Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 5 – Familienroman. Michaela Dornberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Sonnenwinkel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740931940
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er hatte den Auftrag erteilt, er würde das Dach bezahlen. Ein zweites Mal würde er es allerdings nicht tun. Davon war Rosmarie fest überzeugt. Er hatte sich im Überschwang der Gefühle dazu hinreißen lassen. Das war eine Ausnahme gewesen, mit den Gefühlen hatte Dr. Heinz Rückert, der Notar, es nicht so. Er war eher ein Verstandesmensch. Was sollte es. So schnell würde das Tierheim kein zweites Dach benötigen. Und ansonsten machte sie sich keine Sorgen. Hier und da eine kleine Spende würde Rosmarie ihrem Göttergatten schon noch aus dem Kreuz leiern, und ansonsten hatte sie noch genügend, was man zu Geld machen konnte, Schuhe, Taschen, Outfits und noch Schmuck. Sie hing an nichts mehr, sie hatte genug davon. Und ihr Geschmack hatte sich geändert. Es war für sie nicht mehr wichtig, dass für sie der rote Teppich ausgerollt wurde, wenn sie kam und wenn sie in den Geschäften ihre Bankkarte glühen ließ. Vorbei. Dieser Zeit trauerte sie nicht nach. Es ärgerte sie nur, dass sie so töricht gewesen war zu glauben, mit all diesen Einkäufen könne man sich Glück und Zufriedenheit ins Haus holen. Früher hatte sie über Inge Auerbach oftmals gelächelt. Das hatte sich ebenfalls geändert. Inge hatte es richtig gemacht, sie hatte die richtigen Prioritäten gesetzt. Es war schön, dass sie sich mittlerweile so gut miteinander verstanden. Sie würde Inge mal wieder besuchen müssen. Dazu hatte sie in letzter Zeit kaum Gelegenheiten gehabt, weil sie die Zweisamkeit mit ihrem Heinz genoss. Ja, so war es. Sie genoss das Beisammensein mit ihrem Ehemann, und ihm schien es nicht anders zu gehen.

      Es war verrückt!

      Es waren die Hunde, die sie zusammengeführt hatten. Rosmarie hätte so etwas niemals für möglich gehalten. Wenn es so einfach war, dann konnte man sich ja teure Therapeuten ersparen. Man musste nur ins Tierheim gehen und einem Hund eine neue Heimat geben, So einfach war es natürlich nicht. Doch darüber wollte Rosmarie jetzt auch nicht nachdenken.

      Heinz, sie und die Hunde waren auf einem extra für Hunde ausgewiesenem Spielplatz. Und es war eine Freude, mit anzusehen, wie Missie und Beauty mit anderen Hunden herumtollten.

      Rosmarie und Heinz saßen auf einer Bank und schauten dem lustigen Treiben zu.

      »Rosmarie, ich finde, unsere beiden sind die schönsten Hunde von allen.«

      Das war zwar nicht der Fall, doch wenn Heinz es hören wollte, wenn sie ihm dadurch eine Freude machte, wollte sie es gern bestätigen. »Ja, mein Lieber, das finde ich auch.«

      Heinz war zufrieden, Rosmaries Gedanken begannen zu wandern.

      Stella hatte sich noch immer nicht gemeldet. Diese Tatsache hatte sie verdrängt, weil es so viel Neues in ihrem Leben gegeben hatte. Jetzt überkam es sie mit voller Wucht, und es machte sie sehr, sehr traurig.

      Heinz Rückert bemerkte die Veränderung seiner Frau. Er blickte sie prüfend an.

      »Was ist los, Rosmarie? Was hast du?«

      Sollte sie mit ihren trüben Gedanken seine gute Laune jetzt verderben? Sie entschloss sich, es nicht zu tun, ihm nicht zu sagen, woran sie gerade gedacht hatte.

      »Ach, nichts«, wehrte sie deswegen ab.

      Aber Heinz wäre nicht Heinz, wenn er das jetzt so im Raum stehen ließe. Er war Notar. Gründlichkeit gehörte zu den Tugenden seines Berufes. Außerdem kannte er seine Rosmarie, sie waren lange genug miteinander verheiratet.

      »Heraus mit der Sprache, Rosmarie. Ich sehe doch, dass dich etwas beschäftigt.«

      Heinz würde es immer wieder hinterfragen. Auch wenn sie dadurch seine Laune verdarb, hatte sie keine Chance, jetzt nichts zu sagen.

      »Ich musste an Stella denken«, sagte sie, »und es macht mich so traurig, dass sie es nicht für nötig hält, uns über diese große Veränderung in ihrem Leben zu informieren. Sie war mit Jörg verheiratet, sie hat ihn wegen eines anderen Mannes verlassen. Sie ist mit diesem Menschen und den Kindern nach Brasilien gegangen. Das ist elementar. Man kann sich nicht herausreden damit, es vergessen zu haben. Und wir sind die Eltern.«

      Heinz umfasste die Schulter seiner Frau. Das hatte er seit gefühlten Ewigkeiten nicht getan, und Rosmarie war erstaunt, wie wohl sie sich dabei fühlte.

