»Ich bin so frei, Mylady, erstaunt zu sein.«
»Hoffentlich«, knurrte Agatha Simpson zurück, »aber Sie muß man ja erst mit der Nase draufstoßen, bevor Ihnen ein Licht aufgeht.«
»Sehr wohl, Mylady«, erwiderte Parker schuldbewußt »Haben Mylady sonst noch Wünsche?«
»Für mich ist dieser geheimnisvolle Fall bereits gelöst«, gab sie in einem fast schon enttäuschten Ton zurück.
»Wünschen Mylady nach Hause zu fliegen?«
»Seien Sie nicht so albern«, knurrte sie gereizt. »Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich ... Was war das?«
Ihre Überraschung war verständlich, denn der Helikopter taumelte ein wenig, als sei er leicht angetrunken. Dann sackte er durch und wurde sofort wieder hochgerissen.
»Eine Luftturbulenz, Mylady«, erklärte Parker.
»Sind Sie sicher?« Agatha Simpson sah sehr mißtrauisch durch das Seitenfenster hinunter aufs Land. Die Felsen und Weiden kamen für ihr Gefühl erstaunlich schnell näher. Der Hubschrauber war nach vorn gekippt und schien die feste Absicht zu haben, sich in den Grund zu bohren.
Unruhe entstand. Auch den übrigen Passagieren an Bord des Helikopters war nicht entgangen, daß die Fluglage irregulär war. Diese Unruhe hielt sich allerdings in Grenzen. Mit mehr oder weniger britischem Gleichmut ließ man die Dinge auf sich zukommen.
Josuah Parker war überhaupt nichts anzumerken. Sein glattes Gesicht besaß den Ausdruck eines erfahrenen Pokerspielers. Kathy Porter beobachtete Agatha Simpson, die sehr empört wirkte.
Wenige Minuten später war bereits alles vorbei.
Der Hubschrauber hatte weich auf einer weiten Wiese aufgesetzt, die von Hügeln und Steinmauern eingegrenzt wurde. Josuah Parker bemühte sich nach vorn und traf auf zwei Piloten, die von einer seltsamen Heiterkeit erfaßt waren.
Sie strahlten sich an, entdeckten den Butler und bekamen dann einen Lachkrampf. Sie schlugen sich auf ihre Oberschenkel und waren nicht ansprechbar ...
*
»Ich muß mich doch sehr wundern.«
Agatha Simpson maß die beiden Hubschrauberpiloten mit einem strengen Blick. Sie starrten sie einen Moment an und brachen dann wieder in dröhnendes Gelächter aus. Sie zeigten mit ihren Zeigefingern auf die erboste Lady und krümmten sich vor Lachen.
»Sie sind äußerst albern«, meinte Agatha Simpson und sah sich hilfesuchend nach Parker um, der steif und gemessen um den Hubschrauber schritt.
»Sie scheinen nicht zu wissen, was sie tun«, sagte Kathy Porter zu Agatha Simpson.
»Ich glaube, ich sollte sie mit meinem ›Glücksbringer‹ zur Ordnung rufen«, gab die Lady grimmig zurück. Sie ließ ihren perlenbestickten Pompadour am Handgelenk pendeln. In diesem befand sich immerhin ein echtes Hufeisen, das nur leicht mit Schaumgummi umwickelt war.
Die übrigen Passagiere diskutierten miteinander und entwickelten mit wissenschaftlicher Gründlichkeit einige recht interessant klingende Theorien zu dieser Überraschungslandung. Da dieses Gespräch in einen wissenschaftlichen Streit auszuarten drohte, machte Parker einen weiten Bogen um die Männer.
»Ist möglicherweise damit zu rechnen, daß der Flug im Lauf des Vormittags noch fortgesetzt wird?« fragte Parker bei den beiden Piloten an. Er lüftete dazu höflich seine schwarze Melone und sorgte für den korrekten Sitz seines Universal-Regenschirms, der über seinem linken Unterarm hing.
Die beiden Piloten schienen überhaupt nichts gehört zu haben. Sie hatten sich ins Gras gesetzt und zupften Halme.
»Sind diese Lümmel wahnsinnig geworden?« fauchte Agatha Simpson und wandte sich an Parker.
»Sie dürften außerhalb ihres Ich stehen«, gab der Butler höflich zurück.
