So Gut Wie Vorüber. Блейк Пирс. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Блейк Пирс
Издательство: Lukeman Literary Management Ltd
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9781094312989
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zu verstehen in der Lage schien. Die Realität war so anders wie Schulunterricht und Sprachaudiotapes. Sie hatte Angst, fühlte sich einsam und unausgeschlafen. Als sie sich mit den elegant gekleideten, französischen Reisenden verglich, wurde ihr plötzlich bewusst, wie verknittert und vollgeschwitzt ihre Kleidung war.

      Sobald sie ihre Koffer hatte, eilte sie auf die Toilette, zog sich ein frisches Oberteil an und machte ihre Haare zurecht. Sie fühlte sich immer noch nicht bereit, ihre Familie zu treffen und hatte keine Ahnung, was sie erwartete. Maureen hatte ihr erzählt, dass das Haus über eine Stunde Fahrzeit vom Flughafen entfernt lag. Vielleicht waren die Kinder also nicht mitgekommen. Sie würde nach keiner großen Familie Ausschau halten, irgendein freundliches Gesicht reichte ihr.

      Doch in dem Menschenmeer schien niemand auf sie zu warten, obwohl sie ihren ‚Maureens Au-Pairs‘-Rucksack gut sichtbar auf dem Gepäckwagen platziert hatte. Langsam ging sie vom Gate in die Ankunftslounge und sah sich nervös nach jemandem um, der sie erkannte, ihr zuwinkte oder ihren Namen rief.

      Aber jeder schien auf jemand anderen zu warten.

      Mit kalten Händen am Griff des Gepäckwagens durchkreuzte Cassie die Ankunftshalle im Zickzack und durchsuchte die langsam kleiner werdende Menge. Maureen hatte sie nicht auf diese Situation vorbereitet. Sollte sie jemanden anrufen? Würde ihr Handy in Frankreich überhaupt funktionieren?

      Und dann, als sie eine letzte, panische Runde durch die Halle drehte, sah sie es.

      „CASSANDRA VALE.“

      Ein kleines Notizbrett, das von einem schlanken, dunkelhaarigen Mann in schwarzer Jacke und Jeans gehalten wurde.

      Er stand in der Nähe der Wand, war auf sein Handy konzentriert und sah sich nicht einmal nach ihr um.

      Sie ging unsicher auf ihn zu.

      „Hi – ich bin Cassie. Sind Sie …?“. Ihre Worte verebbten, als sie realisierte, dass sie keine Ahnung hatte, wer er sein könnte.

      „Ja“, sagte er mit stark französisch akzentuiertem Englisch. „Hier entlang.“

      Sie wollte sich gerade anständig vorstellen und das vortragen, was sie einstudiert hatte – wie aufgeregt sie war, ein Teil der Familie zu werden – als sie das laminierte Schild auf seiner Jacke sah. Er war lediglich ein Taxifahrer und die Karte sein offizieller Flughafenpass.

      Die Familie hatte sich nicht einmal bequemt, sie selbst von Flughafen abzuholen.

      KAPITEL DREI

      Vor Cassies Augen wurde die Stadtlandschaft von Paris sichtbar. Hohe Wohngebäude und düstere Industrieblöcke verwandelten sich langsam in die baumreiche Vorstadt. Der Nachmittag war kalt und grau und stellenweise regnete und windete es.

      Sie reckte ihren Hals, um die vorbeiziehenden Schilder sehen zu können. Sie fuhren in Richtung Saint Maur und zeitweise glaubte sie, ihr Reiseziel könnte dort liegen. Doch der Fahrer fuhr an der Ausfahrt vorbei und folgte weiter der Straße aus der Stadt hinaus.

      „Wie weit ist es noch?“, fragte sie, um ein Gespräch zu beginnen. Doch er grunzte nur unbestimmt und drehte das Radio lauter.

      Der Regen klopfte gegen die Fenster und sie spürte das kalte Glas an ihrer Wange. Sie wünschte sich ihre dicke Jacke aus dem Kofferraum herbei. Außerdem hatte sie einen Bärenhunger – sie hatte kein Frühstück gegessen und seither keine Gelegenheit gefunden, sich etwas zu essen zu kaufen.

      Nach über einer halben Stunde erreichten sie das offene Land und fuhren am Ufer der Marne entlang. Bunt bemalte Binnenschiffe waren die einzigen Farbtupfer in der Trübheit. Nur wenige Menschen in Regenjacken liefen unter den Bäumen. Einige der Bäume waren bereits kahl, andere trugen noch immer rostbraune und goldene Blätter.

      „Ziemlich kalt heute, nicht wahr?“, bemerkte sie und versuchte sich erneut an einer Unterhaltung mit dem Fahrer.

      Seine einzige Antwort bestand aus einem gemurmelten ‚oui‘, doch wenigstens schaltete er die Heizung an und ihr Zittern stoppte. In der Wärme des Wagens nickte sie unruhig ein, während sie Kilometer für Kilometer zurücklegten.

