Butler Parker Classic 37 – Kriminalroman. Günter Dönges. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Dönges
Издательство: Bookwire
Серия: Butler Parker Classic
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740963286
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      »Seine Gang war erstklassig organisiert. Er verkaufte so eine Art Schutzbriefe an Gewerbetreibende. Sie mußten für diese Schutzbriefe monatliche Zahlungen leisten. Sie kennen die Masche ja. Wer nicht mitmachte, fand sich sehr bald im Krankenhaus wieder. In diesem Zusammenhang konnte man Bradsen zwei Morde nachweisen. Die hätten ihn auf den elektrischen Stuhl gebracht. Die Beweise waren eindeutig.«

      »Wurde Steve Bradsen seinerzeit verraten, Sir?«

      »Stimmt haargenau, Parker. Einer seiner engsten Kumpane stieg aus und verpfiff den Boß. Er tat das natürlich nicht freiwillig. Man hatte ihn unter Mordanklage gestellt. Vor dem Schuldspruch fiel der Mann um und sagte gegen Bradsen aus. Wir holten ihn aus seinem Bungalow drüben am See. Ich weiß es noch wie heute. Bradsen machte sich zuerst lustig über uns. Er konnte sich nicht vorstellen, daß einer seiner engsten Mitarbeiter gegen ihn ausgesagt haben könnte. Dann aber, als er merkte, wie es um ihn stand, drehte er vor Wut fast durch. Und damals schwor er schon Rache.«

      »Darf man höflich fragen, Sir, wer dieser enge Mitarbeiter war?«

      »Ein gewisser Jeff Odgen. Nach dem Prozeß tauchte er unter. Fraglich, ob er überhaupt noch hier in der Stadt wohnt.«

      »Und was wurde aus den übrigen Bandenmitgliedern, Sir?«

      »Sie tauchten schleunigst weg, Parker! Die Gang fiel auseinander.«

      »Sind Ihnen Namen und Aufenthaltsorte jener ehemaligen Bandenmitglieder bekannt, Sir?« wollte Parker wissen.

      »Natürlich. Wir kümmern uns immer wieder um sie. Schon aus Gründen der Sicherheit! Nach unseren Ermittlungen sind die ehemaligen Bandenmitglieder aber in mehr oder weniger bürgerliche Berufe zurückgekehrt. Sagen wir, nach außen hin. Oder noch vorsichtiger, sie haben sich bisher nicht mehr erwischen lassen. Sie kennen doch das Sprichwort von der Katze, die das mausen nicht mehr lassen kann, oder?«

      »Darf ich um eine vollständige Liste der seinerzeitigen Bandenmitglieder bitten, Sir?«

      »Natürlich, die können Sie haben, Parker. Aber ich warne Sie noch einmal, halten Sie sich zurück! Bradsen ist kein normaler Gangster mehr. Er ist geisteskrank! Diese Leute kann man nicht mehr mit normalen Maßstäben messen.«

      »Das meine ich auch«, pflichtete Anwalt Rander ihm bei. »Dieser Bradsen scheint nur an seine Rache zu denken. Sonst hätte er erst gar nicht versucht, vom Baukran aus zu schießen. Wir sollten uns Madfords Vorschlag noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen, Parker. Falls wir aus Chikago für einige Zeit verschwinden, hat das mit Feigheit überhaupt nichts zu tun.«

      »Da wir unterstellen können, Sir, daß Mister Bradsen ausschließlich nur an seine Rache denkt, dürfte es nicht sehr schwer sein, ihm eine entsprechende Falle zu stellen.«

      »Sie wollen sich wieder einmal als Köder anbieten, nicht wahr?«

      »In der Tat, Sir! Man müßte Bradsen derart beschäftigen, daß er sich ausschließlich für ein einziges Ziel interessiert.«

      »Das Sie dann sein wollen, oder?« Leutnant Madford sah den Butler kopfschüttelnd an. »Schneiden Sie sich nur nicht in die Finger, Parker! Ich bin nicht scharf darauf, für Sie einen Kranz kaufen zu müssen...!«

      *

      Steve Bradsen wußte natürlich längst, daß er nicht getroffen hatte.

      Er stand noch unter dem Schock, den er auf dem Baukran davongetragen hatte. Mit einer prompten Beantwortung seines Schusses hatte er auf keinen Fall gerechnet. Er glaubte noch das zornige Pfeifen zu hören, als der Schuß vom Dachgarten aus haarscharf an seinem Gesicht vorbeigezischt war.

      Bradsen war nach seiner Panne schleunigst vom Kran geflüchtet und hielt sich jetzt in einer kleinen Bierkneipe der Scott Street auf. Den gestohlenen Wagen hatte er unterwegs einfach stehen lassen. Er brauchte ihn hier in der Stadt nicht mehr.

