So Gut Wie Verloren. Блейк Пирс. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Блейк Пирс
Издательство: Lukeman Literary Management Ltd
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9781094313160
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die Verspätung zu entschuldigen. Sofort antwortete er: „Kein Problem, nimm dir Zeit und fahr vorsichtig.“

      Sobald sie den Highway verlassen und die ländliche Gegend erreicht hatte, bot sich ihr eine idyllische Aussicht. Sie reckte den Hals und schielte über die getrimmten Hecken, um die Patchwork-Felder in jedem Farbton von Dunkelgrün bis Goldbraun sehen zu können. Dazwischen entdeckte sie immer wieder malerische Bauernhäuser und gewundene Flüsse. Die ordentliche Landschaft stimmte sie friedlich, obwohl sie wusste, dass die dichter werdenden Wolken Regen ankündigten. Sie hoffte, ihr Ziel noch vor dem Wolkenausbruch zu erreichen.

      Mehr als sechs Stunden nach ihrem Verlassen Londons erreichte sie ein gemütliches, kleines Dorf an der Küste. Selbst im trüben Licht hatte es etwas Verzaubertes an sich. Ihr Wagen ratterte über Pflastersteinstraßen, wo Lücken in den Häuserreihen kurze Blicke auf den malerischen Hafen dahinter freigaben. Ryan hatte sie angewiesen, durch das Dorf hindurch und an der Küste entlang zu fahren. Das Haus befand sich einige Kilometer weiter und überblickte das Meer.

      Sie parkte vor dem offenen Tor und starrte begeistert das Haus an – es war fast zu perfekt, um wahr zu sein. Es fühlte sich wie der Ort an, von dem sie immer geträumt hatte. Ein einfaches, aber gleichzeitig umwerfendes Zuhause mit weichen Linien und Holzdetails, das sich harmonisch in die Umgebung einfügte und sie an ein Schiff im Hafen erinnerte, wenn es nicht auf einer Klippe mit fantastischem Blick über den Ozean stehen würde. Der gepflegte Garten beherbergte sowohl eine Schaukel als auch eine Wippe. Beide waren schon etwas rostig und Cassie nahm an, dass der Zustand der Spielgeräte einen Hinweis auf das Alter der Kinder liefern könnte.

      Cassie betrachtete sich im Rückspiegel und überprüfte ihr Haar. Die Wellen waren glatt und glänzend, nachdem sie ihnen am Morgen extra Zuwendung geschenkt hatte, und ihr korallenroter Lippenstift schimmerte makellos.

      Sie lief über die gepflasterte Einfahrt zum Haus, wo ein Weg, der mit Blumenbeeten gesäumt war, auf sie wartete. Trotz der Jahreszeit blühte alles gelb und sie erkannte die Blüten des Geißblatts. Im Sommer war es vermutlich ein prächtiges Farbenspiel.

      Die Haustüre öffnete sich, bevor sie dort angekommen war.

      „Hallo Cassie. Schön, dich kennenzulernen. Ich bin Ryan.“

      Der Mann, der sie begrüßte, war einen Kopf größer als sie, gutaussehend und überraschend jung. Sein sandbraunes Haar war zerzaust und seine Augen leuchteten blau. Er lächelte und schien sich ehrlich zu freuen, sie zu sehen. Er trug ein verblasstes Eminem-T-Shirt und ausgetragene Jeans. Sie bemerkte ein Geschirrtuch, das an seine Gürtelschlaufe geklemmt war.

      „Hi Ryan.“

      Sie nahm seine ausgestreckte Hand. Sein Griff war warm und fest.

      „Du hast mich dabei erwischt, die Küche für deine Ankunft sauber zu machen. Das Wasser kocht bereits – bist du Teetrinker? Ich weiß, eine sehr britische Angewohnheit. Aber ich habe auch Kaffee, wenn dir das lieber ist.“

      „Tee ist prima“, sagte Cassie, der das bodenständige Willkommen gefiel.

      Als er die Haustüre hinter ihr geschlossen hatte und sie in die Küche führte, dachte sie darüber nach, wie anders sie sich Ryan Ellis vorgestellt hatte. Er war freundlicher als erwartet und ihr gefiel es, dass er bereit dazu war, die Küche zu putzen.

      Cassie erinnerte sich an ihre Ankunft in Frankreich. Schon beim Betreten des französischen Schlosses hatte sie die aufgeladene, ungemütliche und konfliktreiche Stimmung bemerkt. In diesem Haus war das Gegenteil der Fall.

      Sie lief über den polierten Holzboden und war beeindruckt, wie sauber alles war. Auf dem kleinen Tisch im Flur standen sogar frische Blumen.

