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Roswitha Tauber war weiß wie die Wand. »Was… was sagst du da?« Mit großen Augen starrte sie ihre Tochter an.
»Ich… ich werd’ die Heirat mit dem Max absagen«, antwortete diese.
»Das… das ist net dein Ernst?«
»Doch«, Geli nickte, »es ist mein voller Ernst.«
»Ja, was ist denn passiert? Es muß doch was passiert sein, kein Madel sagt einfach so die Heirat ab und mit einem Burschen wie dem Grundner-Max schon mal gar net.«
»Doch«, erwiderte Geli, »ich sag sie ab.«
»Ja, warum denn?«
»Weil ich ihn net liebe…!«
»Aber«, Roswitha Tauber lachte erlöst auf, »oje, ich dacht’ schon, es wär’ was passiert. Der Max hätt’ eine andere Freundin, oder was weiß ich?«
»Daß ich ihn net liebe, das ist net so arg, meinst du?« Gelis Stimme hatte einen aufgeregten Klang.
»Jedenfalls ist es nix, was net behoben werden könnt’«, erwiderte ihre Mutter. »Man… man kann einen Mann lieben lernen. Das wirst du auch noch verstehen.«
Geli schüttelte den Kopf. »Du brauchst dir keine Mühe zu geben. Ich wollt’ dir nur Bescheid sagen. Von hier weg fahr’ ich zu Max und seinem Onkel.«
Erst jetzt registrierte ihre Mutter, wie ernst es Geli mit dem war, was sie eben gesagt hatte.
»Das darf net wahr sein«, murmelte sie, »alles, wofür ich all die Jahre gekämpft hab’, wofür ich mich abgeplagt hab’, all das wirfst du aus einer Laune heraus weg.«
»Wenn du mir eben grad’ zugehört hättest«, erwiderte Geli, »dann wär’ dir klar, was du von mir verlangst. Du hast dich für was abgeplagt, und du hast für was gekämpft. Ich hab’ nix damit zu tun, außer, daß du mich benutzt, um deine Träume zu verwirklichen. Wenn dir so viel an dem gelegen ist, was den Grundners gehört, dann kannst du ja den Onkel heiraten. Ich jedenfalls werd’ den Max net zum Mann nehmen.«
Roswitha saß wie aus Stein gehauen da. Sie wollte was sagen, schaffte es jedoch nicht. Irgendwann stand sie auf und verließ die Stube. Ihr Gesicht war kreidebleich.
Ohne sich länger aufzuhalten, brach Geli auf. Sie setzte sich in ihren kleinen Wagen und fuhr hinaus zum Anwesen Ludwig Grundners. Ein klein wenig aufgeregt war sie schon, als sie läutete und die Vroni ihr die Tür öffnete.
»Der Max ist net da«, sagte sie, »der ist schon vor einer Stund’ zum Bergerhof gefahren. Er will wohl was wegen der Hochzeit besprechen. Mei, was wird das ein Fest werden.
»Ist der Onkel da?« wollte Geli daraufhin wissen.
»Der ist da«, antwortete die langjährige Hausmagd der Grundnerschen.
»Dann frag, ob ich ihn sprechen kann«, erwiderte Geli.
Es dauerte einen Moment, bis die Vroni, sie war seit annähernd vierzig Jahren in Grundnerschen Diensten, begriff, um was Geli sie gebeten hatte. Dann nickte sie.
»Du kannst ruhig schon mitkommen«, sagte sie, »ich muß da niemanden anmelden. Jeder, der kommt, ist willkommen.«
Geli folgte der Hausmagd, und nicht viel später stand sie in der alten Bauernstube, die der Onkel ganz nach seinem Geschmack eingerichtet hatte.
»Servus, Madel«, begrüßte der das hübsche Mädchen.
»Hallo…!« Man sah Geli jetzt die Anspannung deutlich an.
»Ist was?« fragte Ludwig Geli dann auch gleich, wobei er Geli nicht aus den Augen ließ.
»Ich… ich muß mit dir reden«, antwortete die.