      Still und unauffällig saß er an dem langen Tresen und nippte an seinem Bier. Um ihn herum standen oder saßen mittelmäßig gekleidete Männer, die meist schon einen über den Durst getrunken hatten. Der Lärm wurde von Minute zu Minute lauter.

      Bradsen hörte ihn nicht. Immer wieder dachte er an die Panne und an die beiden Schüsse, die auf ihn abgefeuert worden waren. Er konnte sich leicht vorstellen, wer geschossen hatte, Er wußte noch sehr gut, wem er seinerzeit die Verhaftung zu verdanken hatte.

      Seine Gedanken kreisten um einen gewissen Butler Parker. Er haßte diesen Mann glühend. Vier lange Jahre hatte er immer wieder an Josuah Parker denken müssen. An den Mann, der ihm damals ein Bein gestellt hatte. Und diesen Butler Parker wollte er aus dem Weg räumen! So schnell wie möglich!

      Und jetzt schon nicht mehr innerhalb eines Sekundenbruchteils. Jetzt schon nicht mehr durch einen gezielten Schuß. Damit ging doch alles viel zu schnell! Nein, dieser Parker mußte erst einmal durch alle Höllen gehen, bevor er starb. Bradsen verfügte über sehr viel Phantasie. Er malte sich aus, wie und womit er den Butler stundenlang quälen konnte...

      Parker sollte vor ihm auf den Knien liegen und winseln. Er sollte um sein Leben bitten und betteln, sollte schreien und immer wieder um Gnade flehen. Und das stundenlang... Immer wieder. Er sollte flehen, winseln und schreien...

      Bradsen schreckte hoch.

      Der Barkeeper hinter dem Tresen zog ihm das noch zu einem Drittel gefüllte Glas weg und sah ihn auffordernd an.

      »Noch ‘ne Füllung?« fragte der stämmige Mann mit dem roten Gesicht.

      »N-nein«, erwiderte Bradsen schnell und rutschte vom Barhocker herunter.

      »Dann eben nicht, mein Junge«, meinte der Barkeeper. »Dann wird’s aber Zeit, daß Sie Platz machen! Ich habe hier keinen Wartesaal aufgezogen, wetten?«

      In Bradsen kroch die kalte Wut hoch. Seine Augen verengten sich. Er konnte es nicht ertragen, daß man ihn geringschätzig behandelte. Das hatte er sich vier Jahre lang Tag für Tag gefallen lassen müssen.

      Seine Fäuste ballten sich. Er dachte an den 38er, den er in die Innentasche seines Jacketts geschoben hatte. Diese Waffe stammte aus der Pfandleihe.

      »Ist was?« fragte der Barkeeper und wischte mit dem feuchten, schmuddeligen Lappen über den Tresen. Er sah Bradsen scharf an. Er fühlte wohl instinktiv, daß er es nicht mit einem durchschnittlichen, normalen Nachtschwärmer zu tun hatte.

      Bradsen schüttelte den Kopf.

      Er fraß die Wut in sich hinein und zahlte. Es kostete ihn Überwindung, die Waffe in der Innentasche seines Jacketts zu lassen. Am liebsten hätte er sie gezogen und den Barkeeper niedergeschossen.

      »Schwirr endlich ab, Mann, und hypnotisier mich nicht«, meinte der Barkeeper und lachte rauh. Er ahnte nicht, daß er sich in Lebensgefahr befand.

      Bradsen preßte die Lippen aufeinander und ging. An der Tür drehte er sich noch einmal zum Tresen um und musterte den Barkeeper, der ihn inzwischen längst vergessen hatte. Er prägte sich dessen Gesicht genau ein und schwor, diesen Mann früher oder später zur Rechenschaft zu ziehen.

      Einen Steve Bradsen beleidigte man nicht mehr ungestraft! Diese Zeiten waren seit seiner Flucht aus der Heilanstalt endgültig vorbei...

      Auf der Straße sah er sich suchend um.

      Wohin um diese Zeit? In irgendein Hotel? Auf der Straße durfte er nicht mehr lange bleiben. Dann bestand die Gefahr, daß ihn eine Streife anhielt und unbequeme Fragen stellte.

      Unwillkürlich sah er hinüber zum Lincoln Park. Am liebsten wäre er dorthin zurückgegangen und hätte sich weiter mit Parker befaßt. Aber das war im Augenblick nicht möglich.

      Man hält mich für verrückt, sagte er sich und kicherte unwillkürlich amüsiert, die alle halten mich für verrückt. Aber die sollen sich auch alle noch wundern. Denen werde ich bald zeigen, wie normal ich bin. Die werden noch Augen machen...

      Steve Bradsen ging langsam die Straße hinunter und sah angestrengt zu Boden, als habe er etwas verloren, was er jetzt suchen mußte.