»Wenn du meinst«, meinte Alex schließlich resigniert zu Jacob. Ohne mich zu beachten, wandte er sich einer Frau zu, deren körperliche Vorzüge beinahe ihre Bluse sprengten und die neben uns ihr Getränk bestellt hatte. Offenbar hatte sie nichts von dem unschönen Dialog mitbekommen.
»Reizend, dein Freund«, meinte ich zu Jacob und verdrehte die Augen.
»Verzeih ihm, er ist angeschlagen.« Jacob wirkte zerknirscht und nahm meine Hand, als könne er so Alex’ Kommentar ungeschehen machen.
Doch Alex war noch gar nicht fertig, denn er drehte sich zu Jacob. »Angeschlagen, aber weder blind noch dumm!«
Mein Begleiter seufzte tief, nutzte dann aber die Gelegenheit, dass die dralle Brünette nicht auf Alex wartete, sondern angesichts des drohenden Ärgers verschwand und wechselte die Taktik. »Es reicht jetzt, Alex!« Er richtete sich auf und schob sich ein wenig zwischen uns. »Ich schlage vor, du hältst dich jetzt zurück!«
Alex grinste und offenbarte dabei zwei Grübchen auf den Wangen, die ihn fast ungefährlich wirken ließen. Doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht und der Blick, den er mir zuwarf, war kalt. »Wieso? Was sonst? Tut sie mir sonst auch weh?«
Ich sah, wie Jacob seine Hand ballte und trat rasch einen Schritt vor – auch wenn es der schwerste Schritt meines Lebens war – und legte meine Hand beschwichtigend auf seine. Dann schenkte ich Mister Superschön ein strahlendes Lächeln, das jeder andere Mann sicherlich als Einladung verstanden hätte. Selbst meine Stimmlage schaffte es vor Freundlichkeit zu triefen: »Ja«, stimmte ich ihm zu. »Aber sie lässt den Spaß an der Sache weg.«
Für Sekunden schien der Sänger wirklich verwirrt genug zu sein, denn etwas an seinem Blick, dem ich scheinbar ungerührt standhielt, änderte sich. Leider fing er sich sehr schnell und ich konnte förmlich sehen, wie sich die Arroganz wieder hinter dem Blau seiner Iriden sammelte. Mit einem Lachen schüttelte er den Kopf, drehte sich um und ging. Es war das böseste und gehässigste Lachen, was ich je gehört hatte und es traf mich bis ins Mark, weil ich es kein bisschen verdient hatte. Gleichzeitig verunsicherte es mich mehr, als ich jemals jemandem gestanden hätte.
1 – Wach
Ich schreckte aus dem Traum, mein Herz schlug wie verrückt und einen Augenblick lang dachte ich, jemand wäre in meinem Schlafzimmer, denn ich hörte ein Geräusch. Dann fiel mir auf, dass es nur das Rauschen meines eigenen Blutes in meinen Ohren war, das mich nervös machte.
Trotzdem fluteten verschiedene Emotionen durch mein System, von Wut über Trotz bis hin zu tödlich beleidigt war alles dabei. Doch ich wusste eindeutig, welche Empfindung überwog, denn im Traum waren meine Gefühle ungefiltert und direkt gewesen – von Wut keine Spur. Dafür fühlte ich mich zurückgewiesen und gekränkt.
Alex’ Worte hatten mich getroffen, als wäre ich immer noch das unscheinbare, dürre Mädchen, das von den Jungs während der gesamten Schulzeit ausgelacht worden war. Die Hochglanzmagazine mochten dünne Modelltypen hofieren, die attraktiven und beliebten Teenager auf meiner HighSchool hatten es ganz sicher nicht getan.
Ich schüttelte den Kopf, aber nur langsam fielen die Spuren des Traums von mir ab, als wären sie besonders hartnäckige Reminiszenzen von etwas, was versucht hatte, sich tief in mein Ego zu bohren. Ein Vergleich, der vermutlich sogar ziemlich zutreffend war. Aber bald würde ich damit abgeschlossen haben. Mit den ganzen öffentlichen Auftritten und mit der kleinen Promo-Tour, die ich als Jacobs Freundin hinter mich bringen durfte. Dabei war Jacob wirklich süß. Hingebungsvoll und begierig darauf, mir zu gefallen und zu Diensten zu sein. Ganz im Gegensatz zu diesem schrecklichen Alex und … wieso zum Teufel dachte ich schon wieder an diese furchtbare Person mit ihrem furchtbaren Benehmen?
