Parker zündete die kurze Lunte der ersten Rakete an und visierte mit dem Startstock die Limousine an.
Sekunden später fauchte und zischte die erste Rakete vom Stock los.
Sie lag etwas zu kurz, platzte auseinander und versprühte eine Vielzahl von bunten und schillernden Knallkörpern. Diese Knallkörper tanzten und wirbelten durch das Gelände und verwirrten die Angreifer, die mit solch einer Verteidigungswaffe nicht gerechnet hatten.
Die zweite Rakete traf bereits erstaunlich genau.
Sie zischte durch eine der geöffneten Wagenscheiben in die Limousine hinein und setzte sie in Brand.
Dunkler Rauch quoll in kürzester Zeit aus dem Fond. Wenig später züngelten die ersten Flammen in die Höhe.
Die Angreifer, die noch gar nicht zum Zuge gekommen waren, waren total verwirrt. Der brennende Wagen hinter und neben ihnen paßte einfach nicht in ihr Bild.
Inzwischen war Parker bereits dabei, den Kleinlieferwagen unter Raketenbeschuß zu nehmen. Er benötigte drei Feuerwerkskörper, bis auch dieser Wagen sich in Rauch, Qualm und Feuer hüllte.
»Sie sollten zur Raketenwaffe übertreten«, frotzelte Rander seinen Butler an, »ausgezeichnet, Parker!«
»Ich werde mir erlauben, jetzt die Rauchkörper in Betrieb zu setzen«, erwiderte Parker. Er nahm drei Kleinkonserven, deren obere Zündlaschen er energisch einriß.
Anschließend warf der Butler mit der Kraft und Zielsicherheit eines verhinderten Olympioniken die Rauch- und Nebelbüchsen, die übrigens aus Armeebeständen stammten, in Richtung der Angreifer.
Grauschwarze Nebelschwaden quollen auf und nahmen jede Sicht. Rander und Parker setzten sich in ihren Mietwagen und fuhren im Schutz der Nebelwand davon. Es wurde zwar etwas zaghaft geschossen, doch die mangelnde Sicht verhinderte jeden Treffer.
Parker, der am Steuer saß, brachte den Mietwagen in einem weiten Bogen zurück auf die Straße und nickte dann seinem jungen Herrn zu, der ein rechteckiges Paket auf dem Schoß hielt, in dem sich breitkrempige Nägel befanden, die zum Anheften von Dachpappe auf Dächern vorgesehen waren.
Mike Rander zweckentfremdete diese Pappnägel und verteilte sie freigiebig auf die Straße. Er glich dabei in etwa einem Landwirt, der sein Saatgut auf die Felder streut.
Daß ihre Nagelernte aufgehen würde, wußten Rander und Parker. Sie hatten sich dieser Nägel schon häufig bedient.
Es war fast Mittag, als Rander und Parker wieder in Los Angeles eintrafen. Da sie keine Zeit verlieren wollten, verzichteten sie auf das gewohnte Mittagessen und fuhren sofort durch bis Burbank, einem Stadtteil von Los Angeles.
Ihr Ziel war eine gewisse Maud Wilbure, die in der Forest Street wohnte. Sie hatten diese Adresse der Liste entnommen, die CIA-Agent Clayton ihnen in Chikago überlassen hatte.
Maud Wilbure war eine Meeresbotanikerin, die erst vor wenigen Wochen unter recht befremdlichen Umständen darauf verzichtet hatte, Leiterin einer Außenstation auf Catalina Island zu werden.
Maud Wilbure hatte sich zwar ordentlich und regulär für diesen Posten beworben und war auch zu einem Informationsgespräch bestellt worden. Im, Verlauf ihrer Unterhaltung hatte sie die erstaunliche Neigung erkennen lassen, ihren männlichen Gesprächspartner auszuziehen. Womit der Chef der meeresbiologischen Zentralstation nicht unbedingt einverstanden war.
»Maud Wilbure gehörte nach CIA-Agent Claytons Meinung zu dem Personalkreis, der gegen seinen Willen durch Fremdbeeinflussung der Wissenschaft verlorengegangen war.
Rander, der die Hausnummern in der Forest Street beobachtet hatte, deutete auf einen zweistöckigen Steinbau in der stillen Straße. Dort mußte die junge Dame wohnen. Es gab einen Haupteingang vorn an der Straße, und einen zweiten Eingang für das Obergeschoß, der aus einer Außentreppe bestand.
