Crane zwinkerte ungläubig mit den Augen. Auch der Fahrer war alles andere als gewöhnlich.
Ein vollkommen schwarz gekleideter Mann saß stocksteif am Steuer. Er trug eine schwarze Melone, einen Eckkragen und eine dunkle Krawatte. Zusammen mit seinem Wagen schien dieser Mann einem Museum für Verkehrskunde entsprungen zu sein.
„Wie ein richtiger Butler“, hauchte die Blondine andächtig, die sich an einen englischen Gesellschaftsfilm erinnerte, in dem ein Butler mitgespielt hatte.
„Und verdammt flott“, sagte Crane und schüttelte verwirrt den Kopf, „ich möchte bloß wissen, woher er die Schnelligkeit nimmt …!“
Inzwischen hatte das hochbeinige Monstrum sich vor den Mustang gesetzt und fraß die breite Straße förmlich in sich hinein. Crane gab seinem Mustang die Sporen und versuchte aufzuholen. Er warf einen schnellen Blick auf den Drehzahlmesser und wunderte sich, wie hoch die Nadel kletterte.
„Der ist aber schnell“, kommentierte die Blondine, „können wir den nicht einholen …?“
„Natürlich können wir“, antwortete Crane. Um seinen Mund bildete sich ein etwas verbissener Zug, „werden wir gleich haben!“
Er gab noch mehr Gas und machte sich zum Überholen bereit. Er spürte, wie der Motor des Mustangs willig das Gas annahm und beschleunigte.
Doch aus dem Überholen wurde nichts.
Das hochbeinige Monstrum fuhr unbeeindruckt weiter, wurde schneller, ließ es sich aber kaum anmerken. Der kastenförmige Aufbau lag satt und fest auf dem Chassis und schluckte die steigende Geschwindigkeit.
„Der wird ja immer schneller“, sagte die Blondine und beugte sich vor.
„Na, und …?“ gab Crane gereizt zurück, „wir jetzt auch!“
Nun wollte der Privatsekretär und Quartiermacher des Big Boß Hartley es wissen. Er trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch und duckte sich dabei unbewußt ab. Er und seine Begleiterin wurden förmlich in die Rücklehnen gepreßt, soviel hatte der Mustang noch an Kraft zuzusetzen.
Das hochbeinige Monstrum nahm dieses gesteigerte Tempo gelassen hin.
Es wurde schneller und ließ in Crane erst gar nicht den Gedanken aufkommen, jetzt überholen zu können. Crane schielte nach dem Tachometer. Er schluckte trocken, denn die Nadel pendelte um 190 Stundenkilometer.
Der Mustang, keineswegs ein schlechter Wagen, wurde etwas schwammig in den Federn und ließ sich nicht mehr so gelassen steuern wie eben noch. Er tänzelte nervös und zeigte damit ah, daß er keineswegs ein reiner, hochklassiger Sportwagen war.
„Jetzt aber!“ stieß die Blondine aus, „jetzt schaffen wir ihn!“
Sie konnte recht behalten.
Das hochbeinige Monstrum schien etwas müde zu werden. Aus dem dicken Auspuff quollen leicht dunkle Wolken.
„Er wird sauer“, stellte Crane zufrieden fest, „mußte dieser Trottel auch den Motor überziehen?“
Crane scherte nach links aus. Nun wollte er das hochbeinige Monstrum endgültig packen. Er merkte nichts von den kleinen Schweißperlen auf seiner Stirn. Das Steuern des tänzelnden Mustangs nahm ihn mehr mit, als er dachte.
In diesem Moment passierte es.
Das Monstrum tat plötzlich einen wahren Panthersatz nach vorn, wurde schneller und schien erst jetzt wach zu werden. Aus dem mächtigen Auspuff drangen dunkle Rauchwolken.
Crane traute seinen Augen nicht. Er hechelte unwillkürlich vor Aufregung. Die langbeinige Blondine keuchte und glaubte an einen bösen Traum.
Das hochbeinige Monstrum auf seinen Lastwagenrädern hatte sich in eine Art
Düsenjäger auf Rädern verwandelt. Innerhalb weniger Sekunden schmolzen die Ausmaße dieses seltsamen Wagens zu einem Medizinball zusammen, der blitzschnell zu einem dunklen Punkt am Horizont wurde. Dann war der Wagen in der sirrenden Hitze des Nachmittags verschwunden.
Crane war entnervt.