      »Rosmarie, ich finde ebenfalls nicht richtig, wie unsere Tochter sich verhält, und ich war deswegen auch ganz schön sauer, habe überreagiert, mit Enterbung gedroht. Eine derartige Reaktion war kindisch. Auch als Eltern dürfen wir nicht in das Leben unserer erwachsenen Kinder eingreifen. Wir müssen es hinnehmen, und auch mir gefällt es nicht, dass sie Jörg verlassen hat. Der ist ein guter Mann, er hat immer für seine Familie gesorgt, er hat alles für Stella und die Kinder getan. Ob es dumm war, diesen Mann zu verlassen, um mit einem anderen Mann nach Brasilien zu gehen …, das kann unsere Meinung sein. Stella sieht es offensichtlich anders. Rosmarie, wir haben gewiss nicht alles richtig gemacht. Schlauer ist man immer hinterher.

      Irgendwann wird Stella sich melden, und wenn nicht, dann können wir auch nichts tun. Wir dürfen dieser Geschichte keinen zu großen Platz in unserem Leben geben. Ich habe mit Cecile telefoniert. Sie hat uns auf den Landsitz der Raymonds an der Côte d’Azur eingeladen.«

      Er warf ihr einen Seitenblick zu.

      »Und weißt du was, Rosmarie? Ich habe für uns zugesagt. Wir dürfen sogar Beauty und Missie mitbringen. Cecile möchte Missie unbedingt kennenlernen. Außerdem möchte sie dich und mich sehr gern wiedersehen. Ehrlich gesagt, ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen. Ich habe Cecile sehr vernachlässigt. Dabei ist es ein Geschenk, einen so wunderbaren Menschen als Tochter zu haben. Du hast ein engeres Verhältnis zu ihr als ich. Das muss sich ändern. Also, was hältst du davon? Ich habe für sechs Wochen zugesagt.«

      Rosmarie glaubte, sich verhört zu haben.

      Sechs Wochen?

      Diese Zusage hatte ihr Heinz gemacht?

      Natürlich wäre es großartig. Sie mochte Cecile sehr, das Anwesen der Raymonds war ein Traum.

      Aber …

      »Heinz, bist du dir sicher, dass du für sechs lange Wochen dein Büro verlassen kannst?«

      Er wusste, worauf Rosmarie anspielte. Es hatte unendlich viele Diskussionen, auch Kräche gegeben in der Vergangenheit.

      »Ich habe einen großartigen Vertreter, der lange schon mit den Hufen scharrt, um meine Nachfolge antreten zu dürfen. Ich habe ihm die Verantwortung für das Büro gegeben, und nach den sechs Wochen werde ich sehen, ob er es gut gemacht hat. Und dann kann ich mich immer mehr ausklinken.«

      Rosmarie warf ihrem Ehemann einen prüfenden Blick zu. Hatte Heinz etwas eingenommen? Es war doch nicht ihr Ehemann, der das von sich gegeben hatte. Das musste ein anderer gewesen sein.

      »Heinz …, woher kommt dieser Sinneswandel? Ich versuche seit Ewigkeiten, dich aus deinem Büro wegzulocken, bislang vergebens, du hattest immer Ausflüchte. Und jetzt das. Was ist passiert?«

      »Ich kann nur sagen … Missie …, durch diesen kleinen Hund ist mir bewusst geworden, dass das Leben mehr bietet als nur das Studium von Akten, das Verlesen von notariellen Verträgen. Und mir ist bewusst geworden, wie einfach es im Grunde genommen ist. Die Spaziergänge mit dir und den Hunden, die schönen Gespräche, die wir dabei geführt haben. Das entschleunigte Leben. Ich genieße es. Und dann ist allerdings noch etwas geschehen. Ich habe zufällig Werner Auerbach getroffen, und wir haben uns sehr lange unterhalten. Der hat ja schon vor einiger Zeit eine gewaltige Kehrtwende gemacht, und das bereut er nicht einen Tag. Er hat es loslassen können, arbeitet nur noch auf Schmalspur, und er genießt es. Und du weißt, dass Werner ein international bekannter und sehr geschätzter Wissenschaftler ist. Ich habe darüber nachgedacht, und dann kam ich zu dem Entschluss, dass ich als Notar in einer kleinen Provinzstadt doch ebenfalls das tun kann, was einem großen Professor gelungen ist.«

      Rosmarie war so perplex, dass sie erst einmal überhaupt nichts sagen konnte. Heinz und sie hatten sich mit den Jahren auseinandergelebt, sie waren eine gut funktionierende Zweckgemeinschaft gewesen. Sie merkte, wie ihr Herz vor lauter Aufregung heftig zu klopfen begann.

      Das war eine Chance für einen Neuanfang!

      Es war die große Chance von einem Auseinander zu einem Zueinander. Auf