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Von dieser sog. „Schönwetter“-Rechtsprechung haben sich die Sozialgerichte inzwischen distanziert und räumen tatsächlichen Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft keine maßgebliche Bedeutung mehr bei.113 Es komme nicht darauf an, wie die Gesellschafter in friedlichen Zeiten agieren – also bei Schönwetter – sondern (nur) darauf, ob der Geschäftsführer aufgrund seiner Rechtsmacht in der Gesellschaft deren Geschicke beeinflussen und ihm nicht genehme Beschlüsse verhindern kann.114 Dies führt letztlich dazu, dass Fremd- und mit Minderheit an der GmbH beteiligte Geschäftsführer ohne Vetomöglichkeit in der Gesellschafterversammlung sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind.115 Mit Mehrheit beteiligte Geschäftsführer sind demgegenüber nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig und unterfallen damit nicht § 7 Abs. 1 SGB IV.116
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Bis vor Kurzem hatten zahlreiche Landessozialgerichte angenommen, dass ein Fremd- oder mit Minderheit beteiligter Geschäftsführer auch dann nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt, wenn er zwar nicht durch sein Gesellschaftskapital, wohl aber durch seine Stimmrechte Entscheidungen der Gesellschafterversammlung verhindern konnte.117 Ein in der Beratung seither erprobtes Mittel war daher der Abschluss von Stimmbindungsvereinbarungen zugunsten des Geschäftsführers. Damit hatte der Geschäftsführer zwar nicht das hinreichende Kapital, konnte aber die Mehrheit der Stimmen und damit auch ihm unangenehme Weisungen kontrollieren.
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Diese Möglichkeit hat das BSG nunmehr endgültig kassiert und dies damit begründet, dass eine solche Stimmbindungsvereinbarung, wenn auch nur aus wichtigem Grund, so doch kündbar sei und die daraus resultierende Rechtsmacht des Geschäftsführers daher insbesondere in Krisenzeiten nicht hinreichend sicher genug sei, um von einer durchsetzbaren Rechtsmacht des Geschäftsführers, Beschlüsse zu verhindern, auszugehen.118 Wenngleich diese Rechtsprechung nicht in allen Facetten überzeugt, muss sich die Beratungspraxis darauf einstellen. Im Zweifel ist der Gesellschaft und dem Geschäftsführer aufgrund der mit einer unterlassenen Abführung der Sozialversicherungsbeiträge verbundenen Risiken (z.B. § 266a StGB) anzuraten, ein Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund einzuleiten und den Status des Geschäftsführers verbindlich klären zu lassen (§ 7a SGB IV).119
b) Besteuerung der Geschäftsführervergütung
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Der Geschäftsführer der GmbH bezieht Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit nach § 19 EStG,120 ungeachtet des Umstands, dass der Geschäftsführer in aller Regel kein Arbeitnehmer im formalen Sinne ist. Dies gilt für Fremd- wie auch für Gesellschafter-Geschäftsführer. Bei Letzteren sind im Zusammenhang mit der Vergütung indes die schon dargestellten Grundsätze des Verbots der verdeckten Gewinnausschüttung zu beachten.
6. Sonstige Fragen
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Sowohl der Fremd- als auch der mit Minderheit beteiligte Geschäftsführer als auch – zumindest nach herrschender Meinung – der mit Mehrheit beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer können sich auf die Vorschriften zum Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen nach §§ 850 ff. ZPO berufen.121 Dies gilt auch für Ansprüche auf Karenzentschädigung aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.122
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Rückständige Ansprüche des Arbeitnehmers auf Vergütung gegen die Gesellschaft sind nach Wegfall der §§ 59 Abs. 1 Nr. 3, 61 Abs. 1 Nr. 1a KO einfache Insolvenzforderungen im Sinne des § 38 InsO.123
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Erfüllungsort für die Gehaltszahlungen ist der Ort, an dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, für die Verjährung gelten die §§ 195 ff. BGB mit der Folge einer dreijährigen kenntnisabhängigen Regelverjährung zum Jahresende (§ 199 Abs. 1 BGB). Der kenntnisunabhängigen Höchstverjährungsfrist von zehn Jahren nach § 199 Abs. 4 BGB dürfte im Fall von Vergütungsansprüchen demgegenüber ein sehr begrenzter Anwendungsbereich zukommen, etwa bei unbekannten Tantiemeansprüchen.
