Der neue Sonnenwinkel 74 – Familienroman. Michaela Dornberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Sonnenwinkel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740962814
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zu halten. Und diesen Stand hier, anders kann man es ja nicht nennen, auch wenn Tische und Stühle vorhanden sind, finde ich besonders schön. Es ist lobenswert, wenn alte Traditionen gepflegt werden. Früher war nicht alles schlecht. Doch wie kann die Jugend da mitreden, wenn sie nicht einmal weiß, worum es eigentlich geht?« Teresa brach in schallendes Gelächter aus.

      Das war wieder ein Thema, über das man sich die Köpfe heiß reden konnte, und das taten die drei Damen denn auch. Selbstredend wurden aus einem Stückchen Kuchen zwei. Das musste einfach sein. Darin waren sich die drei Damen einig.

      *

      Ihre Ehe mit Max Steinfeld war lange schon vorbei, nur sein Name, den sie noch immer trug, erinnerte daran. Roberta wollte nicht mehr daran denken, was da alles gewesen war. Doch sie konnte nicht anders, seit Max plötzlich bei ihr im Sonnenwinkel aufgetaucht war, wurden immer mehr Erinnerungen hochgespült, schöne, weniger schöne, auch verletzende. Das machte ihr bewusst, dass sie längst noch nicht alles verarbeitet hatte, sondern, dass es nur sorgsam verhüllt unter der Oberfläche gewesen war. Vergangenes ließ sich nicht zurückholen, man konnte nichts ausbügeln. Auch nach der Scheidung hatte es sehr unschöne Begegnungen mit ihrem Exmann gegeben. Viel später war da diese unverhoffte Begegnung mit ihm gewesen, mit dieser Frau an seiner Seite, an die sie sich kaum noch erinnern konnte, auch nicht daran, ob er eigentlich mit ihr verheiratet gewesen war oder ob es sich wieder mal um eine seiner Lebensabschnittsgefährtinnen gehandelt hatte. Das spielte auch überhaupt keine Rolle. Damals war er nett gewesen, sehr nett, und ein wenig ihrer Bitterkeit hatte sich aufgelöst. Dieser Besuch jetzt, nachträglich gesehen, war heilend gewesen. Roberta hätte niemals für möglich gehalten, dass sie so etwas im Zusammenhang mit Max sagen würde. Doch es war so. Obwohl sie eine anerkannte, erfolgreiche Ärztin war, dazu auch noch eine mit mehreren Facharztabschlüssen, war sie sie mehr als nur einmal ziemlich minderwertig vorgekommen, hatte an sich als Frau gezweifelt, denn warum sonst war er ständig über die Dörfer gegangen?

      Bei diesem letzten Besuch hatte sie nicht nur seine Wertschätzung gespürt, er hatte es auch ausgesprochen, und Max hatte sich sogar entschuldigt. Und das war gut so.

      Roberta dachte nicht einen einzigen Moment daran, wie es wohl wäre, wenn Max und sie noch miteinander verheiratet wären. Auf so einen Gedanken würde sie niemals kommen, und das wäre auch so, hätte sie nicht die schönste Zeit ihres Lebens mit Lars Magnusson gehabt, ihrer großen, ihrer wahren Liebe.

      Alma war mit der kleinen Adrienne unterwegs. Mit dem Baby klappte es mittlerweile ganz wunderbar, auch wenn es nach wie vor stressig war. Roberta musste immer wieder feststellen, dass es ein großer Unterschied war, ob man sich ein Baby wünschte oder ob man es hatte. Die Wirklichkeit hatte nichts mit Träumen zu tun. Und wenn ein so kleines Wesen mal eine Nacht unruhig war und immer wieder brüllte, was vorkam und Alltag war, da war man nach so einer Nacht nicht verzückt, sondern man war hundemüde, und wenn man dann sein Kind nicht als ein kleines Monster sah, so war es auf jeden Fall nicht der Traum aller Träume.

      Sie hatten sich an die kleine Adrienne gewöhnt, und Roberta rührte an nichts, sie erkundigte sich nicht bei der Polizei, ob man die Kindesmutter bereits gefunden hatte, ob man weiterhin auf der Suche war. Und auch um das Jugendamt machte sie einen ganz großen Bogen.

      Adrienne bereicherte ihr Leben, Roberta war sich vollkommen bewusst, dass es ein Glück auf Zeit war. Je länger die kleine Adrienne im Doktorhaus war, umso unvorstellbarer war der Gedanke daran, dass es irgendwann nicht mehr so sein würde. Sie wünschte sich ja, die leibliche Mutter der Kleinen würde sich darauf besinnen, dass es da noch etwas gab, was sie auf einer Treppe abgelegt hatte.

      Roberta war sich absolut sicher, dass die Frau keinen Ausweg gewusst hatte, sonst hätte sie nicht so vorgesorgt, das Nötigste mitgegeben, und dann hätte sie auch nicht diesen Zettel mit dem Namen der Kleinen angeheftet. Adrienne.

