Leni Behrendt Classic 54 – Liebesroman. Leni Behrendt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Leni Behrendt
Издательство: Bookwire
Серия: Leni Behrendt Classic
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740964337
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–«, meinte Korsel bedächtig, wobei er die Augen zusammenkniff und das junge Mädchen prüfend ansah. »Tja, wenn du den Jungen in Schutz nimmst, dann kann ich ja die Waffen strecken. Und was soll der Jüngling denn nun wieder beginnen?«

      »Er soll jetzt endlich die Landwirtschaft erlernen, wie es schon immer sein sehnlichster Wunsch ist«, entgegnete sie fest.

      Korsel lachte erheitert auf. »Aha, da will’s hinaus! Und wenn dem Jüngling auch der Beruf nicht passen, dann kommt er eines Tages mit dem Wunsch, Seiltänzer werden zu wollen, wie?«

      »Julius sollte –«, mahnte die Schwester leise.

      Da schwieg er und griff wieder nach der Zigarre, die er vorhin in die Aschenschale geworfen hatte.

      »Wie mir scheint, wird uns das Herrensöhnchen noch allerlei zu schaffen machen«, brummte er nach einigen Zügen ingrimmig. »Ich glaube, der Bursche will immer das Gegenteil von dem, was andere für richtig halten.«

      »Heino ist ganz gewiß nicht schwer zu lenken«, verteidigte Iris den Angegriffenen ruhig. »Er ist nur unzufrieden mit sich und seinem Geschick, weil er einem Beruf nachgehen soll, der ihm nicht liegt. Daher möchte ich dich bitten, Onkel Korsel, die Erlaubnis zu geben, daß er als Landwirtschaftslehrling auf ein Gut geht.«

      »Hat er dich etwa hergeschickt, um bei mir diese Erlaubnis zu erwirken?«

      »Weil Heino jetzt nicht in der Verfassung ist, deine Vorwürfe ruhig hinzunehmen«, gestand sie furchtlos ein.

      »Ach so, ich bin ja auch solch ein bissiger Wau-Wau, vor dem zarte Jungchen sich fürchten müssen!« polterte er nun los. »Und wenn ich nun wirklich meine Einwilligung gäbe, möchtest du mir dann nicht verraten, wo wir das Söhnchen unterbringen sollen? Hier in der Umgegend nimmt ihn keiner, weil jeder erfahrene Landwirt sich sagen muß, daß das zarte Jungchen sich zum Landwirt eignet wie ein Igel zur Zahnbürste.«

      »Ich würde meinem Bruder eine Lehrstelle besorgen«, erwiderte Iris mit einer Ruhe, die den Hünen immer mehr ergrimmte.

      »Aha – vielleicht bei Herrn Uhde – oder noch besser bei Herrn Arwed Almrudt, der ja jetzt unser Nachbar ist, seitdem er das Erbe seines Onkels angetreten hat. Der verflossene Herr Bräutigam würde dir sicherlich gern den Gefallen tun –«

      »Julius!« rief Fräulein Luise nun unwillig und sah erschrocken zu dem jungen Mädchen hin, das in beängstigender Weise erblaßt war. Langsam stand Iris auf, verabschiedete sich mit leisem Gruß von den Geschwistern und verließ das Zimmer.

      *

      »Das ist aber nett von Ihnen, Herr Uhde, daß Sie mich besuchen!« Mit diesen Worten begrüßte Frau Grall erfreut den Gutsherrn, der sich höflich über ihre Hand neigte. »Und das ist wohl das Töchterchen Graziella? Sei auch du mir willkommen, mein Kind! Tante Mienchen hat mir schon viel von dir erzählt. Nun freue ich mich, dich kennenzulernen.«

      Graziella musterte die Dame eingehend, wie es so ihre Art war, wenn sie einem Fremden gegenüberstand. Ihre Meinung zu äußern, wie sie es ebenfalls zu tun pflegte, wagte sie dieser würdigen Dame gegenüber jedoch nicht. Im Gegenteil, sie begrüßte sie artig und nahm schweigend den Platz ein, den Frau Grall ihr bot.

      »Sie haben sich in den sechs Jahren, in denen Sie der Heimat fern waren, sehr verändert, Herr Uhde«, plauderte die alte Dame in ihrer liebenswürdigen, herzgewinnenden Art.

