Der kleine Fürst Classic 38 – Adelsroman. Viola Maybach. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Viola Maybach
Издательство: Bookwire
Серия: Der kleine Fürst Classic
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740962821
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der mit dem Tag seiner Volljährigkeit der nächste Fürst von Sternberg sein würde, zur Familie von Kant: Seine Mutter, Fürstin Elisabeth von Sternberg, und Friedrichs Frau Sofia waren Schwestern gewesen.

      »Ich war länger nicht hier«, sagte der Baron mit halblauter Stimme. »Es ist, trotz allem, ein schöner Ort, Chris.«

      Der Junge nickte. »Meinen Eltern gefällt es auch, hier zu liegen«, sagte er leise. »Lass uns gehen, Onkel Fritz, ich habe ihnen schon alles erzählt, was passiert ist.«

      Togo war bereits aufgesprungen und lief den Hügel wieder hinunter, Christian und sein Onkel folgten ihm. Während sie durch den Park auf das Schloss zugingen, fragte Christian: »Wie war es auf der Auktion? Hast du Pferde gekauft?«

      »Ja, eine Stute«, antwortete der Baron. »Der Hengst, den ich eigentlich haben wollte, hat mir bei näherem Hinsehen doch nicht gefallen. Ich fand ihn zu nervös.«

      »Hast du Claus getroffen? Und ihn eingeladen?«

      »Ja, er kommt. Wir haben uns lange unterhalten.«

      »Es ist wieder ein ziemlich gemeiner Artikel über ihn erschienen.«

      »Ich weiß«, seufzte der Baron. »Darüber haben wir auch gesprochen. Aber du wirst es nicht glauben: Es kümmert ihn nicht. Ihm ist nur wichtig, dass die Leute, an denen ihm etwas liegt, wissen, wer er wirklich ist.«

      »Das ist ja auch die Hauptsache, Onkel Fritz!«, fand Christian.

      Sie betraten das Schloss, und damit war ihr Gespräch erst einmal beendet, denn jetzt wurde der Baron von seiner Frau Sofia und seiner Tochter Anna begrüßt, die ihn mit Fragen bombardierten. Später kam noch Annas Bruder Konrad dazu, und Friedrich erzählte bereitwillig all die komischen und weniger komischen Geschichten, die sich am Rande einer Pferdeauktion gewöhnlich abspielten.

      *

      »Wie hieß der Mann denn, Angela?«, fragte Claus, als er nach seiner Rückkehr mit seiner Cousine das Abendessen einnahm. Sie hatte ihm von dem Besuch des Fremden erzählt.

      Sie sah ihn an, wollte antworten und musste dann feststellen, dass sie den Namen nicht mehr wusste. »Er hat ihn gesagt, es war ein kurzer Name, das weiß ich noch, aber ich habe, ehrlich gesagt, nicht richtig darauf geachtet, weil ich in Gedanken damit beschäftigt war, mich zu fragen, was er eigentlich wollte. Ich hatte ihn ja im Verdacht, dass er nur unter einem Vorwand geklingelt hat, Claus. Jedenfalls behauptete er, dass er dich noch von der Schulzeit her kennt.«

      »Dann ist es gut, dass du dir seinen Namen nicht gemerkt hast«, bemerkte Claus trocken. »Mir liegt wahrhaftig nichts daran, alte Erinnerungen aus dieser Zeit wieder aufzufrischen.«

      »Du bist mir also nicht böse, dass ich den Namen nicht mehr weiß?«, fragte sie erleichtert. »Ich bin ja sonst nicht so zerstreut, aber der Mann hat mich irgendwie durcheinandergebracht.«

      »Natürlich bin ich dir nicht böse. Wenn ihm so viel daran liegt, mit mir zu sprechen, wird er wiederkommen. Außerdem hätte er anrufen können.«

      »Er war offenbar nicht sicher, ob du wirklich hier wohnst. Das wissen ja nicht viele Leute«, erwiderte Angela.

      »Ich schlage vor, wir vergessen den Mann«, meinte Claus. »Nächste Woche werde ich auf Sternberg sein, übers Wochenende. Friedrich von Kant hat mich eingeladen – ich hoffe, das macht dir nichts aus?«

      »Aber nein!«, versicherte sie lächelnd, »oder hast du etwa Angst, ich könnte mich langweilen?«

      Er griff nach ihrer Hand und drückte sie, während er ihr einen liebevollen Blick zuwarf. Sie war, im Gegensatz zu ihm, dunkelhaarig, hatte jedoch, wie er, blaue Augen. Wenn sie nebeneinander hergingen, ging sie ihm gerade bis zur Schulter: eine hübsche, zierliche junge Frau, die mit beiden Beinen fest auf der Erde stand. Er beglückwünschte sich jeden Tag, dass er ihr ohne lange zu zögern einen Job angeboten hatte. »Ich weiß, dass du dich niemals langweilst«, erklärte er. »Du arbeitest zu viel, Angie, ab und zu muss man auch mal eine Pause machen.«

