»Okay, angenommen, Sie haben recht, Parker. Warum hat Stringale sich dann nicht abgesetzt und die Kassette dort geholt, wo sie ist. Stringale allein konnte und kann doch nur wissen, wo dieses verdammte Ding steckt.«
»Stringale dürfte es darum gegangen sein, Sir, Mister Ashland nachdrücklich zu beseitigen. Und dies bot sich in dieser grandiosen Bergwildnis geradezu einmalig an.«
»Da ist was dran«, sagte Rander, der aufmerksam zugehört hatte.
»Stringale lockt seinen früheren Teilhaber Ashland hierher in den National-Park, hetzt ihn auf das vermeintliche Versteck und macht gleichzeitig Treibjagd auf ihn. Und je mehr er auf Ashland schießt, desto fester mußte Ashland daran glauben, daß er an der richtigen Stelle gräbt.«
»Eine nette Theorie«, sagte Surton, »demnach hätte Stringale seinen Teilhaber Ashland von der richtigen Stelle weggelockt!«
»Sehr wahrscheinlich«, meinte Anwalt Rander, »aber wo ist die richtige Stelle?«
»Ich glaube, Sir, mit einer weiteren Theorie dienen zu können«, sagte Parker, um dann Surton anzusprechen, »ich glaube ferner, Sir, daß Sie gerade die richtige Lösung geliefert haben.«
»Ich!?« Surton war natürlich mehr als erstaunt. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was er da angestellt haben sollte.
»Sie, Sir!« Parker nickte noch einmal, »ich darf darauf verweisen, daß Mister Ashland seinerzeit den Landsitz Mister Dehlingers kaufte.«
»In Bend, nicht wahr?« Rander sah seinen Butler interessiert an. Er war hellhörig geworden.
»In der Tat, Sir! Dehlinger befand sich später auf der Flucht, nachdem seine Bande von der Polizei zerschlagen worden war. Wir dürfen und müssen unterstellen, daß er die bewußte Kassette mit sich führte …«
»Sie glauben, Dehlinger habe die Kassette damals auf dem Gelände seines früheren Landsitzes versteckt?«
»Ein Gelände, Sir, das er mit Sicherheit mehr als gründlich kannte. Wenn ich mir einen Rat erlauben darf, Sir, so sollte man sich diesen Landsitz einmal aus der Nähe ansehen. Vielleicht ist es ratsam, Mister Stringale mitzunehmen.«
Es war weit über Mittag, als sie Dehlingers Landsitz erreicht hatten. Das breit gelagerte Haus im Rancherstil stand außerhalb der kleinen Stadt in einer wahrhaft idyllischen Umgebung.
Da war die große Talsenke, die zu beiden Seiten von hohen Felsflanken anstieg, stand das Landhaus, das aus einem Haupthaus, einigen Stallungen und Scheunen bestand.
Den Zugang zu dieser grünen Talsenke bildete eine gut ausgebaute Straße mit Schotterbelag. Auf diesem Zufahrtsweg stand das hochbeinige Monstrum des Butlers, in dem sich außer Rander und Surton auch noch Stringale befand.
Stringale war während der Fahrt nach Bend immer ruhiger und nachdenklicher geworden. Jetzt starrte er fast finster auf den Landsitz seines ehemaligen Bandenchefs.
»Hier muß die Kassette sich meiner bescheidenen Ansicht nach befinden«, sagte Parker, »wie denken Sie darüber, Mister Stringale?«
»Quatsch!« Stringale war gereizt. Zu gereizt, wie Parker bemerkte.
»Sind meine Schlußfolgerungen wirklich derart abwegig?«
»Warum hab’ ich mir das Ding dann nicht längst unter den Nagel gerissen?« wollte Stringale wissen.
»Sie hatten Zeit, wenn ich es so ausdrücken darf … Und Sie mußten vorsichtig sein! Der Landsitz wurde von Mister Ashlands Angestellten immer sehr gut überwacht. Sie konnten also nicht ungestört Ihren Schatz bergen … Zuerst mußten Sie Mister Ashland beseitigen. Dann hätten Sie das gehabt, was man freie Hand nennt!«
»Sie spinnen ja!« Stringales Stimme war nicht besonders fest. Parkers Schlußfolgerungen schienen ihm auf die Nerven zu gehen.
