„Sind die näheren Umstände des tödlichen Unfalls bekannt, Sir?“ Parker sah Madford ruhig und würdevoll an. Er hatte sich entschlossen, den Namen Mona Custer vorerst nicht zu nennen. Er wollte Lieutenant Madford nicht unnötig belasten.
„Wake wurde überfahren … Ein völlig simpler, wenn auch bedauerlicher Verkehrsunfall.“
„Flüchtete der Fahrer, Sir?“
„Das allerdings
„Demnach scheint Mord nicht ausgeschlossen zu sein, Madford.“ Mike Rander nickte seinem Butler zu. „Ihre Nase, Parker, lag wieder mal richtig im Wind.“
„Sie bringen einen alten, müden und relativ verbrauchten Mann in einige Verlegenheit, Sir.“
„Hören Sie doch nur mit der Masche auf“, erregte sich Madford prompt, „wie stellen Sie sich überhaupt die weitere Zusammenarbeit vor? Ich warne Sie, kommen Sie mir nur nicht ins Gehege, Parker! Diese Mona Custer nehme ich mir vor!“
„Sehr wohl, Sir! Als Freundin der ermordeten Jane Gilbert kann sie möglicherweise mit einigen Auskünften dienen.“
„Und wie sieht’s mit den Memoiren von Paul Wake nun wirklich aus? Haben Sie sie gefunden? Hoffentlich versuchen Sie nicht, mich aufs Kreuz zu legen. Wenn ich herausbekomme, daß Sie die Memoiren inzwischen haben, dann können Sie Gift darauf nehmen, daß ich Anklage wegen …“
„Madford, Sie benehmen sich unmöglich!“ Rander sah den Lieutenant entgeistert an, „da bringt Parker Sie auf eine heiße Spur, zeichnet Ihnen Zusammenhänge auf, hinter die die Polizei überhaupt noch nicht gekommen ist, und Sie werfen hier mit Drohungen nur so um sich.“
„Wenn Sie verlangen, daß ich Parker jetzt auch noch umarmen soll vor Dankbarkeit, dann sind Sie auf dem Holzweg.“ Madford blitzte Josuah Parker gereizt an. „Auch ohne Ihren Butler wären wir diesen Brandstiftern auf die Spur gekommen. Früher oder später!“
„Das Wort ‚früher‘ können Sie in diesem Zusammenhang aussparen“, frotzelte Mike Rander den Lieutenant an, „aber machen Sie sich nichts daraus, Madford, es muß ja auch langsame Leute geben!“
„Wenn er Ihnen nachweist, daß Sie ihm die Telefonnummer verschwiegen haben, explodiert Madford“, meinte Anwalt Rander eine halbe Stunde später, als er zusammen mit seinem Butler durch die Innenstadt fuhr. „Sind Sie sicher, die Nummer richtig mitbekommen zu haben?“
„Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Sir.“
„Dann wollen wir uns mal überraschen lassen. Sie wissen doch übrigens, daß wir seit dem Verlassen der Tiefgarage beschattet werden?“
„Sehr wohl, Sir. Es handelt sich um den Dienstwagen von Sergeant McLean, der Ihnen und meiner bescheidenen Wenigkeit unauffällig zu folgen sucht.“
„Madford will wohl herausfinden, welche Spuren wir aufnehmen. Er traut Ihnen eben nicht.“
„Falls Sie erlauben, Sir, würde ich Sergeant McLean jetzt abschütteln oder auf eine falsche Spur lenken.“
„Abschütteln würde zu hart sein. McLean würde von Madford dann zerrissen.
„Dann werde ich mir erlauben, ihm eine falsche Spur anzubieten, Sir.“
„Das müßte reichen, Parker! Ich lasse Ihnen da freie Hand.“
Parker steigerte die Geschwindigkeit seines hochbeinigen Monstrums, um den verfolgenden McLean aufmerksam werden zu lassen. Er fuhr jedoch nicht so schnell, daß McLean den Anschluß verlieren konnte.
Josuah Parker kreuzte in einen südlichen Stadtteil hinüber und hielt zu Mike Randers Verblüffung vor einem alten Backsteinbau, in dem eine Tanzschule untergebracht war.
„Die Überprüfung der weiblichen Angestellten müßte Lieutenant Madford für einige Zeit beschäftigen“, meinte Josuah Parker, als er den erstaunt fragenden Blick Mike Randers sah. „Ich hoffe, Sir, Sie sind mit dieser falschen Spur einigermaßen einverstanden.“
„Madford wird auf sämtliche Palmen gehen, wenn er hinter diesen Trick kommt. Aber gut. Einverstanden! Ich werde mal für zehn Minuten drüben in der Tanzschule dumme Fragen stellen.“
Lächelnd verließ Mike Rander das hochbeinige Vehikel und verschwand in dem Backsteinbau.