51 Ein Beispielsfall findet sich bei KG 12.3.1996, 14 U 7775/95, GmbHR 1996, 613, 614; Gehrlein/Witt/Volmer-Witt, Kap. 5 Rn. 50; ablehnend Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, § 35 Rn. 182. 52 Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, § 35 Rn. 187; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, Anh. § 6 Rn. 32; Gehrlein/Witt/Volmer-Witt, Kap. 5 Rn. 51. 53 Eingehende Darstellung bei Besgen-Velten, Teil 3 Rn. 92; Greven, BB 2009, 2154 ff. 54 Scholz-Schneider/Hohenstatt, § 35 Rn. 352; MüKoGmbHG-Jaeger, § 35 Rn. 315; MüGesR III-Marsch-Barner/Diekmann, § 43 Rn. 23. 55 Scholz-Schneider/Hohenstatt, § 35 Rn. 353 f.; Jula, S. 194 f. 56 Gehrlein/Witt/Volmer-Witt, Kap. 5 Rn. 52; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, § 35 Rn. 183. 57 Scholz-Schneider/Hohenstatt, § 35 Rn. 353; MüKoGmbHG-Jaeger, § 35 Rn. 307. 58 BGH, 14.5.1990, II ZR 126/89, BGHZ 111, 224, 226; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, § 35 Rn. 184. 59 Dabei ist unerheblich, ob es sich um einen Mehrheits- oder einen nur mit einer Minderheit beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer handelt, vgl. Michalski-Spönemann, Systematische Darstellung 3 Rn. 595. 60 Vgl. die Darstellung bei Jula, S. 195, und Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, S. 175 ff. 61 Ausführlich Scholz-Schneider/Hohenstatt, § 35 Rn. 354 m.w.N. 62 Scholz-Schneider/Hohenstatt, § 35 Rn. 354 unter Verweis auf BFH 12.10.1995, 1 R 27/95, BB 1996, 250, 251; Uckermann/Heilck, NZA 2014, 1187, 1189. 63 Uckermann/Heilck, NZA 2014, 1187, 1189; Lange, GmbHR 1991, 427; Scheuffele, GmbHR 2009, 1254, 1259. 64 Hier gelten die arbeitsrechtlichen Grundsätze entsprechend, vgl. Besgen-Velten, Teil 3 Rn. 24 ff. und Kap. 20. 65 Praxisbeispiele unklarer Regelungen bei Oppenländer/Trölitzsch-Weber, § 40 Rn. 56. 66 Oppenländer/Trölitzsch-Baumann, § 14 Rn. 37. 67 MüKoGmbHG-Jaeger, § 35 Rn. 314; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 35 Rn. 89; Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, § 35 Rn. 209; Mohr, GmbHR 2011, 402, 405; MüGesR III-Marsch-Barner/Diekmann, § 43 Rn. 29. 68 Ulmer/Habersack/Löbbe-Paefgen, § 35 Rn. 210; Gehrlein/Witt/Volmer-Witt, Kap. 5 Rn. 51; Scholz-Schneider/Hohenstatt, § 35 Rn. 359; Oppenländer/Trölitzsch-Weber, § 40 Rn. 67; MüGesR III-Marsch-Barner/Diekmann, § 43 Rn. 29. 69 BFH 28.6.1989, I R 89/85, DB 1989, 2049; Besgen-Velten, Teil 3 Rn. 7; Moll-Bengelsdorf, § 49 Rn. 151. 70 BFH 19.2.1999, I R 105,107/97, BB 1999, 885; Oppenländer/Trölitzsch-Weber, § 40 Rn. 65 m.w.N. 71 Ausführlich Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, S. 189 f. 72