Der neue Sonnenwinkel Box 2 – Familienroman. Michaela Dornberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Sonnenwinkel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740928636
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ich wage nicht, diesen Gedanken zu Ende zu bringen. Es wäre für Bambi eine Katastrophe, ein Schock, von dem sie sich so schnell nicht erholen würde.«

      Nicht dieses Thema!

      Hannes hatte ja so recht, und sie wusste selbst nicht, warum Werner und sie nicht den Mut aufbrachten, es Bambi zu sagen, einmal musste sie es ja doch erfahren. Und es stimmte, gut war es nicht, es immer wieder hinauszuzögern.

      »Hier weiß niemand, dass Bambi adoptiert ist«, versuchte sie sich herauszureden, »also kann sie es nicht von Dritten erfahren. Aber du hast natürlich recht, Hannes, wir müssen es ihr sagen …, bald.«

      Hannes stand auf, um den Rest seiner Sachen zusammenzupacken, nahm sich aber vorsichtshalber noch für unterwegs, also bis nach oben, ein paar Kekse mit. »Mama, ich habe ein ungutes Gefühl«, sagte er, ehe er ging. Und dieser Satz hing noch im Raum, als Hannes die Küche längst schon verlassen hatte.

      Warum verursachte er ihr so viel Unbehagen?

      Inge spürte, wie es ihr kalt über den Rücken lief und war fest entschlossen, all den Worten endlich Taten folgen zu lassen.

      Sie gab sich eine letzte Galgenfrist.

      Sofort nach der Abreise von Hannes würden sie und Werner mit Bambi reden, sie würden sich bei ihr entschuldigen, weil sie das nicht längst schon getan hatten, aber sie würden ihr auch sagen, wie sehr sie sie liebten, dass sie ein Kind ihres Herzens war und dass das mehr zählte, als von einem Blut zu sein.

      Blut konnte man ohne Schwierigkeiten austauschen, wenn die Blutgruppe stimmte, Herzen nicht.

      Inge merkte, wie ihre Aufgeregtheit immer mehr stieg, und das rührte von ihrem schlechten Gewissen her, das sie hatte. Heute ganz besonders.

      Jetzt brauchte sie doch einen Kaffee, weil sie nachdenken musste.

      Eigentlich hatte sie ja ein beneidenswert glückliches Leben, doch derzeit hatte sie das Gefühl, dass es ihr ganz um die Ohren flog.

      Wenn man es mit den Jahreszeiten verglich, dann war es nicht mehr ein sonniger Sommertag, sondern einer im Herbst, an dem einem kräftiger Wind entgegenblies und der Himmel grauverhangen war.

      Inge fröstelte.

      Braute sich da etwas zusammen?

      *

      Ihre Freundin Nikola Beck, die alle nur Nicki nannten, wusste, dass sie Roberta jederzeit anrufen konnte, auch nachts, wenn es sein musste. Aber ihre Sprechstunden in der Praxis waren für Privatgespräche tabu. Das wusste auch ihre Mitarbeiterin. Deswegen wunderte Roberta sich, dass Ursel Hellenbrink ihr ein Privatgespräch durchstellte.

      Es war Nicki!

      »Ich weiß, ich weiß«, sagte Nicki, ehe Roberta sich äußern konnte, »du willst das nicht. Aber ich muss mit dir reden, ehe ich daran ersticke.«

      Typisch Nicki, sie war eine Dramaqueen und konnte aus einer Mücke einen Elefanten machen. Wahrscheinlich würde sie ihr gleich etwas erzählen, was bis zum Abend Zeit gehabt hätte, oder aber …

      »Du willst mir sagen, dass du dich entschlossen hast, doch zur Neueröffnung des ›Seeblicks‹ zu kommen. Das ist eine sehr gute Idee, Nicki. Roberto Andoni wird sich freuen.«

      Nicki und der italienische Gastwirt, der den ›Seeblick‹ übernommen hatte, waren ­aufeinander geflogen wie zwei im Sommerwind taumelnde Schmetterlinge. Und während Roberto noch immer darauf hoffte, dass es mit ihm und Nicki etwas würde, hatte Nicki sich zurückgezogen. Es war so verrückt, sie war in Roberto verliebt, aber der Gedanke, im Sonnenwinkel leben zu müssen, an der Seite eines Gastwirts, hatten sie die Reißleine ziehen lassen. Sie hatte es Roberto eigentlich sagen wollen, es dann aber doch nicht fertig gebracht, und nun war alles in der Schwebe.