Im Rückspiegel beobachtete Josuah Parker McLean, der gerade in angemessener Entfernung seinen Ford angehalten hatte und jetzt offensichtlich per Sprechfunk mit seinem Herrn und Meister verhandelte. Josuah Parker konnte sich vorstellen, wie verblüfft Lieutenant Madford nun war.
Im übrigen beschäftigte Parker sich mit seinem Kriminalfall. Wie sein junger Herr schon richtig gesagt hatte, standen hinter der Theorie harte Realitäten. Es gab da eine Gruppe von Gangstern, die gegen Barzahlung Feuer legte und so dafür sorgte, daß die zahlenden Kunden in den risikolosen Genuß von Versicherungsgeldern kamen. Chef dieser Bande mußte, soweit war im Moment bekannt, eine gewisse Tante Ethel sein, die so etwas wie Nichten und Neffen beschäftigte, wie Josuah Parker die männlichen und weiblichen Bandenmitglieder insgeheim nannte. Ferner hatte sich gezeigt, daß sowohl die Nichten als auch die Neffen selbst vor einem Mord nicht zurückschreckten. Hier hatte man es also mit sehr routinierten und brutalen Gangstern zu tun, denen man das Handwerk möglichst schnell legen mußte.
Das Interesse Tante Ethels hatte sich auf die immer noch nicht aufgefundenen Memoiren des pensionierten Versicherungsfachmannes Paul Wake konzentriert.
Die Frage war nun, woher Tante Ethel, die Chefin der „heißen Katzen“ von diesen Memoiren wußte? Auf welchem gewöhnlichen oder ungewöhnlichen Weg war ihr gesteckt worden, daß diese Memoiren für sie sehr gefährlich werden konnten!? Dieser Frage, so fand Parker, mußte energisch nachgegangen werden.
Die nächste Frage lag auf einem anderen Gebiet. Brandstiftungen konnte man schließlich nicht im Versandhandel bestellen. Woher wußten die „heißen Katzen“ vom möglichen Kunden? Wie brachten sie in Erfahrung, wer sich für eine kleine Brandstiftung mit anschließendem Versicherungsbetrug interessierte?
Oder umgekehrt gefragt, wie setzen sich potentielle Versicherungsbetrüger mit Tante Ethel und ihren „heißen Katzen“ in Verbindung?
Parkers Gedankengänge wurden unterbrochen, als Mike Rander zum Wagen zurückkehrte und neben ihm Platz nahm.
„So“, meinte er lächelnd, „das hätten wir! Jetzt werden Madford und McLean sich die Zähne ausbeißen. Die Tanzschule beschäftigt fünf hauptamtliche und vier nebenberufliche Lehrerinnen. Es wird ein paar Tage dauern, bis Madford sie alle durchleuchtet hat.“
„Darf ich Ihnen dann den Vorschlag unterbreiten, das Haus Nr. 1245 zu besuchen, Sir?“
„Falls McLean uns nicht auf den Fersen bleiben will!“
„Falls dies der Fall sein sollte, Sir, müßte ich ihn nun abschütteln. Ihr Einverständnis vorausgesetzt.“
„Hängen Sie ihn ab! Er bleibt hartnäckig hinter uns!“ Rander sah sich unauffällig um. Der Ford McLeans befand sich zwei Wagen hinter ihnen, verlor aber sofort den Anschluß, als Josuah Parker das Tempo seines hochbeinigen Monstrums steigerte und dann hinauf auf eine Hochstraße fuhr, auf der höhere Geschwindigkeiten zugelassen waren.
McLean strampelte sich redlich ab, um hinter dem Wagen Josuah Parkers zu bleiben, bis der Butler dann wenig später plötzlich vor einem großen und hohen Lastwagen die Fahrbahn wechselte und in einer Ausfahrt verschwand.
McLean versuchte ein riskantes Manöver, aber er kam nicht aus seiner Fahrspur heraus. Notgedrungen und wahrscheinlich schimpfend wie ein Rohrspatz mußte er weiterfahren. Seine nächstmögliche Ausfahrt kam erst nach zwei Meilen.
Das Haus Nr. 1245 entpuppte sich zu Randers und Parkers Überraschung als ein ganzer Gebäudekomplex, der aus einem vierstöckigen Hauptbau und drei rechtwinklig dazu stehenden Großbungalows bestand, die durch einen breiten überdachten Laubengang miteinander verbunden waren.
Das