      »Ich liebe meine Arbeit«, erklärte sie, »deshalb mache ich keine Pause.« Sie beugte sich zu ihm und gab ihm einen Kuss. »Jeden Tag freue ich mich, hier sein zu können.«

      »Ja, wir beide haben uns offenbar gesucht und gefunden«, sagte er nachdenklich. »Wenn ich bedenke, wie viele Jahre wir überhaupt keinen Kontakt zueinander hatten – das ist doch schrecklich, wenn sich Familien so entzweien, nur weil jemand sich angeblich den falschen Partner gesucht hat.«

      »Dabei sind meine Eltern sehr glücklich miteinander«, stellte Angela fest.

      »Im Gegensatz zu einigen anderen Ehen in unserer Familie«, erwiderte Claus. »Aber es kann ja sein, dass es eine Versöhnung gibt, jetzt, da wir beide wieder Kontakt zueinander haben.«

      »Glaubst du daran? Ich nicht. Die Positionen sind verhärtet, das bricht man nicht mehr so leicht auf«, meinte Angela. »Aber das muss uns ja nicht kümmern, nicht wahr? Erzähl mir von der Auktion. Du hast also Friedrich von Kant getroffen?«

      »Ich habe ihm erzählt, dass ich nicht mehr allein wohne – er hat gedacht, ich hätte mich verliebt.« Claus schmunzelte, als er sich daran erinnerte, dann wurde er wieder ernst. »Fritz und Sofia kümmern sich seit dem Unfalltod des Fürstenpaares von Sternberg um Christian, Sofias Neffen. Ich bewundere die beiden sehr dafür.«

      »Hast du mir nicht mal erzählt, dass er ›der kleine Fürst‹ genannt wird?«

      »So ist es. Ich bin gespannt, ob ihm der Name auch dann noch bleibt, wenn er volljährig ist.«

      »Ist er denn klein?«

      »Chris? Nein, überhaupt nicht. Aber früher, wenn er neben seinem Vater herlief, waren sie eben ›der große und der kleine Fürst‹, so ist das gekommen. Er hört den Namen gern, er ist liebevoll gemeint. Eines Tages wirst du die Sternberger auch kennenlernen, Angie.«

      Sie wehrte ab. »Das hat Zeit, du weißt, ich fühle mich in diesen adeligen Kreisen nicht unbedingt wohl – das hat mit unserer Familiengeschichte zu tun. Ich weiß nicht, ob es mir eines Tages gelingen wird, das abzulegen.«

      »Aber mit mir fühlst du dich wohl?«, neckte er sie.

      Sie lachte. »Wen hast du noch getroffen? Erzähl weiter!«

      Das tat er, und sie hörte ihm zu. Da er ein guter Erzähler war, musste sie mehrmals herzhaft lachen – doch obwohl sie sich auf seinen Bericht konzentrierte, konnte sie nicht verhindern, dass ihr zwischendurch immer wieder der Fremde in den Sinn kam, der nach Claus gefragt hatte.

      Seine Augen waren faszinierend gewesen – und sie hatte nicht einmal auf seinen Namen geachtet!

      *

      Soraya war erhitzt vom Tanzen. Nicht nur mit Frederik hatte sie getanzt, auch von vielen anderen Männern war sie aufgefordert worden, und da sie gerne tanzte, genoss sie den Abend in vollen Zügen. Es schien ihr freilich, als ob sich Frederik erheblich weniger amüsierte als sie, aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein.

      Sie suchte eins der Bäder auf, um sich ein wenig frisch zu machen. Aufmerksam betrachtete sie sich im Spiegel. Das Make-up war noch in Ordnung, die rosigen Wangen standen ihr gut. Nur den Lippenstift musste sie nachziehen und ein paar Locken feststecken, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatten. Als sie in den Saal zurückkehrte, kam Frederik direkt auf sie zu. »Da bist du ja«, sagte er. Sein Blick war bewundernd. »Ich habe eben gehört, wie jemand über dich gesagt hat, dass du die ungekrönte Ballkönigin bist – ich kann mich dieser Meinung nur anschließen.«

      »Lass das nicht die Gastgeber hören, Freddy«, raunte sie ihm zu.

      »Tanzt du jetzt auch mal wieder mit mir?«, fragte er.

      »Mit dem größten Vergnügen.«

      Das war ein wenig übertrieben, denn Frederik war ein mäßiger Tänzer, aber das konnte sie ihm unmöglich sagen, ohne ihn zu verletzen. Und warum sollte sie das tun? Immerhin trat er ihr nicht ständig auf die Füße, wie der unglückliche Baron Ammon, ihr vorheriger Tänzer, es getan hatte.