Bittere Kapern. Peter Pachel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Pachel
Издательство: Bookwire
Серия: Kommissarin Waldmann ermittelt auf Paros
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957712752
Скачать книгу
Flora, »Aber bei dem Sturm geht doch keiner ins Wasser!«

      »Wir müssen die Polizei benachrichtigen.«

      Flora griff nach einem Handy und reichte es Maria. Der Notruf landete automatisch in der Polizeidienststelle in Parikía. Wenige Minuten später war ein Beamter der ansässigen Polizeistation nach Ambelás unterwegs.

      Maria setzte sich auf einen Stuhl und rief ihren Mann an, um ihn über den makabren Fund zu informieren. Der wartete schon ungeduldig auf ihre Rückkehr und bot besorgt an, sie abzuholen. Doch Maria wiegelte ab. »Fahr schon in den Garten, Ich muss warten bis die Polizei da ist. Die wollen mit mir reden.« Sie wusste, dass Christos früh aufbrechen wollte, um die Kühle des Morgens zu nutzen, außerdem wollte sie ihm den Anblick der angespülten Frauenleiche ersparen.

      »Jetzt brauche ich erst einmal einen Kaffee.« Flora hatte sich von dem ersten Schrecken erholt und begann, einen griechischen Mokka zu kochen. »Hatten wir schon lange nicht mehr, dass hier einer ertrunken ist«, sagte sie, während sie zwei Tassen aus dem Schrank holte.

      »Das Komische ist, dass die Frau vollständig bekleidet ist«, bemerkte Maria ganz in Gedanken.

      Zwanzig Minuten später hörten sie wie ein Wagen vorfuhr, Achilléas hieß den Ankömmling bellend willkommen und ein junger Mann stieg aus dem Auto. Maria lief nervös nach draußen, nur ein Polizist war gekommen, sie hatte mit der Kommissarin gerechnet, die nicht weit weg vom Fundort wohnte. Quasi eine Nachbarin.

      »Wo ist Katharina«, rief sie dem Polizisten entgegen und reichte ihm ihre Hand.

      »Hat heute frei, Sie müssen mit mir vorliebnehmen … Filippos Panos«, stellte er sich vor. »Ich bin der zweite Mann in der Polizeidienststelle.« Er lächelte sie charmant an.

      Maria Kentaris kannte den Mann nur flüchtig. Sie glaubte, ihn schon einmal bei einer Feier der Kommissarin gesehen zu haben, am Osterfest vor ein paar Jahren, als Katharina zu einer Wohnungseinweihung geladen hatte. Der markante Wuschelkopf des Kriminalbeamten war ihr damals schon angenehm aufgefallen.

      »Wo ist die Tote?«, kam der Beamte direkt zur Sache. »Sie haben uns doch angerufen und die Frau gefunden?«

      »Ja … und nein«, stotterte Maria. »Mein Hund hat sie gefunden, ich bin dann hinterher …« Sie zeigte in Richtung der kleinen Bucht auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

      »Zeigen Sie mir die Fundstelle.« Filippos öffnete seinen Kofferraum und holte zwei Gummihandschuhe und eine Kamera hervor.

      Dann stolperten sie hastig die Treppe zu der toten Frau hinunter. Flora war ihnen nachgeeilt und stand mit sorgenvollem Gesicht an der Brüstung, um das Spiel aus sicherer Entfernung beobachten zu können. Die vom Wind aufgewirbelte Gischt spritzte dem Kriminalbeamten entgegen, als er sich der leblosen Frau behutsam näherte. Maria wies er an, in einigen Metern Abstand zu warten. Achilléas nahm sie an die Leine. Nachdem er sich vom Ableben überzeugt hatte, fotografierte er zunächst den Fundort aus verschiedenen Perspektiven, dann widmete er sich ausgiebig der Leiche. Irgendetwas irritierte ihn beim Anblick der Frau, er wusste aber nicht was es war. Die nackte Todesangst in ihren leeren Augen war kaum auszuhalten. Filippos musterte die Tote eine ganze Weile und plötzlich wusste er, was ihn an der Fremden so verunsicherte. Der auffallend geschminkte Mund passte nicht zu der Szenerie am Strand, ein grell roter Lippenstift, der allen Attacken des Salzwassers getrotzt hatte. Auch das Gesicht wies Spuren eines viel zu stark aufgetragenen Make-Ups auf, ungewöhnlich für eine Frau in diesem Alter. Er schätzte die Tote auf Mitte bis Ende fünfzig. Auffallend war auch eine grobgliedrige Halskette, die mit weißen Perlen durchsetzt war, daran hing ein goldenes, ovales Amulett. Der Polizist machte eine Nahaufnahme des Gesichts, bückte sich zu der Frau hinunter und suchte in den Taschen ihrer Strickjacke nach verwertbarem Inhalt, jedoch ohne Erfolg. Erst jetzt, bei näherem Hinsehen, entdeckte er an der Nase und am Mund der Leiche Spuren eines leichten Schaumpilzes, ein typisches Merkmal beim Tod durch Ertrinken. Das sollte sich aber Doktor Spanópoulos noch einmal genauer ansehen, den hatte er schon auf seiner Fahrt nach Ambelás angerufen. Ein geschätzter Kollege, der eng mit der Polizei zusammenarbeitete und immer gerufen wurde, wenn die Polizei den Rat eines erfahrenen Mediziners benötigte. Der würde dann entscheiden, ob die Frau gegebenenfalls in die Gerichtsmedizin nach Athen gebracht werden musste.