      »Das ist ja auch kein Wunder, da Sie Schweres durchgemacht haben; einen lieben Menschen hergeben zu müssen, schneidet immer ins Lebensmark.«

      »Das war es nicht allein, gnädige Frau«, entgegnete er höflich. »In den ersten Jahren wurde es mir nicht leicht gemacht, mich durchzusetzen. Ich kam wohl in das Haus meines Onkels, mußte jedoch genauso arbeiten wie ein Fremder – vielleicht noch mehr. Später wurde ich allerdings für die schwere Zeit entschädigt, da ging es mir beneidenswert gut.«

      »Und doch zog die Heimat, Herr Uhde?«

      »Ja! Besonders stark, nachdem ich meine Frau nicht mehr an meiner Seite hatte.«

      »Wird das Töchterchen unser rauhes Klima vertragen?«

      »Ich hoffe doch, gnädige Frau. Sonst müßte ich mich von dem Kinde trennen, was mir natürlich bitter schwerfallen würde. Aber darüber darf ich nicht einmal sprechen. Dann wird mein Mädel traurig. Stimmt’s, Kleines?«

      »Ja«, bestätigte sie. »Ich gehe nicht mehr von meinem Papi fort. Auch nicht, wenn es hier so kalt ist, daß man schrecklich friert.«

      »Es ist vereinbart, daß Graziella den Frühling und Sommer bei mir in Deutschland, die andere Zeit des Jahres in Brasilien verbringen soll«, erklärte Uhde. »Dagegen beginnt sie aber jetzt schon Einspruch zu erheben, jeden Tag aufs neue.«

      »Das kann man dem Kind ja auch nicht verdenken, Herr Uhde; Sie sind ihm ja ein zärtlicher Vater, wie Fräulein Mienchen erzählte. Wenn es irgend geht, behalten Sie nur das Mädelchen bei sich. Kinder können den Eltern zum Segen werden; das habe ich an den meinen so recht erfahren. Es hat sich nämlich in den sechs Jahren Ihrer Abwesenheit viel Trauriges für uns ereignet«, setzte sie leise hinzu, während ihre Augen sich mit Tränen füllten. »Die ersten Jahre glaubte ich nicht überleben zu können – aber der Mensch gibt sich mit der Zeit eben zufrieden. Allein eines weiß ich: Hätte ich meine Kinder nicht gehabt, wäre ich zugrunde gegangen.«

      Uhde sah die alte Dame teilnahmsvoll an. Er glaubte schon, daß es für diese Frau bittere Kämpfe gegeben hatte. Davon zeugten das schneeweiße Haar und das feine Antlitz, in dem Leid und Gram deutlich ihre Runen hinterlassen hatten.

      »Aber jetzt habe ich mich mit allem abgefunden«, erzählte sie weiter. »Ich werde mit viel Liebe umgeben, und das ist für einen Menschen in meiner Lage die Hauptsache. Wenn es so bleibt, wie es jetzt ist, dann will ich gewiß nicht klagen.«

      »Haben Sie denn alles versucht, um Ihr Leiden zu beheben, gnädige Frau?«

      »Es ist alles getan worden, was nur getan werden konnte, Herr Uhde. Das ganze Geld, das wir nach dem Zusammenbruch durch Verkauf von Wertgegenständen erhielten, hat meine Tochter für mich geopfert. Aber was einmal tot ist, das kann nicht mehr zum Leben erweckt werden. Das wußte ich von Anfang an. Ich habe daher nicht zulassen wollen, daß die Kinder das Geld, das sie so nötig für sich gebraucht hätten, immer nur für mich ausgaben. Aber sie hörten ja nicht; sie wollten eben nichts unversucht lassen.«

      »Ist es Ihrem Fräulein Tochter nicht schwergefallen, sich in den veränderten Verhältnissen zurechtzufinden, Frau Grall?«

      »Das habe ich nie zu spüren bekommen, Herr Uhde. Mein Mädel hat nie geklagt. Der Junge allerdings, der hat noch oft und lange gemurrt. Dann aber hat auch er sich allmählich zufriedengegeben. Er wäre nämlich so gern Landwirt geworden. Allein Herr Korsel, sein Vormund, hält den Kaufmannsberuf als geeigneter für ihn. Da muß man sich schon seiner besseren Erfahrung beugen. – Mein Sohn hat jetzt gerade Urlaub«, erzählte sie weiter. »Schade, daß das Wetter bisher so wenig schön war. Heute ist es ja besser, da haben die Kinder gleich einen langen Spaziergang unternommen.«

      Uhde hörte dem Geplauder schweigend zu. Demnach schien die Dame ahnungslos von dem zu sein, was sich zwischen ihrem Sohn und Mollgeit zugetragen hatte. Wahrscheinlich erzählten ihre Kinder ihr nur das, was sie nicht erregen konnte. Und das ließ sich ja auch sehr leicht durchführen, weil die Kranke abgeschieden lebte.

      »Da kommen die Kinder ja schon –«, sie zeigte mit einer Kopfbewegung aus dem Fenster, an dem sie saß und von dem aus sie einen Teil des Gutshofes übersehen konnte. Die Geschwister kamen Arm in Arm. Sie schienen sich gut zu unterhalten, denn sie lachten vergnügt.

      Nun hatten sie die Mutter an dem Fenster entdeckt und winkten mit den Schneeglöckchen, die sie in der Hand hielten, fröhlich grüßend zu ihr hinüber.

      Als sie das Zimmer betraten und die unerwarteten Gäste erblickten, wurden die frohen Mienen sofort auffallend abweisend. Iris begrüßte ihren Chef mit dem hochmütigen Kopfneigen, das ihn stets so reizte; Heino verbeugte sich stumm, während er das Kind, das ihm mit großen Augen entgegensah,