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SeitenSprünge | Erotischer Roman
von Clarissa Thomas
Clarissa Thomas lebt, liebt und schreibt in einem beschaulichen Küstenort Nordeuropas. Die Inspiration für ihre Texte findet sie in zufälligen Begegnungen, intensiven Blicken oder einem Sonnenaufgang am Strand. Besonders fasziniert sie die geheimnisvolle Anziehungskraft zwischen zwei Menschen – geistig wie körperlich. Wenn Clarissa an einer neuen Geschichte arbeitet, darf nur ihre Mitbewohnerin sie unterbrechen: Chauchat, eine ebenso elegante wie eigensinnige Siamkatze.
Lektorat: Nicola Heubach
Originalausgabe
© 2015 by blue panther books, Hamburg
All rights reserved
Cover: © LuminaStock @ istock.com
Umschlaggestaltung: www.heubach-media.de
ISBN 9783862774876
www.blue-panther-books.de
Erster Sprung
Ich wusste wenig über ihn; gerade einmal seinen Vornamen und seinen Lieblingsdrink. Und dass er im Leben scheinbar immer genau das bekommen hatte, was er wollte. Vielleicht sogar etwas mehr.
Nachdem sich seine Freunde verabschiedet hatten, saß er allein an der Bar. Seine braunen Augen ruhten auf dem Glas, das zwischen seinen großen, gepflegten Händen fast verschwand. Er war schön auf eine historische Weise, als wäre er der Letzte seiner Art. Volles, dunkles Haar umgab sein Gesicht, das erfahren, aber nicht alt wirkte.
Ich schätzte ihn auf Ende dreißig.
Als er dem Kellner das Zeichen für die Rechnung gab, setzte ich mich neben ihn. Ich überschlug meine Beine, sodass der ohnehin recht kurze Rock noch ein Stückchen weiter hinaufrutschte, um mehr von meinen in dunkles Nylon gehüllten Oberschenkeln zu zeigen. Obwohl er sich sehr viel Mühe gab, bemerkte ich seinen Blick sofort. Abwechselnd betrachteten wir einander, ohne dass es zu einem richtigen Kontakt kam. Ich hätte ihn anlächeln können, um das Spiel zu beschleunigen, doch tatsächlich ist es für Männer interessanter, wenn man ihnen zunächst keine Beachtung schenkt. Und ich bin gern interessant.
Mittlerweile hatte ihm der Kellner eine Summe genannt, die er – reichlich aufgerundet – auf den Tisch legte. Ich wusste, dass er nicht einfach aufstehen und gehen würde. Etwas hielt ihn an seinem Platz, etwas hinderte ihn daran, draußen nach einem Taxi zu rufen und wohin auch immer zu fahren. Und dieses Etwas war ich.
»Sam«, sagte er, und sah mir dabei sehr ausdauernd in die Augen. Er war elegant gekleidet und roch nach einem teuren Parfum. Vermutlich war er ein mittelschwerer Geschäftsmann, und hätte ich es darauf angelegt, wäre für mich sicher eine kostbare Uhr oder eine goldene Halskette drin gewesen.
»Und wie heißen Sie, wenn ich fragen darf?«
Ich antwortete nicht sofort, sondern nahm noch einen Schluck und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie er meinen ganzen Körper taxierte. Nur für ihn bog ich das Kreuz weiter durch, als es notwendig gewesen wäre, immerhin kam mein ansehnliches Dekolleté auch ganz ohne solche Tricks ausgezeichnet zur Geltung. Mein langes, leicht gelocktes brünettes Haar fiel sehr schön über den tiefen Rückenausschnitt meines dunklen Kleides, und zusammen mit den hohen Schuhen musste ich wirklich verdammt gut aussehen.
»Amanda«, erwiderte ich schließlich, nachdem ich an ihm einen Hauch von Unsicherheit bemerkt hatte, ob ich überhaupt noch antworten würde.
»Ein schöner Name, Amanda. Und so passend. Wenn mich mein altes Schullatein nicht täuscht, bedeutet er: Die, die geliebt werden muss.«
Für einen kurzen Moment hätte ich fast das erste Gebot vergessen und ihm gezeigt, wie groß meine Schwäche für gebildete Menschen ist. Doch in die Steinplatte des erfolgreichen Flirtens steht graviert: Du sollst es ihm nicht zu leicht machen. Ich gab mich also etwas unterkühlt, wendete mich von ihm ab und suchte demonstrativ in meiner Handtasche nach dem Handy – also genau das, was Männer in dieser Situation zur Verzweiflung treibt.
