»Mylady sind einfach unübertrefflich«, ließ sich Parker etwas zweideutig vernehmen. »Es scheint übrigens, daß Myladys Zielübungen nicht unbedingt Mister Warners Beifall finden.«
»Darauf gebe ich nichts, Mister Parker, reichen Sie mir lieber einen neuen Reifen«, gab sie zurück und konzentrierte sich auf ihren nächsten Wurf.
*
»Sie haben die drei Leute in den Overalls doch sicher verhört, Mylady?« erkundigte sich am nächsten Morgen Mike Rander.
Der Anwalt und Vermögens Verwalter der Lady, um die vierzig, schlank und durchtrainiert und an einen bekannten James Bond-Darsteller erinnernd, war auf einen Sprung aus der Kanzlei in der nahen Curzon Street herübergekommen, um mit Mylady über eine ihrer zahlreichen Firmenbeteiligungen zu sprechen. Gleichzeitig wollte er bei dieser Gelegenheit auch erfahren, wie sich der Fall angelassen hatte, in den sein alter Studienkamerad Rupert Warner verwickelt war.
»Natürlich habe ich das, mein lieber Junge.« Lady Agatha schob ihr Gedeck zurück und blickte Josuah Parker, der würdevoll und gemessen neben dem Tisch stand, strafend an. »Aber Sie kennen ja Mister Parker und sein weiches Herz. Er hat wieder mal nicht zugelassen, daß ich die Strolche intensiv verhören konnte.«
»Die Herren waren nur unbedeutende Handlanger, die mit Sicherheit nichts Substantielles zu berichten gehabt hätten«, äußerte sich Parker höflich. »Mylady haben dies natürlich sofort erkannt und deshalb auf eine eingehende und zeitraubende Befragung verzichtet.«
»Nun ja, das stimmt natürlich.« Agatha Simpson nickte bestätigend und lehnte sich nachdenklich auf ihrem Ledersofa zurück. »Man muß ganz einfach einen Riecher dafür haben, welches Vorgehen etwas einbringt und welches reine Zeitverschwendung ist, Mister Parker, etwas, was mich schon immer ausgezeichnet hat, Ihnen jedoch völlig abgeht. Aber keine Angst, das bringe ich Ihnen schon noch bei.«
»Meine bescheidene Wenigkeit darf sich schon im voraus bedanken, Mylady.« Parker verneigte sich würdevoll und zeigte sich ob der Großzügigkeit seiner Herrin tief bewegt. »Man wird alles tun, um sich als gelehriger Schüler zu erweisen.«
Kathy Porter, die etwa dreißigjährige, attraktive Gesellschafterin und Sekretärin mit hochangesetzten Wangenknochen und leicht ins Rötliche gehendem Haar, wandte sich ab, um einen Lachkrampf zu unterdrücken. Sie preßte ihre kleine Faust gegen den Mund und bemühte sich, sich zu beherrschen.
Die junge Frau wirkte auf den ersten Blick wie ein scheues Reh, verwandelte sich im Bedarfsfall aber in eine Pantherkatze und war dank Parkers intensiver Schulung mit allen Arten fernöstlichen Kampfsports vertraut. Über ihre Funktion hinaus genoß sie fast den Status einer Tochter des Hauses.
Es war Myladys innigster Wunsch, die beiden Kinder, wie sie Kathy Porter und Mike Rander nannte, miteinander zu verheiraten. Um dieses Ziel zu erreichen, zog sie alle Register einer Kupplerin und war fest davon überzeugt, eines Tages ihren Wunsch erfüllt zu sehen.
Wie Mike Rander genoß sie die Rededuelle, die sich die Hausherrin und ihr Butler täglich lieferten und wußte natürlich ebenso wie der Anwalt, daß diese rhetorischen Gefechte von einem tiefen, gegenseitigen Respekt geprägt und nicht wirklich ernst gemeint waren.
»Konnten die Schläger denn nichts zur Sache aussagen, Mylady?« fragte Kathy Porter, als sie wieder in der Lage war, ruhig und beherrscht aufzutreten und zu sprechen.
»Sie erwähnten einen Buchmacher, der sie angeblich geschickt hat«, erinnerte sich die Lady prompt. »Ich denke, es handelt sich um ein Subjekt namens Butcher, nicht wahr, Mister Parker?«
»In der Tat, Mylady.« Parker wandte sich an Kathy Porter und Mike Rander und setzte das Informationsgespräch fort. »Mister Baker soll hier in der City eine kleine Wettannahme betreiben und die drei Herren auf Mylady angesetzt haben.«
»Genau, wie ich es sagte«, freute sich die ältere Dame und ging über die kleine Namenskorrektur hinweg. »Ich denke, ich werde nachher den Wettschwindler aufsuchen und mich ein wenig mit ihm unterhalten. Vielleicht werde ich sogar eine Wette bei ihm abschließen, schließlich muß ich das Geld, das Mister Parker leichtsinnigerweise ausgegeben hat, wieder hereinholen.«
»Welcher Art war denn die Verschwendung, der sich Mister Parker wieder mal schuldig gemacht hat?« erkundigte sich Mike Rander lächelnd und zwinkerte Kathy vergnügt zu. Er kannte nur zu gut die Sparsamkeit der Lady, die manchmal an Geiz grenzte und auch bei echten Schotten ihre Anerkennung gefunden hätte.
