Ich lächelte. »Das werde ich mir merken, Sergeij.«
Seine Hand lag an meiner Wange und er sah mit leicht schräg gelegtem Kopf auf mich herab. Alle Härte war aus seinem Blick gewichen und hatte einer schier grenzenlosen Zärtlichkeit Platz gemacht.
»Ich hoffe es«, flüsterte er und drückte dann sacht seine Lippen auf meine.
Der Russe Sergeij - Teil 2
Während des Frühstücks plauderten wir so angeregt, wie alte Freunde, die sich seit Jahren nicht mehr gesehen hatten. Er erzählte mir von seiner Heimat – er kam aus Sankt Petersburg – und wie er angefangen hatte, sich selbständig zu machen.
»Mein Vater sagte damals, eine Firma zu gründen, sei der gerade Weg in den Hungertod oder an den Strang.« Das Lächeln hüpfte von seinen Mundwinkeln bis hinauf in seine Augen.
»Bis jetzt scheinst du aber weder verhungert noch gehenkt worden zu sein!«, gab ich gut gelaunt zurück.
Sergeij schob ein Stück Speck mit der Gabel nachdenklicher über seinen Teller, als ich bei so einem Satz erwartet hätte.
»Tja, gegen das eine esse ich und gegen das andere beschäftige ich eine Armada von Anwälten und Bodyguards.«
Sofort hatte er sich wieder gefasst und ließ eine große Gabel voll Toast zwischen seinen wohlgeformten Lippen verschwinden. Es war mir selbst nur allzu klar, dass heutzutage russische Geschäftsleute in beständiger Gefahr schwebten. Sie hatten wohl nicht nur mit Konkurrenten im Geschäftsleben zu kämpfen, sondern auch mit korrupten Politikern und der Mafia. Wobei ich stets bezweifelte, dass es zwischen all diesen Gruppen klare Trennungslinien gab.
Ich trank einen Schluck Kaffee und wischte innerlich den Gedanken vom Tisch. Es ging mich nichts an. Schließlich war Sergeij ein Kunde und ich war eine Hure. Wie er seine Geschäfte betrieb, und welcher Natur diese Geschäfte waren, ging mich schlicht und ergreifend nichts an. George McLeod, meinem Auftraggeber, war nur daran gelegen, dass ich den Klienten seiner Kanzlei die Zeit vertrieb und dafür sorgte, dass sie entsprechend entspannt in die Gespräche mit ihm gingen.
Sergeij hatte seinen Teller ebenso geleert, wie ich den meinen. Und er hatte gerade die Gabel zur Seite gelegt, als sein Handy piepte.
»Es tut mir leid, aber ich muss gehen«, sagte er zu mir gewandt. »Ich habe schon gestern Abend den Termin ausfallen lassen. Noch einmal kann ich das nicht machen.«
Alles in mir drängte danach, ihn zu fragen, wann ich ihn wiedersehen würde, doch ich wagte es nicht. Instinktiv spürte ich, dass ich die Linie zu überschreiten drohte. Jene feine Linie, die ich selbst zwischen Job und Privatleben gezogen hatte.
Aber hatte ich sie nicht schon längst überschritten?
Ich lauschte dem Prasseln des Wassers in der Dusche, den Bewegungen seines Körpers darin. Wann hatte jemals ein Kunde in meiner Küche gestanden und ein Essen zubereitet? Nicht einmal George selbst war bis jetzt soweit gegangen.
Wie ich es auch drehte und wendete – wenn ich Herrin der Dinge bleiben wollte, musste ich dringend einen Punkt setzen.
Mein Kopf dröhnte und mein Herz hämmerte.
Was sollte ich nur tun?
Das Wasser hatte aufgehört zu rauschen und ich hörte Sergeijs leises Pfeifen. Kurz darauf stand er angezogen, wenn auch mit stoppeligem Kinn, vor mir.
»Du hast nicht zufällig einen Herren-Rasierer hier?«, wollte er wissen.
Eine seltsame Erleichterung erfasste mich, als ich verneinen musste. Wir wussten doch beide, welcher Profession ich mein Vermögen verdankte. Wir kannten doch den Grund, warum Sergeij am Abend zuvor plötzlich vor meiner Tür gestanden hatte.
Jetzt lächelte er und fuhr mit seiner Hand über sein raues Kinn. »Na, dann halt nicht.« Sein Lächeln erzählte von einer ebensolchen Erleichterung, wie meines. Zumindest interpretierte ich dies hinein.