»Ist was passiert?«
»Ja«, Geli nickte heftig, »es ist was passiert.« Sie war es leid, auf die gleiche Frage immer die gleiche Antwort geben zu müssen.
»Und was?«
»Ich bin zur Vernunft gekommen.«
»Was heißt das?«
»Daß ich den Max net heiraten kann.«
Einen winzigen Augenblick war es ganz still in der Stube, so viel Zeit brauchte der Onkel, um sich auf die neue Situation einzustellen.
»Du kannst den Max net heiraten«, sagte er, »da schau her, das fällt dir ja früh ein.«
»Ja«, Geli nickte, »das ist wahr, ich hätt’ es viel früher sagen müssen.«
»Dann weißt du es also schon länger?«
»Ja«, antwortete Geli, »daß ich ihn net liebe, weiß ich schon von Anfang an.«
»Und warum sagst es erst jetzt?«
Geli überlegte einen Augenblick.
»Vor allem der Mutter wollt’ ich net weh tun«, antwortete sie dann. »Sie hat sich so sehr gewünscht, in die sogenannten besseren Kreise zu kommen. Ihr ist’s verwehrt geblieben und ich… ich mag net. Net, wenn ich mit einem Mann mein Leben verbringen soll, den ich zwar ganz nett find’, den ich aber net liebe.«
Ludwig Grundner sah Geli eine Zeitlang schweigend an, dann huschte ein Lächeln um seine Mundwinkel.
»Es ist gut, daß du noch rechtzeitig gekommen bist«, sagte er, »immerhin seid’s noch net verheiratet und auch sonst ist das Kind noch net in den Brunnen gefallen.« Dann wurde sein Lächeln zu einem Grinsen. »Der Max verliert mehr als du. Er wird’s zwar net so sehen, aber es ist so. Du bist ein außergewöhnliches Madel, das weiß ich jetzt erst so richtig.«
Geli lächelte verlegen. »Wir…«, sie räusperte sich, »wir können ja in Verbindung bleiben, irgendwie.«
Ludwig sah Geli erstaunt an. »Der Max und du?«
Da schüttelte das zierliche Mädchen den Kopf. »Das wird er net wollen. Ich hab’ eher gemeint: du und ich. Ich… ich wär’ jedenfalls froh drum. Du bist ein gescheiter Mensch, und du weißt, wie die Leut’ sind. Vielleicht würd’ ich dich mal gern um Rat fragen. Immerhin ist das Leben ja net so einfach.«
Da nickte Ludwig Grundner zufrieden.
»Ist schon recht, Madel«, sagte er, dann stand er auf und gab Geli zum Abschied die Hand. »Du kannst immer zu mir kommen, vor allem, wenn du mal einen Rat brauchst.« Dann zögerte er. »Eines würd’ ich aber doch gern noch wissen.«
»Und was?«
»Gibt’s einen anderen?« fragte Ludwig Geli, wobei er Geli nicht aus den Augen ließ. »Ich mein’ jetzt, ob es einen anderen Burschen gibt?«
Geli wurde knallrot, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, es gibt keinen anderen.«
»Bist du sicher?«
»Ich hab’ keinen an der Hand«, erwiderte Geli, dann verabschiedete sie sich und war gleich darauf verschwunden.
Ludwig sah ihr nachdenklich hinterher. »Daß es keinen Neuen gibt, mag ja sein«, brummelte er dabei. »Jedenfalls net, daß du schon mit ihm einig wärst. Aber im Kopf hast einen, da bin ich mir sicher…!«
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Max war zuerst geschockt, als sein Onkel ihm sagte, daß Geli
dagewesen sei, um die Hoch-
zeit abzusagen. Dann schrie er herum, schließlich war er enttäuscht.
»Sie hat einen anderen«, sagte er nach einer Weile, »da bin ich ganz sicher. Sie hat einen anderen. Einfach so sagt kein Madel eine Hochzeit drei Wochen vorher ab. Einfach so net.«
»Sie sagt, daß sie keinen anderen hat«, erwiderte ihr Onkel, »und ich glaube