Sam jedoch ließ sich davon nicht beeindrucken. »Sie haben sich neben mich gesetzt, Amanda. Und das, obwohl hier noch sehr viele andere Plätze frei wären. Ihre Kleidung verrät mir, dass Sie diese Bar nicht allein verlassen möchten, und ihr Blick ist so eindeutig wie eine schriftliche Einladung. Sie beschäftigen meine Gedanken, und auch, wenn Sie gerade das Gegenteil vorgeben, scheinen Sie auch mir gegenüber nicht abgeneigt zu sein. Lassen wir also diese Spielchen.«
»Was haben Sie gegen Spielchen, Sam?«
»Nichts. Nur bevorzuge ich den direkten Weg.«
»Und haben Sie damit immer Erfolg?«
»Auffallend oft. Aber zumindest weiß ich sofort, woran ich bin.«
»Nun, dann halte ich es nur für richtig, wenn Sie heute eine Lektion in Geduld erhalten.«
Er gab dem Kellner einen Wink, bestellte für uns beide nach und begann dann ein Gespräch über die Schönheit des Segelns, wobei er einen Vergleich zwischen der Eleganz eines Bootes und dem weiblichen Körper anstellte.
»... nur, verstehen Sie mich richtig, bietet die Haut einer Frau doch Vorzüge, die blank poliertes Holz niemals besitzen wird.«
Ich fragte ihn, ob er öfter in die »Undank-Bar« käme, doch er verneinte.
»Meine Freunde haben mich hergebracht. Ich bin geschäftlich in der Stadt, und schon morgen muss ich weiter.«
Der perfekte Fang. Ein Mann auf der Durchreise, mit einer Vorliebe für das Segeln – er würde keine Probleme bereiten, wenn ich ihn noch vor dem Frühstück abservierte. Ganz im Gegensatz zu den Ich-ruf-dich-an-Kerlen, den Wann-sehen-wir-uns-wieder-Typen und besonders den Ich-habe-mich-in-dich-verliebt-Jungs, die einfach nicht wissen, wann der Spaß vorbei ist.
Wir sprachen noch lange über das Meer, und welche Küste die schönste auf der Welt sei, doch als der Kellner die Stühle auf die Tische stellte, beschlossen wir, zu gehen.
Ich hatte keine Lust auf das wacklige Bett in einem kleinen Hotelzimmer, weshalb ich dem Taxifahrer schließlich meine Adresse als Ziel gab. Sam überraschte das, und mich auch ein wenig, immerhin verstieß es gegen Gebot Nummer Drei: Nimm ihn niemals in der ersten Nacht mit zu dir – dort erfährt er zu viel über dein Leben, und du verlierst an Anziehungskraft. Bereits im Wagen wollte er anfangen, meinen Hals zu küssen, und obwohl das ein guter Einstieg gewesen wäre, fand ich es doch erzieherisch notwendig, ihn noch etwas hinzuhalten.
»Wann?«, fragte er, während er meine Hand hielt und mich mit allergrößtem Ernst ansah.
»Wenn es soweit ist.«
»Und woher weiß ich, wann das sein soll?«
»Oh, das werden Sie fühlen.«
Ich lächelte ihn an, dann wendete ich meinen Blick aus dem Fenster. Eine Fahrt durch die nächtliche Stadt hat immer etwas Berauschendes für mich. Die vielen beleuchteten Fenster, die unzähligen Schicksale dahinter, die nur darauf warten, entdeckt zu werden. Ich kann einfach nicht verstehen, wie andere Leute sich mit nur einem Menschen zufrieden geben können. Für sie ist es sogar ein Ideal, den richtigen Partner zu treffen, um dann ihr Leben mit ihm zu verbringen. Allein das Wort Partner. Das klingt nach einem Handwerksbetrieb, einer Anwaltskanzlei – aber nicht nach wildem, leidenschaftlichem Sex.
Wir hielten vor meinem Aufgang, und Sam bezahlte, ganz in seinem Element, den Fahrer. Einen kurzen Moment der Schwäche hatte ich in dem engen Fahrstuhl, der uns in den fünften Stock brachte. Dieser Mann, der nach Abenteuer und neuen Entdeckungen roch, war mir so nahe, dass ich lediglich meine Hand hätte ausstrecken müssen, um ihn ganz an mich zu ziehen, um meinen Kopf an seinem Oberkörper zu vergraben und eine Kette von Zärtlichkeiten in Gang zu setzen, die vor dem Morgengrauen nicht enden würde ...
»Behandeln Sie alle Ihre Besucher so?«, fragte Sam und riss mich aus meiner Vorstellung.
»Was verstehen Sie unter alle?«
»Ich nehme an, dass ich nicht der erste