»Phantastisch«, sagte er mit schmalen Lippen. »Es gibt wirklich nur dieses eine Wort dafür. Das ist absolut phantastisch.«
»Richtig«, erwiderte Ramon de Mendoza ausdruckslos. »Und jetzt wollen wir einpacken. Aber das übernehmen Robles, Galvaros und Jimenez.«
Sofort wurde die Spannung wieder spürbar. Kirk Gallagher schaute Clayton Gunn an, und der schüttelte unmerklich den Kopf. Da setzte auch Gallagher die Schatulle ab und trat zurück, um den Mexikanern Platz zu machen.
*
Durch das Fußgetrampel in der Halle waren John Gallagher und Jethro bereits aufmerksam geworden. »John! Wo steckt ihr?« klang dann schon die schneidende Stimme Kirks.
Mit steifen, marionettenhaften Bewegungen kehrte John Gallagher in die verwüstete Halle zurück. Gerade kamen die letzten Gestalten aus dem Gewölbe herauf. Sie eskortierten gleichsam den Mestizen Calvaro sowie Jimenez und Pablo Robles. Jeder dieser drei Männer trug jeweils zwei Paar Satteltaschen über den Schultern. Es waren sogenannte Parfleeches, anscheinend von indianischer Herkunft, und sie glichen geflochtenen Beuteln aus geschmeidigem Leder, so daß sich darunter die Umrisse harter Gegenstände abzeichneten. Nach dem schwerfälligen Gang der drei Träger zu urteilen, mußten diese Parfleeches – oder vielmehr ihr Inhalt – schwer wie Blei sein.
»Kommen Sie mit, Gallagher!« rief Mendoza ungeduldig. »Wir gehen hinten hinaus über den Hof. Gunn und die anderen decken diesmal den Rückzug, falls es noch Ärger geben sollte.«
Duff Yarnell schloß sich bereits hinkend an und wurde von Al Carnary gestützt. Mendoza selbst hatte nun die Laterne übernommen und stampfte mit dem Fuß auf, um die anderen zur Eile anzutreiben. Im Vorübergehen fing John Gallagher einen Blick seines Bruders auf, doch seine eigene Miene blieb unbewegt.
Die Vorsicht Ramon de Mendozas erwies sich diesmal als überflüssig. Es gab keine Zwischenfälle mehr, als sie den Palacio durch eine Tür bei den hinteren Wirtschaftsräumen verließen und den Hof überquerten.
Der flache Arroyo mit seinem holprigen Steingeröll war das letzte Hindernis. Al Canary, der einen Arm Duff Yarnells um seine Schulter gezogen hatte, strauchelte und konnte nicht verhindern, daß er zusammen mit dem Verwundeten in eine Rinne klatschte. Zwar nahm Yarnells Fluchen und Stöhnen daraufhin noch zu, doch rappelten sie sich beide wieder auf und kamen schon wieder herangestolpert, als die Parfleeches mit dem Schatz eben den Packpferden aufgeschnallt wurden.
Ziemlich genau die Hälfte der Reitpferde war durch die schweren Verluste der Desperado-Mannschaft überflüssig geworden. Nach kurzer Beratung übernahmen es Clayton Gunn, Jethro und Obadja Sterling, sie in einem geschlossenen Rudel davonzujagen, da man sich in den Dornendickichten des Buschlandes nicht mit Handpferden belasten konnte. Zudem würde das Rudel eine deutliche Fährte hinterlassen, durch die irgendwelche Verfolger möglicherweise für eine Weile irregeführt wurden.
Seit ihrem Eintreffen beim Palacio Pinacate war höchstens eine dreiviertel Stunde vergangen, als sie wieder in dem unwegsamen Buschgelände verschwanden. Niemand verlor ein Wort über die zehn Toten, die sie zurückließen, nicht einmal Al Canary, der seinen Bruder Jeff verloren hatte.
Abermals übernahm Calvaro die Führung, als sie sich nach Südosten wandten. Wo immer es das Gelände erlaubte, ritten sie ein Stück im Galopp, um dann wieder in Schritt zu fallen und sich in einer langgezogenen Reihe durch Kakteenhecken oder enge Buschkulissen zu zwängen. Scheinbar unabsichtlich hielt sich Obadja Sterling von nun an stets in unmittelbarer Nähe Mendozas und der drei Mexikaner mit den Packperden auf. Kirk Gallagher und Clayton Gunn hingegen ritten am Schluß, wo sie Gelegenheit hatten, miteinander zu reden, ohne daß die anderen es hörten.
Fünf oder sechs Meilen mochten sie schon zurückgelegt haben, als sich bei den Pferden immer deutlicher Anzeichen der Ermüdung bemerkbar machten. Clayton Gunn trieb seinen starken Schwarzfalben an und setzte sich unmittelbar neben den Kopfgeldjäger, so daß sie Bügel an Bügel ritten.