Entschlossen blendete ich Mister Supersexy aus und konzentrierte mich auf meine Erinnerung an die letzte Session mit dem heißen Drummer. Gerade bei Events, die nicht hinter verschlossenen Türen stattfanden, waren die Mittel der Wahl eher beschränkt und so war ich auf die guten alten Elektrostimulanzien zurückgekommen, für die einige meiner Arbeitskolleginnen eine Schwäche hatten. Jacob von den Vorzügen eines ferngesteuerten Lustgewinnes zu überzeugen war ein Leichtes gewesen. Um genau zu sein, hatte es nicht mehr als eines Befehls bedurft, um seine Hose nach unten und seinen Schwanz nach oben zu bekommen. Beim Umschnallen der Vorrichtung hatte ich mir entsetzlich viel Zeit gelassen. So viel Zeit, dass es fast schon gegen die Regeln des Office-Escorts verstieß. Aber ich mochte Jacob, er war ein Traummann – wenn auch nicht meine Art Traummann.
Wieder glitten meine Gedanken gefährlich in Richtung des unerreichbaren Alex ab. Anscheinend hatte ich seit meiner Teenagerzeit nicht viel dazugelernt. So jemand war nichts für mich – oder besser: Ich war nichts für so jemanden wie ihn. Das hatte er ja wohl auch klar und deutlich zum Ausdruck gebracht.
Jacob hingegen war … offen und vertrauensvoll. Jemand, der einen nie verletzen würde … eine sichere Bank.
Auf dem roten Teppich mit ihm zu spielen war schwer, aber nicht unmöglich. Und es gefiel mir, wie er mir ab und zu einen strafenden Blick zuwarf, obwohl sein Körper angespannt aber dankbar wirkte. Erst, als wir im Gebäude waren und unsere Plätze eingenommen hatten, um uns verschiedene Versionen der neuen Songs anzuhören – allesamt von vielversprechenden, neuen Musikern vorgetragen, bemerkte ich, dass uns Alex beobachtete. Wahrscheinlich wartete er darauf, dass ich meinen bösen Boogie-Woogie-Erotikzauber ausübte und er sich wieder einmischen konnte. Aber vielleicht wartete er auch einfach darauf, dass ich vor seinen Augen verhungerte. Ohne mir die Laune verderben zu lassen, spielte ich wieder mit dem Regler in meiner Handtasche und genoss das leichte Zusammenzucken meines Spielgefährten. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und ließ zu, dass er seinen Arm um mich legte. Für jeden unbeteiligten Zuschauer eine Geste des Vertrauens und der Liebe, für mich etwas, wodurch ich sehr direkt an seiner Erregung teilhaben konnte. Denn gerade wegen dieser Nähe hörte ich das leise Stöhnen, das sich seinem Mund entrang, als ich ein weiteres Mal den Regler betätigte und seine Libido in Aufruhr versetzte.
»Schade, dass wir nicht schmerzhafter werden können«, murmelte Jacob in meinen Haaren und küsste meinen Scheitel. Seltsamerweise ging es mir anders. Soft war mir ganz Recht, denn heftiger zu werden kam mir bei Jacob auf einmal falsch vor. Das mochte an Alex’ bösem Blick liegen, oder daran, dass Jacob wirklich nett war, aber ich wollte ihn nicht quälen. Nicht wirklich. Nur ein wenig necken. Und für wenig necken war dieser Job wirklich perfekt.
»Ich könnte dich noch für ein Privatevent buchen«, schlug Jacob vor, als ich ihm eine kleine Pause gönnte.
»Du kennst die Regeln?«, erkundigte ich mich, weil mein Mund plötzlich trocken wurde. Ich mochte Jacob, aber ich mochte ihn genauso, wie es jetzt war. Nicht intimer und nicht qualvoller. Was war denn bloß los mit mir?
»One job at one time«, zitierte Jacob und ging dann ins Deutsche über. »Und falls Sie die Begleiterin wieder buchen wollen, muss zwischen den Buchungen ein angemessener Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegen.«
»Also könntest du mich frühestens in einem Monat wieder bekommen.«
»Das klingt herrlich, wenn du es so betonst«, grinste Jacob frech und warf mir einen einladenden Schlafzimmerblick zu.
»Deswegen sollte man sich vorher überlegen und mit Ruben absprechen, was genau man bucht«, erinnerte ich. Denn Ruben, mein Chef, war nett und wenn man vorher eine Promo-Tour buchte, durchaus flexibel. Wenn es aber um eine feste Eventreise ging oder einen Bürojob … dann musste man sich eben an die Regeln halten.
»Probierst du es trotzdem?«, flehte Jacob.
»Wieso ich?« Ich runzelte die Stirn. Schließlich kannte ich Rubens Antwort schon.
»Weil du die starke, schöne, mutige, dominante Escort-Dame bist?«, schmeichelte Jacob.
»Verflixt,