»Betrachten wir uns das Panorama …« redete der Butler weiter, ohne sich aus dem Konzept bringen zu lassen. Rander und FBI-Agent Surton verhielten sich schweigend. Sie hatten beide das Gefühl, daß der Butler sich auf der richtigen Fährte befand. Parker deutete mit seiner schwarzbehandschuhten rechten Hand nach unten, »betrachten wir uns das Panorama. Darf ich fragen, was Ihnen besonders auffällt?«
»Das Haus natürlich«, sagte Surton.
»Der Wasserfall«, meinte der junge Anwalt, »sieht toll aus, wie er da über die Felswand kommt.«
Rander hatte nicht übertrieben.
Ein Wasserfall schoß auf der rechten Talseite über eine Felswand nach unten und produzierte am laufenden Band Gischt und eine Art Wassernebel. Der Wasserfall ergoß sich in einen künstlich angelegten Teich, der den sonst obligaten Swimmingpool ersetzte.
»In der Tat, Sir, der Wasserfall!« bestätigte Parker und schaute verstohlen in den Rückspiegel.
Stringales Gesicht war plötzlich blaß. Seine Kiefernmuskeln mahlten. Er nagte an der Unterlippe.
»Hoffentlich ist die Kassette wasserdicht«, redete der Butler gemessen weiter und ließ Stringale diesmal nicht aus den Augen. »Ich denke da an die Aktienpapiere, die sich in ihr befinden sollen …«
»Fahren Sie endlich weiter!« forderte Stringale plötzlich mit rauher Stimme. »Warum schreiben Sie keine Krimis? Ihre Phantasie müßte ausreichen!«
»Gönnen Sie mir das Vergnügen, meine Phantasie noch etwas zu pflegen«, entgegnete der Butler. Rander und Surton hatten sich zu Stringale umgewandt, der lauernd-gespannt auf dem Rücksitz des hochbeinigen Monstrums saß.
»Sie können suchen, solange Sie wollen, das Versteck werden Sie niemals finden!« Stringale gab sich überlegen, doch er wirkte damit nicht sehr überzeugend. Man sah ihm deutlich an, daß Parkers Schlußfolgerungen ihn bereits in die Enge getrieben hatten.
»Versetzen wir uns in die Lage Mister Dehlingers, der sich seinerzeit auf der Flucht vor der Polizei befand«, meinte der Butler gelassen und überlegend zugleich. »Mister Dehlinger mußte stündlich damit rechnen, gefaßt zu werden. Er hatte die bewußte Kassette bei sich und mußte sie so schnell wie möglich loswerden. Er suchte nach vertrautem Boden, um sie dort zu verstecken. Und er war erwiesenermaßen hier auf dem Landsitz, bevor er gestellt wurde.«
Stringale sagte überhaupt nichts.
»Mister Dehlinger kommt also hierher, wo inzwischen Ashland wohnt. Ihm selbst will und kann er nicht trauen … Aber Dehlinger weiß wahrscheinlich von früher her, wo er die Kassette sicher unterbringen kann. Er beschließt, dieses Versteck zu benutzen.«
Stringale senkte den Kopf und nagte weiter an seiner Unterlippe.
»Dehlinger läßt die Kassette zurück, kehrt dieser Gegend den Rücken und wird wenig später von der Polizei gestellt … Sie, Mister Stringale, wissen sehr wohl, daß die Kassette sich hier auf dem Landsitz befinden muß.«
»Selbst wenn … Aber wo?« Stringales Stimme klang plötzlich höhnisch.
»Unter dem Wasserfall«, sagte Parker, der einen Schuß ins Blaue riskierte. Es war ein Volltreffer!
Stringale lachte zwar gequält, höhnisch auf, aber Rander und FBI-Agent Surton wußten, daß Parker mit seiner Behauptung richtig lag.
Sie standen am Teich, in den sich der Wasserfall ergoß. Ein dumpfes Brausen erfüllte die Luft, Wasserschleier, von der Sonne vergoldet, wehten durch den Äther.
»Und jetzt?« fragte Stringale, ohne daß man ihn zu einer Stellungnahme aufgefordert hatte. »Und jetzt? Mit Zitronen gehandelt, wie?«
Es sah danach aus.
Das Wasser schoß etwa zehn Meter höher über den Felsrand und donnerte nach unten. Der Abstand zwischen dem Wasser und der Felswand betrug etwa zwei bis drei Meter unten am Teich. Gischt schäumte hoch, wühlte das Wasser auf, bildete eine Art Wasserwalze, die etwa zwei Meter im Durchmesser betrug. Hinter dieser Walze war von der Felswand kaum etwas