn.«
Hermine Steinhoff machte ein enttäuschtes Gesicht, und deswegen rief Teresa: »Wissen Sie was, ich werde mit Frau Rettinger reden, sie fragen. Und wenn sie interessiert ist, kann sie sich für einen Besichtigungstermin bei Ihnen melden. Die Wohnung …, ist der Mietpreis hoch? Ich frage Sie das, weil die Mieten hier ja explodieren, seit dieses Neubaugebiet bald fertig ist. Man hat von den Preisen gehört, die man dort erzielen kann und glaubt sofort, das hier unten bei uns anpassen zu können.«
Hermine Steinhoff war erleichtert.
»Oh, Frau von Roth, wenn es darum geht, dann machen Sie sich mal keine Sorgen. Ginge es mir um das Geld, dann hätte ich längst schon wieder vermietet. Mir kommt es darauf an, jemanden zu finden, der vertrauenerweckend ist und der auch mal ein Auge auf das Haus hat, wenn ich verreist bin. Und natürlich muss ich mich mit der Mieterin oder dem Mieter verstehen. Es sind zwar zwei abgeschlossene Wohnungen, doch man lebt dicht beieinander, da muss man sich verstehen.«
»Frau Steinhoff, es ist ganz wunderbar, dass wir uns jetzt begegnet sind, es musste so sein. Und ehrlich mal, ich bin überzeugt davon, dass Simone Rettinger Ihnen gefallen wird. Sie ist wirklich sehr nett.«
»Was Sie über diese Dame erzählt haben, hört sich gut an, eine Frage noch, gibt es einen Herrn Rettinger?«
»Den gab es, Frau Steinhoff, doch der hat sich mit einer anderen Frau aus dem Staub gemacht, seine Ehefrau einfach