Parker hielt den Wagen an und stieg aus.
»Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich die Lage sondieren«, sagte er und lüftete seine schwarze Melone.
»Okay, ich decke Ihnen den Rücken, falls wir verfolgt worden sind«, erwiderte Rander und untersuchte sicherheitshalber seinen kurzläufigen 38er.
Parker ging auf das Haus zu und studierte das Namensschild am Haupteingang.
»Wollen Sie was?« fragte eine schrille, scharfe Stimme aus einem kleinen Seitenfenster, das einer Schießscharte glich.
»Ich habe die Absicht, Miß Maud Wilbure meine Aufwartung zu machen«, sagte Parker und bemühte erneut seine Melone.
»Dann gehen Sie mal hinauf«, sagte die schrille Stimme hinter der sich leicht bewegenden Gardine der Schießscharte, »nutzen Sie die Gelegenheit! Lange wird die Schlampe nicht mehr hier wohnen. Die setze ich raus!«
Der Ausdruck Schlampe war weit übertrieben.
Gewiß, Maud Wilbure bewegte sich nicht gerade in einer gepflegten Umgebung, und sie hatte auch keinen Wert auf Ordnung gelegt, aber sie befand sich auf keinen Fall in einem Chaos.
Sie stand vor einem Plattenspieler, der Soul-Musik produzierte. Sie stand, aber sie bewegte sich, von ihren Fußsohlen einmal abgesehen, mit ihrem ganzen Körper. Sie genoß die Musik mit allen Muskeln und erinnerte irgendwie an eine Tänzerin, die sich in höchster Ekstase befindet.
Sie trug einen leichten, bunt bedruckten Baumwollkittel, dessen Knöpfe allerdings nicht geschlossen waren. Unter diesem Kittel hatte sie nichts als ihre Haut, doch das störte sie nicht.
Das störte auch nicht den jungen Mann, der mit gekreuzten Beinen auf dem Sisalteppich saß und versonnen eine Zigarette rauchte. Keinen Hasch, wie man vielleicht hätte vermuten können. Parkers Nase fand das sofort heraus.
»Ich erlaube mir, einen besonders schönen Tag zu wünschen«, begrüßte Parker die beiden netten Menschen und lüftete seine schwarze Melone, »darf ich unterstellen, daß ich nicht sonderlich störe?«
Maud Wilbure schien nichts gehört zu haben. Sie tanzte selbstvergessen noch einen Moment weiter, drehte sich dann aber zu Parker um und lächelte freundlich.
Maud Wilbure zählte etwa fünfundzwanzig Jahre, war gut gebaut und vollschlank. Sie nickte dem Butler zu und stellte das Plattengerät ab.
»Was gibt s?« wollte sie wissen.
»Nur ein paar private Fragen«, erwiderte Parker, »ich interessiere mich für ein gewisses Jenseits, falls Ihnen dieser Name etwas sagt!«
»Fein!« erklärte sie. Der Mann im Schneidersitz reagierte nicht. Er mochte Parkers Gegenwart noch gar nicht wahrgenommen haben.
»Darf man fragen, wo man Kontakte mit dem Jenseits herstellen kann?« lautete Parkers nächste Frage.
»Überall«, sagte Maud Wilbure und lächelte weiter, »wollen Sie einen Drink?«
»Nicht jetzt, vielleicht später. Wie darf ich Ihr Überall auslegen, Miß Wilbure? Muß man warten, bis das Jenseits sich meldet?«
»Genau!«
»Und lohnt sich solch ein Kontakt?«
»Immer«, erwiderte sie mit einem träumerischen Unterton in der Stimme. »Immer! Man ist plötzlich ein anderer Mensch. Man weiß, was das Leben wirklich ist. Nur für sich selbst da sein. Keine Plackerei mehr. Kein verrückter Ehrgeiz. Kein Karrieredenken mehr. Man ist einfach glücklich. Man könnte die ganze Welt umarmen!«
»Und wie, wenn ich fragen darf, stellte das Jenseits den Kontakt mit Ihnen her?«
»Es war einfach da … Ganz plötzlich … Lassen Sie sich überraschen! Es wird sich melden. Bestimmt!«
Damit war für Maud Wilbure die Unterhaltung bereits beendet. Sie widmete sich wieder dem Plattenspieler, drehte die Langspielplatte um und begann auf der Stelle zu tanzen. Sie summte die Melodie mit.
Der Mann im Schneidersitz ließ sich nach hinten fallen und schloß die