      Eine scharfe Bremsung und ein schrilles Hupen ließen sie aufschrecken. Der Fahrer schob sich an einem stehenden LKW vorbei, verließ den Highway und bog auf eine schmale, mit Bäumen gesäumte, Straße ab. Der Regen hatte sich verzogen und das frühabendliche Licht malte den Herbst in wunderschönen Farben. Cassie sah aus dem Fenster, bewunderte die hügelige Landschaft und das Patchwork aus Feldern und riesigen, dunklen Wäldern. Sie fuhren an einem Weinbaugebiet vorbei, wo die ordentlichen Rebenreihen sich am Hügel entlangschlängelten.

      Mit verlangsamter Geschwindigkeit passierte der Fahrer ein Dorf. Helle Steinhäuser mit gebogenen Fenstern und steilen Ziegeldächern standen an der Straße. Dahinter sah sie offene Felder und als sie an einer Steinbrücke vorbeikamen, erhaschte sie einen Blick auf den Kanal, der von Trauerweiden gesäumt war. Die hohe Kirchturmspitze zog sie in ihren Bann und sie fragte sich, wie alt das Gebäude war.

      Sie mussten nun bald da sein, vielleicht befand sich das Anwesen ja sogar in dieser Nachbarschaft. Doch sie verabschiedete sich schnell von dieser Vermutung, als sie das Dorf verließen und sich immer weiter durch die hügelige Landschaft bewegten. Schließlich hatte sie die Orientierung ganz verloren und auch die Spitze des Kirchturms war nun nicht mehr sichtbar. Das GPS wies darauf hin, kein Signal mehr zu haben und der Fahrer brummte verärgert. Schließlich nahm er sein Handy und betrachtete konzentriert die Karte, während er fuhr.

      Und dann bogen sie rechts ab und fuhren zwischen zwei hohen Torpfosten hindurch. Cassie setzte sich aufrechter hin und starrte auf die lange Kieseinfahrt. Vor ihnen lag mächtig und elegant das Anwesen – die untergehende Sonne beleuchtete auf atemberaubende Weise die Steinwände.

      Die Reifen knirschten auf dem Kies, als der Wagen vor einem großen und einschüchternden Eingang zum Stehen kam. Sie wurde nervös; das Gebäude war viel größer, als sie es sich vorgestellt hatte. Es war wie ein Palast mit hohen Schornsteinen und kunstvoll verzierten Türmchen. Sie zählte an der eindrucksvollen Front achtzehn Fenster mit aufwändiger Steinarbeit und vielen Details. Das Haus selbst überblickte einen gepflegten Garten mit sorgfältig getrimmten Hecken und befestigten Wegen.

      Wie konnte sie sich mit einer Familie identifizieren, die so prachtvoll wohnte, wo sie doch selbst mit Nichts aufgewachsen war?

      Sie realisierte, dass der Fahrer ungeduldig mit den Fingern gegen das Lenkrad klopfte. Offensichtlich würde er ihr nicht mit ihren Koffern helfen. Schnell kletterte sie aus dem Wagen.

      Im gnadenlosen Wind fror sie sofort und eilte zum Kofferraum, um ihren Koffer herauszuheben, ihn über den Kies zu zerren und sich dann unter dem Vordach unterzustellen, um sich die Jacke zuzuziehen.

      Es gab keine Klingel an der großen Holztür, lediglich einen großen Türklopfer aus Eisen, der kalt in ihrer Hand lag. Das Geräusch war überraschend laut und nur wenige Augenblicke später hörte Cassie Schritte.

      Die Tür öffnete sich und vor ihr stand eine Hausangestellte in dunkler Uniform mit eng zurückgebundenem Pferdeschwanz. Hinter ihr konnte Cassie die große Eingangshalle mit opulenten Wandbehängen und einer riesigen Holztreppe am anderen Ende sehen.

      Das Hausmädchen sah sich um, als die Tür zufiel.

      Sofort spürte Cassie die Präsenz von Streit. Sie konnte die Spannung in der Luft fühlen wie einen näherkommenden Sturm; sie war in der nervösen Haltung des Mädchens, dem Knallen der Tür und den weitentfernten, chaotischen Schreien, die in Stille übergingen, erkennbar. Ihr Inneres zog sich zusammen und sie überkam der übermächtige Wunsch, wegzurennen, dem Fahrer nachzueilen und ihn zurück zu rufen.

      Stattdessen blieb sie stehen und zwang sich zu einem Lächeln.

      „Ich bin Cassie, das neue Au-Pair. Die Familie erwartet mich.“

      „Heute?“ Das Mädchen wirkte besorgt. „Einen Moment.“ Als sie ins Haus eilte, hörte Cassie sie rufen: „Monsieur