Er bremste den Mustang ab, fuhr an den Straßenrand und starrte in dumpfer Trauer auf die jetzt leere Straße. Er wußte nicht, ob er nur geträumt hatte. Ihm erging es dabei wie seiner blonden Beifahrerin, die unentwegt und monoton den Kopf schüttelte.
*
Josuah Parker hatte die Vorgänge um und in dem überholten Mustang überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Er hatte nach seiner Auffassung völlig normal einen Wagen überholt und war dann schnell weitergefahren. Da sein junger Herr nicht neben ihm saß, brauchte er sich hinsichtlich der Schnelligkeit und seines Fahrstils keine Beschränkungen aufzuerlegen. Ihm ging es darum, in vertretbarer Schnelligkeit nach Las Vegas zu kommen, wo Mike Rander auf ihn wartete. Sein junger Herr beriet dort den Besitzer einiger Motels, der sein Eigentum an eine Firmengruppe verkaufen wollte. Mike Rander war mit einer kleinen Reisemaschine vorausgeflogen. In Las Vegas wollte er in Parkers Monstrum übersteigen. Die Fahrt — so war es geplant — sollte dann hinauf nach Nordosten gehen.
Irgendwelche Kriminalfälle standen nicht zur Debatte. Sie zeichneten sich auch keineswegs ab. Parker hatte das Gefühl, daß auf diesem Gebiet sich so etwas wie eine Flaute abzeichnete. Was ihm natürlich auf keinen Fall paßte. Er haßte Untätigkeit auf diesem speziellen Gebiet, war ihm doch stets klar und bewußt, daß die großen und kleinen Gauner und Verbrecher niemals die Hände in den Schoß legten.
Nach etwa einstündiger Fahrt verspürte der Butler das Verlangen nach einer Tasse Tee. Als original englischer Butler bevorzugte er dieses Getränk, obwohl er sich stets immer wieder mit jenem abscheulichen Gebräu auseinanderzusetzen hatte, das die Amerikaner in Verkennung ihrer Sachlage Tee nannten.
Parker bog also von der breiten und schnurgeraden Straße ab und hielt vor einem Schnellimbiß, der ihm vertrauenswürdig vorkam. Würdevoll und gemessen stieg er aus seinem hochbeinigen Monstrum und schritt auf den Eingang zu.
Vorn am Tresen saßen auf hohen Barstühlen Lastwagenfahrer, die sich stärkten. Sie schauten hoch in den Spiegel über dem Gläserschrank und grinsten wie auf ein geheimes Kommando. Solch einen komisch und seltsam aussehenden Mann hatten sie lange oder nie gesehen. Sie ließen ihre Stühle herumwirbeln und starrten den Butler ungeniert an.
Genauso ungeniert wurde Parker auch von den übrigen Gästen beobachtet, die an kleinen, viereckigen Tischen saßen. Es handelte sich um nette Leute, die einen Trip nach Las Vegas unternahmen, um dort Bargeld mit tödlicher Sicherheit loszuwerden.
„Ich erlaube mir, einen guten Tag zu wünschen“, sagte Parker mit vertraut wohlklingender Stimme, lüftete seine schwarze Melone und nahm an einem freien Tisch in der Nähe des Fensters Platz.
Die Gäste des Schnellimbiß wußten nicht, was sie sagen sollten. Daher verzichteten sie darauf, Parkers Gruß zu beantworten. Sie grinsten sich belustigt an und widmeten sich dann wieder ihren Getränken und Abendessen.
„Kochend heißes Wasser, wenn ich höflichst bitten darf“, sagte Parker zu dem Barkeeper, der sich herabgelassen hatte, zu ihm an den Tisch zu kommen, um sich diesen seltsamen Gast einmal aus der Nähe anzusehen. „Ein Kännchen, wie ich hinzufügen möchte …!“
„Is’ das alles …?“ erkundigte sich der Barkeeper.
„In der Tat“, erwiderte der Butler achtunggebietend, „ich werde Ihnen die entstandenen Unkosten selbstverständlich vergüten!“
Parker sah bereits gelangweilt zum Fenster hinaus und schien den verdutzten Barkeeper vergessen zu haben. Anschließend befragte er seine unförmig aussehende Zwiebeluhr, die an einer soliden Nickelkette hing. Er erfuhr, daß er bis zum vereinbarten Zeitpunkt noch drei Stunden Zeit hatte.
Als der immer noch verdutzte Barkeeper mit dem kochenden Wasser erschien, öffnete der Butler eine kleine Schachtel, die er aus einer seiner vielen unergründlichen Taschen hervorgezogen hatte und entnahm ihr einen kleinen Teebeutel.
Beobachtet