Sergeij schlüpfte in seinen Mantel, während ich ihm unterdessen kniend die Schuhe zuband. Was für ein herrliches Gefühl, seine Hand auf meinem Kopf zu spüren. Wie seine Finger sanft über mein Haar strichen und eine leichte Wärme erzeugten. Es war eine Ahnung von Nähe, die mir gefiel. Sehr sogar.
Wie dringend wollte ich ihn fragen, ob er nicht doch noch bleiben könne, wann er wiederkäme … Tausend Fragen, die man einem Liebhaber stellt, aber keinem Kunden. Zumindest nicht, wenn man die professionelle Distanz wahren will. Oder wahren muss! Denn ich hatte allzu schmerzlich in Bezug auf George McLeod erfahren müssen, wie es einem ergeht, wenn man die Grenzen verwischt und dann zurechtgestutzt wird.
Mit zögerlichen Schritten brachte ich Sergeij zur Tür. Ich hatte in den vergangenen Stunden mit ihm mehr gelacht, als im ganzen vergangenen halben Monat. An seiner Seite hatte ich eine Leichtigkeit empfunden, die ich so beinahe vergessen hatte.
Jetzt sah ich die leere Straße hinter ihm. Die geparkten Autos. Eine Frau, die ihre Tasche über die Schulter warf und mit kleinen, schnellen Schritten voranmarschierte.
Jedes Detail betrachtete ich genau, nur um Sergeij nicht in die Augen sehen zu müssen. Nur, damit ich jetzt nichts sagte, was ich später bereuen würde.
»Kann ich dich anrufen, wenn ich wieder in London bin?«
Es war die Frage, die mein Herz zum Hüpfen brachte, die es heftig gegen meinen Brustkorb hämmern ließ.
Doch im gleichen Moment packte ich mich selbst im Nacken und riss mich zurück. Er war nichts weiter, als ein zufriedener Kunde. Nichts weiter. Und dass er Frühstück gemacht hatte, war vielleicht bei Russen normal – oder bei ihm – wenn er sich bei einer Nutte wohlgefühlt hatte.
Sergeijs Augen waren jetzt runder als gewöhnlich, denn seine Stirn lag in Falten und zog die Lider ein klein wenig nach oben.
»Ja. Ich würde mich sehr darüber freuen«, flüsterte ich.
Da beugte er sich zu mir herunter, legte seine Arme fest um meinen Rücken und küsste mich mit einer Inbrunst, die man als Frau nur selten erlebt. Fast so, als wollte er mit diesem Kuss einen Pakt besiegeln oder mit der Dauer der Umarmung die Wartezeit überbrücken, bis wir uns wiedersahen.
Erst in dem Moment, als er sich von mir löste und einen Schritt zurücktrat, sah ich ihn an und verlor mich in seinen Blicken, in diesem tiefen unergründlichen Blau, das wie gefrorenes Eis schimmerte.
Sergeij nickte mir zu, schien etwas sagen zu wollen, doch wir schwiegen. Dann drehte er sich um und ich sah seinem breiten Rücken in dem hellen wehenden Trenchcoat nach, der die Stufen mit sehr gerader Haltung hinabstieg und auf den Mann zusteuerte, der ihm bereits den Schlag des Wagens offenhielt. Ein bisschen steif wirkte er, was mich amüsierte und viele andere sicher auf Distanz hielt.
Hinter der Scheibe waren Sergeijs Augen, die mich betrachteten, nur verschwommen wahrzunehmen. Sie verschwanden, als sich der Wagen in den Verkehr einfädelte und, gefolgt von zwei anderen Autos, die ebenfalls vor meinem Haus geparkt hatten, in Richtung Flughafen davonfuhr.
Mit schwerem Herzen schloss ich die Haustür, blieb aber noch lange stehen, die Stirn gegen das kühle Holz gepresst und kämpfte mit den Tränen. Bei meinem Glück mit Männern, würde er so bald nicht mehr auftauchen …
SexDrive
George hatte mir unabsichtlich den restlichen Tag freigegeben, bevor er mich am späten Abend anrief.
»Kann ich bei dir vorbeikommen oder bist du noch immer sauer auf mich?«, fragte er.
Ich hasste den amüsierten Unterton in seiner Stimme, doch ich war milde gestimmt, wenn ich an Sergeij dachte und daran, dass ich seine