»Aha. Und was bedeutet das?«
»Falls mich nicht alles täuscht, Mylady, dürften die beiden Piloten unter fremdem Einfluß stehen.«
»Hypnose?« Agatha Simpsons Augen funkelten schon wieder. Sie witterte einen erfreulichen Zwischenfall, denn das, was bisher passiert war, reichte ihr bei weitem noch nicht.
»Ob es sich konkret um Hypnose handelt, Mylady, vermag ich nicht mit letzter Sicherheit zu vermelden«, antwortete Parker, »dies könnte wohl nur ein Facharzt entscheiden.«
»Ob Hypnose oder nicht, ich will weiter nach Thurso.«
»Von einem Fußmarsch, Mylady, möchte ich entschieden abraten. Nach meinen bescheidenen Erkenntnissen dürften noch etwa fünf Meilen vor Mylady liegen.«
»Glauben Sie, daß diese Lümmel wieder zur Vernunft kommen werden?« Sie drehte sich um und musterte erneut die beiden Piloten, die jetzt offensichtlich nach vierblättrigen Kleeblättern suchten.
»Eine Antwort darauf wage ich nicht zu geben, Mylady.«
»Dann tun Sie gefälligst etwas!«
»Wie Mylady befehlen. Falls es gestattet ist, werde ich dort hinüber zur Farm gehen und das Telefon bemühen.«
»Worauf warten Sie noch?«
»Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit bereits unterwegs.« Parker lüftete seine schwarze Melone und machte sich auf den Weg. Die Farm, von der er gesprochen hatte, lag in einem Talkessel. Bis dorthin waren es gut und gern anderthalb Meilen. Erstaunlicherweise hatte sich dort noch kein neugieriger Mensch sehen lassen.
Der Butler stieg über einige Steinwälle, über Zäune und Mauern. Er zerbrach sich natürlich den Kopf darüber, was die beiden Piloten veranlaßt haben mochte, diese Zwischenlandung vorzunehmen. Daß dies nicht freiwillig geschehen war, lag auf der Hand. Welche Kraft mochte diese beiden sicher recht erfahrenen Männer dazu gebracht haben, so etwas zu tun?
Parker hatte inzwischen die Farm erreicht... ein ärmlich aussehendes Anwesen! Er ging auf die Haustür zu und pochte mit seinem bleigefütterten Bambusgriff des Universal-Regenschirms gegen das Holz.
Als keine Antwort kam, versuchte Parker es erneut. Diesmal sehr viel entschiedener. Jetzt schwang die einfache Tür auf und gab den Blick frei auf die Wohnküche, die spartanisch eingerichtet war. Doch das war es nicht, was ihn verwunderte.
Um den Küchentisch herum saßen vier Personen in einfacher Arbeitskleidung. Sie rührten sich nicht und reagierten auch dann noch nicht, als Parker diskret hüstelte. Sie blieben regungslos sitzen und glichen Statuen.
Parker schritt vorsichtig näher und merkte, daß die Augen der vier Personen – es handelte sich um eine Frau und drei Männer – leer und ohne jeden Ausdruck waren.
*
Als Josuah Parker zum Telefonapparat gehen wollte, der an der Wand befestigt war, merkte er, daß er beobachtet wurde.
Er ließ sich natürlich nichts anmerken und bewegte sich nach wie vor mit jener Gemessenheit, die ihn stets und in allen Lebenslagen auszeichnete. Ihm war eine kleine Unregelmäßigkeit auf dem Abtropfbrett des Spülbeckens aufgefallen. Dort hatte sich seiner Ansicht nach gerade ein Teller bewegt.
Diese Tatsache war schockierend für ihn.
Wie hatte der Teller sich bewegen können? Wer hatte das getan? Wie war das bewerkstelligt worden? Parker stand inzwischen vor dem Wandapparat und hob die Hörmuschel vom Haken. Und dann, ohne jede Vorwarnung und sehr schnell, hatte er bereits seine schwarze Melone in der Hand und schleuderte sie wie einen Diskus aus dem Gelenk zum Spülbecken.
Das Resultat war frappierend.
Er hörte so etwas wie einen Kiekser und sah, wie die Teller sich erneut bewegten und dann Kurs auf ihn nahmen. Sie lösten sich der Reihe nach von dem Abtropfbrett und segelten direkt auf ihn zu, einer nach dem anderen.