»Mister Parker hat Ihrem Freund viel Geld dafür gegeben, daß ich versehentlich eines seiner Fenster zertrümmerte«, verbreitete sie sich über das Thema und sah Parker strafend an. »Mit soviel Geld kann man die ganze Werkstatt renovieren lassen.« Sie seufzte und blickte ergeben zur Decke. »Nun ja, ich werde mich eben in den nächsten Wochen etwas einschränken und Mister Parker dazu anhalten, auf Sonderangebote zu achten.«
»Vielleicht sollte Mister Parker auch nicht mehr so viele Videofilme ausleihen, Mylady, ein halbes Dutzend pro Woche würde unter Umständen reichen«, witzelte Mike Rander und spielte damit auf ein Hobby der Agatha Simpson an, dem sie mit Leidenschaft frönte.
Die Dame des Hauses pflegte sich oft zur Meditation, wie sie es nannte, zurückzuziehen, um dann einen Videofilm nach dem anderen anzusehen. Um diese harmlose Liebhaberei zu kaschieren, schützte sie jedesmal vorbereitende Arbeiten für ihren ersten Roman vor, den sie in Kürze zu schreiben gedachte.
»Nun, die Filme kosten nun wirklich nicht die Welt, mein lieber Junge«, protestierte sie umgehend. »Außerdem brauche ich sie als Studienmaterial, sozusagen zur Recherche für meine eigenen Arbeiten. Man möchte schließlich wissen, was die Konkurrenz herausgebracht hat.«
»Wobei außer Frage steht, daß Mylady keinerlei Konkurrenz zu fürchten hat«, äußerte Parker höflich. »Mylady werden die Kunstszene völlig verändern und auf ein bis dahin nie dagewesenes Niveau heben.«
»Das haben Sie sehr schön gesagt, Mister Parker, und so treffend«, freute sich Lady Agatha. »Besser hätte sogar ich es nicht formulieren können«, fügte sie anerkennend hinzu und musterte den Butler mit unübersehbarem Wohlwollen.
»Wie kam es denn dazu, daß Sie versehentlich ein Fenster zertrümmerten, Mylady?« wollte Kathy Porter wissen und sah ihre Chefin gespannt an.
»Nur ein kleines Versehen, mein Kind, weiter nichts.« Mylady winkte lässig ab und breitete bedauernd die Arme aus. »Mir rutschte ein Rennreifen aus der Hand, rollte davon und zerschlug die Scheibe, so war das.«
»Ihnen rutschte ein Reifen aus der Hand?« erkundigte sich Mike Rander lächelnd. »Was wollten Sie denn damit, Mylady?«
»Mylady stoppte einen Schläger, der sein Heil in der Flucht suchen wollte«, erklärte Parker anstelle seiner Herrin. »Dabei geriet besagter Reifen durch widrige, nicht vorhersehbare Umstände aus der Richtung und richtete leichten Schaden an.«
»Sagten Sie vorhin nicht, es wären mehrere Fensterscheiben gewesen?« bohrte Mike Rander nach.
»In der Tat, Sir.« Parker nickte dem Anwalt höflich zu, schwieg dann aber, um seiner Herrin die Erklärung zu überlassen.
»Zieren Sie sich nicht, Mister Parker, sagen Sie schon, wie es war«, forderte sie und seufzte erneut. »Ich hoffe, Sie wissen noch, wie es passierte«, fügte sie hinzu und sah Parker gespannt an.
»Wie Sie wünschen, Mylady.« Parker verbeugte sich höflich und lieferte die Erklärung. »Mylady führten nach diesem kleinen Malheur einige ergänzende Tests durch, da man sich nicht erklären konnte, wie der erste Reifen derart außer Kontrolle geraten konnte. Im Verlauf dieser Tests wurden zwangsläufig weitere Scheiben in Mitleidenschaft gezogen, diesmal jedoch aus rein wissenschaftlichen Erwägungen und sozusagen geplant.«
Agatha Simpson sah ihren Butler verblüfft an, auf eine derartige Erklärung war sie nicht gefaßt gewesen. Sie räusperte sich lautstark und nickte energisch. »Richtig, Mister Parker, genauso war der Hergang. Ich hoffe, damit ist diese Angelegenheit hinreichend