      Falsch gelegen mit ihren Vermutungen, die Antwort von Nicki kam prompt: »Wie kommst du denn darauf? Da ist noch alles offen, und vermutlich werde ich nicht kommen. Das würde nur falsche Hoffnungen in ihm erwecken. Ich bin froh, dass er mir das mit der Arbeit abnimmt.«

      »Nicki, wenn du ihn nicht willst, warum sagst du es ihm nicht? Und warum lässt du dich nicht einfach auf ihn ein und wartest erst mal ab, wie sich zwischen euch alles entwickelt. Du bist ohne zu überlegen in jede Liebesgeschichte hineingegangen, und jetzt, wo eigentlich alles perfekt ist, weil ihr so wunderbar zusammenpasst, wagst du nichts.«

      Nicki seufzte abgrundtief.

      »Weil es diesmal anders ist«, sagte sie, und ihre Stimme klang ganz bekümmert. »Ich möchte Roberto nicht verletzen.«

      Roberta gab es auf. Hier kam sie nicht mehr mit. Da gab es Gefühle von beiden Seiten, und Nicki ließ es wegen irgendwelcher Äußerlichkeiten scheitern. Sie hatte, abgesehen von kleinen Stippvisiten, noch nicht im Sonnenwinkel gelebt, lehnte das Leben hier aber ab, weil sie sich da in ihrem Kopf zurechtgelegt hatte. Und es war nie die Rede davon, dass sie im Restaurant mitarbeiten sollte, Roberto hatte genügend Personal, doch auch da sah sie sich als Serviererin, die Tabletts balancieren musste.

      »Du hast Angst«, sagte Roberta ihr auf den Kopf zu. »Und deswegen machst du diesen Eiertanz. Okay, du bist alt genug, um deine Entscheidungen zu treffen, doch bitte jammere mir später nichts vor und weine um dein verlorenes Glück, wenn Roberto eine andere hat. Er ist ein kultivierter, attraktiver Mann, und glaub mir, da gibt es einige Frauen, die ihn mit Kusshand nehmen würden.«

      Ursel Hellenbrink steckte den Kopf zur Tür herein. »Entschuldigen Sie, Frau Doktor, der Pharmavertreter ist da, mit dem Sie einen Termin haben«, flüsterte sie.

      Roberta bedankte sich, dann wandte sie sich wieder ihrer Freundin zu, wollte das Gespräch beenden, als sie sich erinnerte, dass Nicki ihr etwas Wichtiges sagen wollte, an dem sie ersticken würde, wenn sie es nicht los wurde.

      Und wenn es Roberto nicht war …

      Ein wenig neugierig war sie schon.

      »Ich muss hier weitermachen, Nicki«, sagte sie, »sag rasch, weswegen du angerufen hast, weil du unbedingt etwas loswerden musstest.«

      »Ach ja, stimmt, du hast mich völlig durcheinandergebracht. Ich hatte vorhin in der Stadt ein Erlebnis der besonderen Art.«

      Roberta verdrehte die Augen.

      Wenn Nicki so anfing, konnte sie sich sehr blumenreich mit der Vorrede aufhalten, ehe sie zum Kern der Sache kam.

      »Nicki, ich habe keine Zeit«, erinnerte sie ihre Freundin.

      »Ein Vertreter wartet, und im Wartezimmer sitzen auch noch Patienten. Wir können heute Abend reden, da kannst du mir alles in epischer Breite erzählen.«

      Davon wollte Nicki nichts wissen.

      »Oh nein, also …«, sie holte tief Luft, »ich habe vorhin in der Stadt deinen Ex getroffen, und leider konnte ich ihm nicht ausweichen.«

      Da sie in einer Stadt wohnten, da sie sich kannten, war das manchmal unausweichlich.

      »Schön«, sagte Roberta.

      »Nein, meine Liebe, nicht schön. Warum auch immer. Er ist wütend auf dich, und er hat gesagt, dass er dich fertig machen will. Und so, wie er aussah, wie seine Stimme klang, nehme ich ihm das ab. Roberta, ich weiß ja nicht, was vorgefallen ist.

      Doch nimm dich bitte in Acht …, er hat auch gesagt, dass er etwas gegen dich in der Hand hat, was dir das Genick brechen wird und dass du …, dass du dich … warm anziehen sollst.«

      Natürlich fiel Roberta sofort der Besuch ihres Exmannes ein, der nicht den Erfolg gebracht hatte, den er sich erhoffte.

      Max war jetzt wütend, er kochte. Aber was sollte er denn gegen sie in der Hand haben?

      Im Gegensatz zu Nicki war sie nicht aufgeregt, sie erzählte ihr rasch, was geschehen war.

      »Max kann Ablehnung nicht vertragen, und weil er weiß, dass du meine Freundin bist, die mir natürlich alles brühwarm erzählt, will er mir vermutlich nur ein wenig Angst machen. Mach dir keine Sorgen, Nicki, aber danke,