      Sie verdrängten alles und genossen jeden Augenblick. Alma war mit der Kleinen unterwegs, und Roberta saß über Krankenakten, in die sie noch einen ausführlichen Blick hineinwerfen musste. Sie war es gewohnt, Krankenakten von besonders schwierigen Patientinnen und Patienten mit in ihre Privatwohnung zu nehmen, um noch einmal einen ausführlichen Blick hineinzuwerfen. Doch sie musste sich leider eingestehen, dass sie diese Akten am nächsten Morgen wieder in die Praxis nahm, ohne hineingeschaut zu haben, weil es schöner war, Adrienne zu beobachten, wenn sie selig lächelte, oder wenn sie sie mit großen Augen anschaute.

      Es war gut, dass sie nicht abgelenkt wurde!

      Eine Akte hatte Roberta bereits bearbeitet, sie wollte sich gerade die zweite vornehmen, als ihr Telefon klingelte, da es ihr privates war, würde sie das Gespräch auf jeden Fall führen, und so schaute sie auch überhaupt nicht auf dem Display nach, wir da mit ihr sprechen wollte.

      Es war jemand, den sie nicht auf dem Schirm gehabt hatte, doch sie hatte ihm auf seinen Wunsch hin ihre private Telefonnummer gegeben. Der Anrufer war Max, ihr Exmann!

      Es war schon ein wenig merkwürdig, denn sie hatte vor nicht allzu langer Zeit noch an ihn gedacht. Mit seinem Anruf hatte sie nicht gerechnet, und sie war sich auch nicht sicher, ob sie sich über diesen Anruf freuen sollte. Entsprechend kühl war ihre Stimme, als sie ihn begrüßte.

      »Hallo, Max, soll das jetzt zur Gewohnheit werden?«, wollte sie wissen. »Möchtest du mir noch etwas sagen?«

      Für einen Augenblick war er ein wenig verblüfft, denn Max Steinfeld war es nicht gewohnt, dass Frauen, die er anrief, nicht in extatische Schreie ausbrachen.

      »Ich …, äh …«, er stammelte sogar ein wenig. »Ich hoffe, ich habe dich nicht bei etwas gestört?«

      Sie sagte ihm, womit sie sich gerade beschäftigte, und seine Antwort war: »Du kannst es also noch immer nicht lassen, dich auch in der Zeit, in der du eigentlich deine Freizeit genießen solltest mit den Patienten zu beschäftigen.«

      »Und den Patientinnen«, korrigierte sie ihn.

      Er lachte.

      »Meinetwegen, Roberta, doch mal ernsthaft, jeder Mensch braucht Freizeit.«

      »Hast du mich deswegen jetzt angerufen, Max, um mir das zu sagen? Wenn ja, dann danke für deine Fürsorge. Doch Gewohnheiten, die legt man einfach nicht ab. Was willst du?«

      »Eigentlich möchte ich dir nur sagen, dass ich auf keinen Fall in dieses Ärztehaus-Projekt einsteigen werde. Es ist einfach nicht mein Ding, und ich habe zwar Medizin studiert, doch der Titel, den ich mir dabei erworben habe, der reicht. Das Leben kann auch so sehr schön sein. Ehrlich mal, Roberta, ich mache mir ein wenig Sorgen. Das Einzugsgebiet ist nicht sehr groß, und wenn sich in diesem Ärztehaus Fachärzte ansiedeln mit den neuesten Apparaten, dann könnte es für dich ein wenig eng werden. Du willst ja jetzt unbedingt nur noch Hausärztin sein, um näher bei den Patienten und«, er machte eine kurze, bedeutsame Pause, »Patientinnen zu sein.«

      Roberta musste unwillkürlich lächeln, er hatte seine Lektion gelernt, der gute Max. Was er wirklich von ihr wollte, wusste sie noch immer nicht, sie sagte jedoch nichts mehr, sondern wartete erst einmal ab.

      »Roberta, es könnte ein wenig eng für dich werden«, seine Stimme klang ernst, als er das sagte. »Du wirst auf deine Reserven zurückgreifen müssen …, ich weiß ja, dass ich dich gerupft habe wie eine Weihnachtsgans und dass du, um dem bösen Spiel ein Ende zu bereiten, auf all meine Forderungen eingegangen bist …. Roberta, mir geht es finanziell richtig gut, ich habe sogar Kontovollmacht für die Konten meiner … Freundin, und die hat Kohle bis zum Abwinken. Ich würde dir sehr gern helfen …, für alle Fälle…«

      Sie unterbrach ihn.

      »Max, vergiss es, was du mir da machst, das ist ein unmoralisches Angebot. Glaubst du etwa, ich würde Geld von dir nehmen mit dem Wissen, dass du es vom Konto deiner Freundin nimmst?«

      Eigentlich wollte sie jetzt auflegen, doch daran hinderte er sie sofort, weil er sie kannte und wusste, wie sie reagierte. »Nein, nein, das würde ich doch nicht tun. Aber du hast mir einen Großteil des Vermögens überlassen, obwohl du es eigentlich verdient hast, außerdem die Praxis, die einen großen Wert darstellte.«

      Ehe er weiterreden konnte,