      »Kennen Sie die Tote?«, fragte er Maria schließlich.

      »Nur vom Sehen, es muss eine Urlauberin sein, bin ihr ein paar Mal begegnet, als sie durch Ambelás spaziert ist.« Sie war näher an die Leiche herangetreten und bemerkte einige Details, die sie in ihrer Panik übersehen hatte.

      »Haben Sie auch einen Namen zu der Person?«

      Maria konnte ihren Blick nicht von der Unbekannten loseisen, die starke Schminke und die teuer wirkende Goldkette, das alles hatte sie bei der Bergung der Toten nicht bemerkt.

      »Wissen Sie, wie die Tote heißt?«, fragte Filippos zum wiederholten Male.

      »Nein, aber sie muss hier in der Nähe gewohnt haben, so viele haben zu dieser Jahreszeit ja nicht mehr auf. Das müsste schnell herauszukriegen sein.« Sie schaute noch einmal zu der Frau hinüber. »Sieht aus, als hätte sie sich richtig herausgeputzt, schöngemacht … und dann so was.«

      Filippos hob seinen Kopf. »Wie meinen Sie das?«

      »Die war nie so stark geschminkt … wie gesagt, ich bin ihr mehrfach begegnet. Eine freundliche Frau, sie hat immer gegrüßt«. Maria überlegte einen Augenblick lang, »… und da sah sie eher krank aus, blass und schwach, nicht so gestylt.«

      »Wo könnte sie gewohnt haben?« Filippos musste den Namen der Toten in Erfahrung bringen, um ihre Angehörigen zu informieren.

      »Ich habe sie mehrmals zur anderen Seite des Hafens laufen sehen, da hat meines Wissens nach nur noch die Villa Sophia und Carmens Appartement auf. Ich kann dort anrufen und nachfragen.«

      Filippos nickte, er mochte die anpackende Art der Frau, machte ihr aber unmissverständlich klar, keinerlei Details auszuplaudern. Sie solle lediglich in Erfahrung bringen, ob die Häuser noch aufhatten, alles Weitere würde er übernehmen. Sogleich stieg Maria den Abhang hinauf und suchte nach den Telefonnummern der Ferienwohnungen. Kurz darauf traf Doktor Spanópoulos ein, der ohne Umschweife zu der Toten in die Bucht stieg, um sich der Leiche anzunehmen. Er untersuchte sie gewissenhaft, sein besonderes Augenmerk lag auf ihrem Mund und Rachenraum.

      »Sieht sehr nach Tod durch Ertrinken aus«, kam er schließlich zu dem gleichen Ergebnis wie schon Filippos zuvor. »Genau kann das aber nur in der Gerichtsmedizin festgestellt werden.«

      Der junge Beamte spürte die Unsicherheit des Arztes.

      »Ich frage mich, wie die Frau ins Wasser gekommen ist?«

      »Das kann ich leider nicht beantworten, aber um ein Fremdverschulden auszuschließen, muss die Tote nach Athen. Ich schlage vor, Katharina zu informieren«, sprach Spanópoulos zu Filippos gewandt.

      Die Kommissarin wohnte direkt um die Ecke, daher entschied sich der Polizist persönlich bei ihr vorzusprechen.

      CHRISTOS KENTARIS

      AMBELÁS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, SEPTEMBER 2016

      Christos Kentaris war kurzentschlossen allein zu seinem Garten aufgebrochen, nachdem ihn der Anruf seiner Frau erreicht hatte. Er wollte die Kühle des Morgens nutzen, um den Boden rund um seine zahlreichen Kapernbüsche aufzulockern und von Unkraut zu befreien. Nur so war sichergestellt, dass die tiefreichenden Wurzeln der Pflanzen genügend Restfeuchte aus dem Boden gewinnen konnten und nicht zu sehr in Konkurrenz mit den anderen Gewächsen standen. Der aufbrausende Wind bescherte zwar eine angenehme Frische, aber ab Mittag würde die Sonne schnell wieder die Oberhand gewinnen und erbarmungslos ihre Glut versprühen. Über den schrecklichen Fund seiner Frau Maria war er entsetzt, dennoch ging er nicht weiter darauf ein, zu sehr hing er schon mit seinen Gedanken in seinem geliebten Garten, in dem er sich stundenlang verlieren konnte. Wenn ihm danach war, übernachtete er sogar in dem steinernen Geräteschuppen,