»Es kann nicht mehr lange dauern«, sagte er gedämpft. »Irgendwo in dieser Gegend wollte er sich von uns trennen und die Richtung zur Küste einschlagen. Dann wird er es uns verraten müssen, wo die frischen Pferde für uns bereitstehen.«
»Und damit hat er dann seinen letzten Trumpf aus der Hand gegeben«, entgegnete Kirk Gallagher grimmig. »Ob dieser Don sich einbildet, wir hätten seinen lausigen Trick noch nicht durchschaut? Ich halte jede Wette, daß er sorgfältig eine Stelle ausgesucht hat, von wo aus er und seine Greaser keine Fährte mehr hinterlassen, während unsere Spuren nach Norden, zur Grenze, deutlich zu verfolgen sind. Dadurch, so hofft er, werden wir alle Verfolger auf uns ziehen, während er selbst mit Leichtigkeit entkommen kann.«
»Diese Suppe werden wir ihm gründlich versalzen. Sind wir uns einig?«
»Ich denke, ja.«
Clayton Gunn nickte befriedigt.
»Was ist mit dem Schwarzen?«
»Jethro wird das tun, was John ihm sagt.«
»Und was tut dein Bruder?«
»Ich weiß nicht«, sagte Kirk Gallagher gepreßt. »John ist im Grunde immer noch zu weich. Die ganze Sache scheint ihm an die Nieren gegangen zu sein. Vorhin, als wir den Palacio räumten, hat er mich gar nicht mehr angeschaut, dieser verdammte Narr.«
Eine Weile starrte Clayton Gunn stirnrunzelnd vor sich hin, dann erwiderte er entschlossen: »Wir kommen auch ohne ihn zurecht. Sterling weiß Bescheid, und wenn auch mit Yarnell nicht mehr viel anzufangen sein sollte, bleibt immer noch Canary. Schließlich haben wir es nur noch mit vier Burschen zu tun, und von denen sind nur Mendoza selbst und der Mestize gefährlich. Mit Jimenez und Robles werden wir nicht viel Schwierigkeiten haben.«
Kirk Gallaghers Lippen hatten sich gespannt.
»Aber da bleibt noch die Sache zwischen uns, Gunn.«
Der Bandit maß ihn mit einem schrägen Seitenblick.
»Nun«, murmelte er gedehnt, »hier geht es um einen Fischzug, wie er noch nie zuvor gemacht worden ist. Ich glaube, mein Anteil wäre hoch genug, um alle Erinnerungen zu verwischen. Was hältst du davon?«
»Einverstanden.« Der Kopfgeldjäger grinste und rieb die dunklen Bartstoppeln an seinem Kinn. »Bald werden wir es nicht mehr nötig haben, uns mit Kleinigkeiten abzugeben. Und da wir gewissermaßen Partner geworden sind, sollten wir uns nicht mehr gegenseitig das Leben schwermachen. Es ist genug für alle da.«
Sie mußten wieder hintereinander reiten, weil zu beiden Seiten die bedrohlichen Choya-Kakteen mit ihren gefährlichen glitzernden weißgrauen Stacheln dicht heranrückten. Gegen den hellen Horizont hob sich nun ein felsiger Hügelrücken ab, so daß man die Scharten und Bastionen deutlich erkennen konnte. Schon bald klirrten die Hufeisen der Pferde auf steinigem Untergrund. Sie folgten nun einem ausgetrockneten Aroyo, der sich mehrfach gabelte, und schon eine Viertelstunde später wuchs der Felskamm wie eine drohende Mauer vor ihnen auf.
An der Spitze der Kavalkade erklang ein gedämpfter Ruf, der von irgendwoher beantwortet wurde. Die Pferde zeigten sich plötzlich lebhafter und drängten nach links hinüber, und dort, in einer breiten Scharte an der Wand des Aroyo, tauchte plötzlich ein einzelner Reiter auf.
Es hatte keinen Sinn, die Pferde länger zurückzuhalten. Immer stärker drängten sie zu einer bestimmten Stelle hinüber. Es handelte sich um einen Tümpel, in dem sich seit der letzten Regenperiode noch ein Rest von Wasser gehalten hatte. Schon der Geruch verriet, daß es sich um eine faulige, trübe Brühe handeln mußte.
Die Männer saßen ab, um die Pferde saufen zu lassen. Ramon de Mendoza war bereits zu dem Reiter getreten, der sie erwartet hatte, und wenig später fanden sich auch die anderen ein. Duff Yarnell setzte sich auf einen größeren Steinbrocken und streckte ächzend sein verwundetes Bein.
»Wir sind angelangt, Señores«, verkündete der Hidalgo. »Nur noch ein kurzes Stück, dann teilt sich der Arroyo. Wenn sie der Gabelung nach links folgen, dann kommen Sie