      „Wir haben das Haus für dich auf Vordermann gebracht“, sagte Ryan, als könne er Gedanken lesen. „So gut hat es hier seit Monaten nicht ausgesehen.“

      Zu ihrer Rechten sah Cassie ein Familienzimmer mit einer großen Schiebetür, die auf die Veranda führte. Gemütlich aussehende Ledermöbel und Gemälde von Schiffen an den Wänden machten das Zimmer einladend und geschmackvoll. Sie konnte nicht anders, als es mit dem pompösen Showroom-Dekor des Schlosses zu vergleichen, wo sie zuvor gearbeitet hatte. In diesem Haus schien eine richtige Familie zu leben!

      Die Küche war ordentlich und sauber und Cassie bemerkte, wie qualitativ die Küchengeräte waren. Wasserkessel, Toaster und Küchenmaschine trugen Markennamen und sie erkannte die leuchtenden Designermuster aus einem Artikel, den sie auf dem Flug gelesen hatte. Sie erinnerte sich daran, wie erstaunt sie von den Preisen gewesen war.

      „Hast du schon zu Mittag gegessen?“, fragte Ryan, nachdem er ihr Tee eingeschenkt hatte.

      „Nein, aber das ist in Ordnung …“

      Er ignorierte ihre Proteste, öffnete den Kühlschrank und brachte einen Teller, der mit Obst, Milchbrötchen und Sandwiches beladen war, zum Vorschein.

      „Am Wochenende ist es mir immer am liebsten, Snacks zur Verfügung zu haben. Ich wünschte, behaupten zu können, die Sachen extra für dich vorbereitet zu haben, aber wegen der Kinder ist das hier üblich. Dylan ist zwölf und beginnt gerade, wie ein Teenager zu essen. Madison ist neun und treibt viel Sport. Mir ist es lieber, wenn sie sich damit vollstopfen, als mit Fastfood oder Süßigkeiten.“

      „Wo sind die Kinder?“, fragte Cassie und ihre Nervosität kam zurück. Bei einem so freundlichen und ehrlichen Dad waren sie vermutlich genau so, wie Jess sie beschrieben hatte, aber sie musste sich selbst vergewissern.

      „Sie sind nach dem Mittagessen mit dem Rad aufgebrochen, um einen Freund zu besuchen. Ich habe ihnen gesagt, den Nachmittag auszunutzen, bevor sich das Wetter verschlechtert. Sie müssten jede Minute zurück sein – falls nicht, muss ich sie eventuell mit dem Land Rover einsammeln gehen.“

      Ryan blickte aus dem Fenster zum immer dunkler werdenden Himmel.

      „Naja, wie bereits gesagt, brauche ich in nächster Zeit wirklich Hilfe. Ich bin jetzt alleinerziehend und die Kinder brauchen so viel Ablenkung wie möglich. Leider kann ich gegen die Deadline bei der Arbeit nichts ausrichten.“

      „Was machst du beruflich?“, fragte Cassie.

      „Mir gehört eine Flotte von Fischer- und Freizeitbooten, die vom Hafen in der Stadt aus betrieben wird. Zu dieser Jahreszeit werden die Boote gewartet und ich habe derzeit eine Truppe vor Ort, die sich um die Reparaturen kümmert. Es gibt viel zu tun und die ersten Stürme der Saison ziehen bereits auf. Deshalb ist meine Zeit so knapp und die derzeitigen Umstände sind natürlich alles andere als hilfreich.“

      „Es muss furchtbar sein, eine Scheidung mitgemacht zu haben, vor allem jetzt.“

      „Es war keine einfache Zeit.“

      Als Ryan sich vom Fenster abwandte, bemerkte Cassie im sich verändernden Licht, dass er nicht nur attraktiv, sondern sogar außerordentlich gutaussehend war. Seine Gesichtszüge waren kräftig und markant und seine definierten Armmuskeln deuteten darauf hin, dass er trainierte.

      Cassie schalt sich dafür, das Aussehen des armen Mannes zu begaffen, während er sich selbst in der emotionalen Hölle befand. Doch sie musste zugeben, dass er unwiderstehlich gutaussehend war – so sehr, dass sie ihren Blick von ihm losreißen musste.

      „Ryan, das einzige Problem ist, dass ist gerade kein gültiges Arbeitsvisum besitze. Ich habe eines für Frankreich und die offiziellen Genehmigungen der Au-Pair-Agentur, aber mir war nicht klar, dass die Gesetze hier anders sind.“

      „Du wurdest mir von einer Freundin empfohlen“, sagte Ryan lächelnd. „Das bedeutet, du kannst als Gast bei uns bleiben. Ich werde dich bar und steuerfrei bezahlen, wenn das für dich in Ordnung ist.“

      Cassie fühlte eine Woge der Erleichterung über sich schwappen. Ryan verstand ihre Situation und hatte keine Probleme damit, ihr entgegenzukommen. Ihr fiel ein Stein vom Herzen und ihr wurde klar, dass dies vermutlich sogar der entscheidende Faktor war. Sie musste sich davon abhalten, den Job an Ort und Stelle